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Provinzial NordWest: Krach um Gewinnauszahlung

24. Juni 2013 - Beim Provinzial NordWest Konzern kann es schon heute wieder zu einem Eklat kommen. Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat wollen das Gremium, dem sie angehören, verklagen - wegen der zu hohen Gewinnauszahlung. ver.di und der Personalrat machen mobil.

 PROVINZIAL Direktion Münster Krach beim Provinzial NordWest Konzern (www.provinzial.de). Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Die Gewinnauszahlung der NordWest Holding (www.provinzial.de) für das Jahr 2012 an die Eigentümer - Sparkassenverbände Westfalen-Lippe, Schleswig-Holstein sowie den Landschaftsverband Westfalen-Lippe - soll viel zu hoch ausgefallen sein. Die Arbeitnehmervertreter im Holding-Aufsichtsrat der Provinzial hatten jetzt prüfen lassen, inwieweit der Beschluss der Hauptversammlung über die Gewinnausschüttung 2012 einer rechtlichen Kontrolle Stand halten kann. Es sei inzwischen eine erwiesene Tatsache, dass die Anteilseigner der Provinzial NordWest eine aus Sicht der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat überhöhte und damit auch rechtlich angreifbare Gewinnabführung beschlossen haben. Nunmehr stehe fest: Drei Mitglieder des Aufsichtsrates werden mit einer Beschlussmängelklage die Unwirksamkeit der Beschlussfassung der Aktionärsversammlung über die Gewinnverwendung gerichtlich geltend machen.

Frank Schischefsky Um die Hintergründe dieser wohl in der Rechtsgeschichte der Bundesrepublik einmaligen Klage zu erläutern und das direkte Gespräch mit den klageführenden Aufsichtsratsmitgliedern sowie einem Vertreter der mandatierten Anwaltskanzlei zu ermöglichen, hat Frank Schischefsky (Foto rechts), Pressesprecher des ver.di Landesbezirkes Nord (www.nord.verdi.de), heute, Montag, zu einer Pressekonferenz nach Münster eingeladen.

Unruhe in Münster und Kiel
Die Unruhe bei den Provinzial Versicherungen und Münster und Kiel nehmen kein Ende. Der Kampf um die öffentlich rechtlichen Unternehmen mit den Standorten Münster und Kiel nehme an Schärfe zu, heißt es dazu in den Medien.

Die Provinzial Holding hatte 2012 einen Traumgewinn von 136 Millionen Euro gemacht ("Rekord bei Jahresergebnis - trotz Umsatzrückgang"). 70 Millionen Euro daraus will der Versicherungs-Konzern an seine Besitzer überweisen.

Zitat dazu aus der Recklinghäuser Zeitung (www.recklinghaeuser-zeitung.de), die auch im Raum Münster erscheint: "Viel zu viel", befanden die Arbeitnehmer und stimmten im Aufsichtsrat dagegen. Jetzt verschärfen sie die Gangart und ziehen vor Gericht. Mit einer Organklage wollen sie das Gremium zwingen, den Beschluss zurückzunehmen.

Jörg Brokkötter Offiziell kommuniziere die Versicherungsgruppe den Vorwurf sehr diplomatisch, heißt es. So lässt Konzernsprecher Jörg Brokkötter (Foto) verlauten: „Die Gewinnverwendung einer Aktiengesellschaft wird in der Hauptversammlung entschieden. Das Unternehmen hat hierzu einen Vorschlag an den Aufsichtsrat zu unterbreiten. Dabei sind die Interessen der Eigentümer, der Kunden, der Belegschaft und damit auch die Zukunftssicherheit der Provinzial NordWest zu berücksichtigen. Auch nach Ausschüttung der Dividende betreibt das Unternehmen - wie auch in den vergangenen Jahren - in erheblichem Maße nachhaltige Zukunftssicherung durch den weiteren Aufbau von Reserven und die Stärkung des Eigenkapitals. Die Gewinnverwendung ist angemessen und vertretbar."

Hiobsbotschaften überschlagen sich
Intern sollen sich allerdings die Hiobsbotschaften zu den Gewinnausschüttungs-Nachrichten überschlagen und kontrovers diskutiert werden. Es heißt, dass sich die Gewerkschaft ver.di und der Personalrat einig seien: "Die Provinzial wird von ihren Eigentümern ausgesaugt." Die Chefs der Anteilseigner, Sparkassenpräsident Rolf Gerlach und Landesdirektor Wolfgang Kirsch, hätten sich über das Geld sehr gefreut, heißt es.

Jetzt soll vor Gericht geprüft werden, ob diese hohe Auszahlung überhaupt rechtens und mit dem Gesetz zu vereinbaren sei. Die Arbeitnehmervertreter würden sich an der hohen Auszahlung stoßen, weil sie glauben, dass das NRW-Provinzial-Gesetz eine andere Sprache spreche. Denn nicht nur, dass dort steht, dass die "Erzielung von Gewinn nicht Hauptzweck des Geschäftsbetriebes" ist, sondern dass dort auch die Rede von einer "Verzinsung" des Stammkapitals ist. "Normal wären 3 Prozent. Auch gegen 10 Prozent hätten wir nichts einzuwenden. Aber es sind 50 Prozent", schimpft ein Gewerkschafts-Mitglied. Das Geld müsse in der Provinzial gehalten und das Eigenkapital vermehrt werden.

„Kein Cent zurück von den Eigentümern zurück"
Ein weiterer Einwurf der Kritiker ist, dass laut Geschäftsbericht das Eigenkapital zwar bereits 1,2 Milliarden Euro ausmacht, doch müssten Versicherungskonzerne bald die strengeren Eigenkapitalanforderungen "Solvency 2" erfüllen, für die sie viel mehr Geld vorhalten müssten. "Wenn's dann knapp wird, bekommen wir doch keinen Cent zurück von unseren Eigentümern", wird ein Funktionär gegenüber der Redaktion der Recklinghäuser Zeitung zitiert.

An der heutigen Pressekonferenz nehmen unter anderem die klageführenden Vertreter des Aufsichtsrats: Vorsitzender des Provinzial-Gesamtbetriebsrates Albert Roer sowie die Vorsitzende des Betriebsrates des Gemeinschaftsbetriebes am Standort Kiel Kerstin David und von ver.di Frank Fassin teil. Auch Lorenz Schwegler ist als Seniorpartner der beauftragten Rechtsanwaltskanzlei anwesend.

Klage nur das i-Tüpfelchen als Reaktion auf die Unruhen
In der Branche vermutetet man, dass die Klage gegen die zu hohe Gewinnausschüttung nur das i-Tüpfelchen einiger Unruhe stiftender Ereignisse bei der Provinzial NordWest sei. Erst hatte Konzern-Chef Ulrich Rüter Im Herbst vergangenen Jahres über ein Kaufangebot nachgedacht, das die Allianz Deutschland (www.allianzdeutschland.de) zum Erwerb der Komposit-Sparten der Provinzial abgab. Dann hatte Rüter eine handgreifliche Attacke auf sich vorgetäuscht, die ein rechtliches Nachspiel hat. Schließlich folgte kurz vor Weihnachten 2012 die Nachricht, dass eine früher öfters angestrebte Fusion der Unternehmen der Provinzial NordWest mit der Provinzial Rheinland (www.provinzial.com)  immer wichtiger werde ("Ist der Spuk nun vorbei? Hilft Fusion statt Verkauf?"). Bleibt abzuwarten, was der heutige Tag samt Pressekonferenz und Anrufung der Gerichte bringen wird. (eb / www.bocquel-news.de)

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