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D&O-Versicherung - auch von Experten wachgeküsst

5. Dezember 2016 - Raus aus der Nische und aus dem Dornröschenschlaf – die Managerhaftpflicht, Vermögen- und Vertrauensschaden-Versicherung sowie Cyber-Deckungen sind auf dem Vormarsch. Das thematisierten Experten bei der Fachveranstaltung „Financial Lines 2017“, die von der DGVH in Köln organisiert wurde.

Die D&O-Versicherung (englisch D&O directors and officers liability insurance – zu Deutsch Managerhaftpflicht) – besetzt in der deutschen Versicherungswirtschaft eine Nische und ein Spezialgebiet, das rund dreißig Versichersicherer hierzulande aktiv anbieten. Underwriter, Riskmanager und Spezialisten in der D&O-Schadenregulierung, also die geballte Fachkompetenz in dieser Nische, sowie Makler, Versicherer und Rückversicherer trafen sich in Köln zur Fachveranstaltung „Financial Lines 2017“ von der DGVH Deutschen Gesellschaft für Vermögenschadenhaftpflicht e.V. (www.dgvh.de); für die auch Weiterbildungspunkte angerechnet wurden.

„Meine ‚Schadenkollegen‘ sind weit mehr als bloße Schadenregulierer. Sie sind Mediatoren, Psychologen, Rechtsberater und Krisenmanager“, sagte Heiko Würtz von der HDI Global (www.hdi.global), als er einen „(Rh)einblick, Ausblick, Weitblick und Überblick“ in die komplexe Materie der D&O gab. Er machte damit deutlich, wie schwierig und breit gefächert das Fachgebiet ist. Er lockerte seinen Vortrag mit launigen Worten auf, so dass er auch die Makler, die noch nicht zu häufig in Sachen D&O unterwegs waren, mitriss.

Dazu sei erklärt, dass sich die Facetten der D&O-Versicherung vielschichtig in Spezialbereiche gliedern, zu denen unter anderem gehören:

  • Vermögensschadenhaftpflicht – die Herbeiführung eines geldwerten Nachteils auch durch Vereitelung oder Minderung von Wertschöpfung oder Zugewinn, der keinen Personen- oder Sachschaden darstellt (wie beispielsweise Betriebsstörungen und/oder Produktionsausfälle/Forderungsausfälle/nachteilige Verträge).
  • Managerhaftung – die Aufgaben und Pflichten der Unternehmensorgane sind gesetzlich geregelt, ebenso, wie ihre Haftung. Alle Führungskräfte haften persönlich mit ihrem pfändbaren Privatvermögen für Schäden, die aus ihrer beruflichen Tätigkeit (Organverschulden) entstehen.
  • gesamtschuldnerische Haftung – Unterläuft zum Beispiel einem Vorstandsmitglied ein Fehler, so haften alle Vorstandsmitglieder als Gesamtschuldner und sind der Gesellschaft zum Ersatz des Schadens verpflichtet.
  • Außenhaftung – Haftung gegenüber Ansprüchen Dritter; dazu gehören auch Ansprüche, die Mitarbeiter oder Kunden des Unternehmens geltend machen, für das der Manager arbeitet.
  • Innenhaftung – Ansprüche des Unternehmens, das üblicherweise als Versicherungsnehmer fungiert, gegen seinen ‚eigenen‘ Manager, der die versicherte Person ist.
  • Claims made-Prinzip (= Anspruchserhebungsprinzip) – versichert sind Ansprüche, die innerhalb der Vertragslaufzeit entstehen und geltend gemacht werden.
  • Rückwärtsdeckung – es können Ansprüche während der Vertragslaufzeit geltend gemacht werden, die auf Pflichtverletzungen vor Vertragsbeginn beruhen. Nicht versichert sind Ansprüche, die auf Pflichtverletzungen beruhen, die bei Vertragsabschluss bekannt waren oder hätten bekannt sein können.

Die D&O-Versicherung ist in Deutschland seit knapp drei Jahrzehnten bekannt – als die Chubb (www.chubb.de) 1986 mit einer ersten Police hierzulande auf den Markt kam. Aber erst seit zwanzig Jahren wird die Managerhaftpflicht auch von anderen Gesellschaft in Deutschland aktiv angeboten. Inzwischen ist kaum mehr ein Manager bereit, Mitglied eines Vorstands oder Aufsichtsrats zu werden, ohne dass das Unternehmen eine D&O-Deckung für ihn abschließt und damit sein Privatvermögen schützt.

Bis zu 20.000 Schadenersatzansprüche landeten laut Insider-Angaben zuletzt jährlich bei den D&O-Versicherern in Deutschland. Noch vor kurzem hieß es, dass in den letzten zwanzig Jahren die Zahl der D&O Schadenfälle von 40 auf rund 120 jährlich gestiegen sei (siehe Artikel in den bocquel-news D&O-Schadenfälle steigen in Deutschland dramatisch ). Da es jedoch keine offiziellen Zahlen aus diesem Bereich gibt – auch nicht vom Branchenverband GDV (www.gdv.de), muss man den Insider-Angaben vertrauen. Das Potenzial für D&O-Versicherungen scheint auf jeden Fall unermesslich. So wird das Prämienvolumen der circa 30 D&O-Anbieter hierzulande auf insgesamt 700 bis 900 Millionen Euro im Jahr geschätzt – ein Bruchteil dessen, was in den USA eingenommen wird.

Durch die in jüngster Vergangenheit verstärkte Berichterstattung in den Medien über mögliche Managerfehler und Verfehlungen sowie daraus resultierende Haftungsrisiken steigt die Aufgeschlossenheit für den D&O-Versiche-
rungsschutz auch in deutschen Regionen rasant. Die Risiken sind in der Tat hoch: Im Rahmen der Organ-Haftung können Entscheidungsträger für entstandene Vermögensschäden sowohl von ihrem Unternehmen als auch von Dritten haftbar gemacht werden – und dies persönlich und in unbegrenzter Höhe mit ihrem Privatvermögen. Was vielfach nicht bekannt ist: Diese Haftungsrisiken können den Manager noch Jahre später einholen, selbst wenn er die Funktion, in der er die Pflichtverletzung begangen hatte, gar nicht mehr ausübt.

Wenig bekannt ist auch, so Heiko Würtz, dass nicht alle D&O-Versicherer in Deutschland eine sogenannte Endkundenpolice anbieten und/oder einen eigenen Schadenservice vor Ort vorhalten. Da ist sorgfältige Information im Vorfeld unerlässlich. Aber auch hier sei inzwischen eine positive Weiterentwicklung zu beobachten. „Die D&O-Versicherung erwacht aus ihrem Dornröschenschlaf. Der Frühling ist da.“

International klagen die D&O-Versicherer über einen „weichen Markt“ mit niedrigen Prämien, die kaum mehr kostendeckend wären. Heiko Würtz sagte dazu: „Man kann in Deutschland immer noch profitables D&O-Geschäft zeichnen.“ Zu den Aufgaben der Underwriter zähle jetzt die Herausforderung, den Kunden vernünftigen Deckungsschutz anzubieten, der auch im Schadenfall funktioniert.

Den Rückversicherern stehe in dem derzeitig ungewöhnlichen D&O-Markt eine besondere Bedeutung zu. Sie seien als Hüter der Märkte bekannt und kommen jetzt auch ihrer Rolle als Hüter des D&O-Marktes nach. Aber: „Es gibt hier genügend Gemeinsamkeiten zwischen Maklern, Versicherern und Rückversicherern“, sagte Florian Biebrach von der Swiss Re (www.swissre.com), der über einen „Perspektiv-Wechsel im Underwriting“ sprach. „Die Herausforderung der Branche trifft alle gleich.“ So würden sich alle gleichermaßen an FinTechs beteiligen. Die Digitalisierung sei auch für alle gleich wichtig, weil jeder dadurch die Kosten straffen könne.

Aus dem Nähkästchen plauderte Rüdiger Kirsch von Euler Hermes (www.eulerhermes.de). Der Leiter Schaden für die Vertrauensschaden-Versicherung bei Euler Hermes berichtete, dass er mit Blick auf seine 27-jährige Tätigkeit des Kreditversicherungs-Marktführers von geschädigten Unternehmen, bei denen in 25 und 45 Prozent der Schadenfälle Mitarbeiter der Auslöser waren. Beispielsweise gebe es Fälle, wo es um die Umleitung von Zahlungs- und Warenströmen gehe. „Hier ist in der Regel das Geld längst weg, wenn der Betrug entdeckt wird“, sagte Kirsch. Der Schaden fliege oft erst dann auf, wenn Zahlungsverzug eintritt und der Lieferant oder die tatsächlich existierende Firma gemahnt wird. Wird dann die Lieferadresse durch die Polizei überprüft, findet sie die Geschäftsräume verlassen vor und die Ware ist selbstverständlich längst weiter verschoben worden.

Solche Schäden können sich laut Rüdiger Kirsch so bis zu einer Höhe von 500.000 Euro und mehr summieren. „Um einen solchen Schaden auszugleichen, müsste ein Unternehmen 10 Millionen Euro zusätzlichen Umsatz generieren bei einer Gewinnmarge von 5 Prozent, sonst sogar noch mehr“, berichtete Kirsch.

Hackerangriffen auf Clouds, Datendiebstahl und Veruntreuung
Finanzielle Risiken durch Geheimnisverrat, Vermögensschäden durch Betrug, Veruntreuung und Diebstahl von Mitarbeitern und externen Dritten können durch Vertrauensschaden-Versicherungen abgesichert werden, betonte Schaden-Experte Kirsch. Schäden aus Hackerangriffen auf Clouds sowie das gesamte Spektrum der Cyberkriminalität stehen ebenfalls im Fokus der D&O-Spezialisten. Dazu gehört auch der Datendiebstahl außerhalb des firmeneigenen Systems, bei dem Daten in externen Netzwerkleitungen oder Datenknotenpunkten einfach abgefangen werden. Da es sich hier meist um viele Millionen Euro schwere Schäden handelt, müsse auch ein XXL-Sicherheitspaket mit einer Versicherungssumme von bis zu 100 Millionen Euro abgeschlossen werden, wie es Euler Hermes seit diesem Jahr im Produktportfolio anbiete.

Was die Cyberkriminalität betrifft sagte Kirsch: „Kein Unternehmen ist vor Hackerschäden gefeit – es ist heutzutage nicht mehr die Frage, ob ein Unternehmen gehackt wird, sondern wann. Laut Statistiken sei bereits jedes zweite Unternehmen in Deutschland schon einmal Opfer einer Cyberattacke gewesen. Besonders betroffen sind neben Banken und Versicherungsgesellschaften die Automobil-, Chemie- und Pharmabranche. Auch mittelständische Firmen sind demnach bei Hackern beliebt. „In vielen Fällen mit Unterstützung von eigenen Mitarbeitern“, wiederholte Kirsch. Und: Seiner Meinung nach sollten sich Vertrauensschaden-Versicherung und Cyber-Versicherung keinesfalls ausschließen sondern ergänzen.

Dem stimmte Markus English von der Tokio Marine Kiln (www.tokiomarinekiln.com/de) zu. Er ist seit Jahresbeginn als Enterprise Risks Underwriting Manager für den Versicherungsbereich Cyber bei dem weltweit arbeitenden Versicherer mit japanischen Wurzeln tätig. Da kein Risiko und kein Unternehmen dem anderen genau gleicht, empfahl er, darauf zu achten, dass gerade der Baustein Cyber-Deckung bei der Vertrauensschaden-Versicherung neben der Standarddeckung auch Bausteinen für die Eigenschadendeckung wie auch der Haftung auf Schadensersatz vorsieht.

Das Phänomen ‚Fake President‘ – eine besonders hinterhältige Cyberattacke - nimmt stark zu. Dabei finden Hacker ihren Weg auch in die bestgeschützten IT-Systeme, selbst in Regierungsserver, wie die Bundesrepublik Deutschland auch schon erfahren musste. Häufige e-Crime Schadenfälle sind neben Phishing und Identitätsdiebstahl vor allem gehackte Telefonanlagen, von denen aus die Hacker stundenlang ins Ausland telefonieren.

Die Betrüger werden in Sachen ‚Fake President‘ immer einfallsreicher. Das Schadenbeispiel, wonach in der gefakten E-Mail vom Chef an die Mitarbeiterin in der Finanzbuchhaltung beispielsweise sogar drinstand, dass eine bestimmte Geld-Transaktion so geheim sei, dass sie ihren Chef auf keinen Fall auf dem Flur darauf ansprechen dürfe. Sogar der Tonfall und die Wortwahl in der falschen E-Mail stimmen, weil die Hacker schon zur Tage die Korrespondenz beobachteten und Ansprache, Tonfall und Wortwahl imitieren. „Zwei Millionen Euro für die angebliche Transaktion auf verschiedenen chinesischen Konten waren danach blitzschnell verschwunden“, erzählte Rüdiger Kirsch dazu.

D&O-Versicherung - Schnick-Schnack oder Zukunft?
Markus English, der wie Franz Held und Diederik Sutorius, Geschäftsführer der VOV GmbH (www.vovgmbh.de) Themenkreisleiter bei der DGVH ist, durchleuchtete etliche Schadenberichte aus dem Blickwinkel des Cyber-Versicherers. „Schnick-Schnack oder Zukunft“ lautete seine provokante Frage. Die Telekom fordere seit der Superattacke, denen vergangene Woche mindestens 900.000 Telekom-Kunden zum Opfer fielen, eine grenzüberschreitende „Cyber-Nato“. „Die Cyber-Versicherung ist als optionaler Versicherungsschutz für Eigen- und Drittschäden aufgrund von Angriffen oder Fehlern im eigenen IT-System anzusehen“, sagte der Manager. Quasi eine „non physical BU“.

Längst nicht alle Probleme und Gefahrenpunkte konnten hier abschließend geklärt werden. Doch intensive Gespräche und Fachsimpelei rundeten die DGVH-Fachveranstaltung ab. (-el / Fotos E. Bocquel / www.bocquel-news.de)

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