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Konzepte und Kriterien

D&O-Schadenfälle steigen in Deutschland dramatisch

1. Dezember 2016 - Die Zahl der D&O-Schadensfälle in Deutschland hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren etwa verdreifacht. Immer öfter werden Führungskräfte für unternehmerische Entscheidungen persönlich haftbar gemacht. Die Abwicklung der Klagen dauert lange und die Kosten gehen in die Millionen.

Cyber- und Datenschutzvorfälle und zunehmender Aktivismus von Aktionären oder Aufsichtsbehörden steigern das Risiko für Führungskräfte, für unternehmerische Entscheidungen persönlich haftbar gemacht zu werden. Dies geht aus der aktuellen Studie der Allianz Global Corporate & Specialty AGCS (www.agcs.allianz.com). Laut der Studie “D&O Insurance Insights: Management Liability Today“ zählt Deutschland nach den USA zu dem Land mit den meisten D&O-Schadenfällen.

Ohne Managerhaftpflicht (D&O-Versicherung) geht fast nichts mehr – in den Führungs-Etagen der Unternehmen. Im Falle von Pflichtverletzungen wie Compliance-Verstößen drohen Vorständen und Top-Managern kostspielige Untersuchungen, Zivilverfahren oder gar strafrechtliche Ermittlungen, die die Finanzen des jeweiligen Unternehmens wie auch das persönliche Vermögen der Betroffenen bedrohen. Gegen solche Haftungsrisiken schützt eine D&O-Versicherung, indem sie etwaige Schadenersatzleistungen der Manager sowie die Kosten der Rechtsverteidigung übernimmt.

„In Deutschland kann der Aufsichtsrat das Management in vielerlei Hinsicht belangen. Es ist oft ein schmaler Grat zwischen unternehmerischen Geschäftsentscheidungen und rechtswidrigem Fehlverhalten“, sagt Martin Zschech (Foto: privat), Regional Head of Financial Lines Central & Eastern Europe. Obwohl der rechtliche Rahmen für Managerhaftpflicht international unterschiedlich ist, stellten die .AGCS-Experten einen weltweiten Trend fest: „Zunehmender Aktivismus von Aktionären oder Aufsichtsbehörden hat sich zu einem weltweiten Phänomen entwickelt”, erklärt Bernard Poncin (Foto: Allianz), Global Head Financial Lines, AGCS.

Während im angelsächsischen Raum Aktionärs- und Sammelklagen gegen Unternehmen und ihr Management häufig zu D&O-Fällen führen, sind diese in Europa weiterhin nur eingeschränkt möglich. Ein Präzedenzfall ist daher das Musterklageverfahren im Fall des Emissionsskandals eines Automobilherstellers, bei dem hunderte Investoren ihre Klagen bei einem deutschen Landesgericht eingereicht haben.

Deutsche D&O Fälle beruhen oft auf einem Innenregress
Anlass zu D&O-Fällen sind in Deutschland häufig Korruption und Betrug sowie Wettbewerbs- und Kartellrechtsverstöße. Das betroffene Unternehmen, das sich mit hohen Strafzahlungen konfrontiert sieht, versucht das eigene Top-Management in Haftung zu nehmen. „Rund 80 Prozent der D&O-Fälle in Deutschland beruhen auf einem solchen Innenregress“, erklärt Stephan Kammertöns, Global Head of Financial Lines Claims, AGCS.

In den letzten zwanzig Jahren stiegt die Zahl der D&O Schadenfälle von 40 auf rund 120 jährlich. Die D&O-Spezialisten der AGCS haben Schäden in den letzten vier Jahren weltweit 576 Schadenfälle (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken) im Hinblick auf juristische Ursachen untersucht – mit dem Ergebnis:

  • Compliance-Verstöße,
  • Sorgfaltspflichtverletzungen bei unternehmerischen Entscheidungen,
  • Fehler in der Unternehmensführung,
  • etwa bei der Überwachung und Kontrolle eines Unternehmens,
  • Verstöße gegen Treuepflichten gegenüber dem Unternehmen sowie
  • unzulängliche oder fehlerhafte öffentliche Informationen.

Die große Mehrheit der D&O-Fälle wird über einen außergerichtlichen Vergleich beigelegt, trotzdem werden Gerichtsverfahren immer häufiger. Einen Grund sehen die AGSC-Experten im wachsenden Einfluss von Prozessfinanzieren geschuldet, die Sammelklagen finanzieren oder die Prozesskosten eines klagenden Unternehmens übernehmen. Im Erfolgsfall erhalten sie einen Anteil an der Entschädigungsleistung.

USA Rekordhalten bei D&O Klagen
Während die Klagefreudigkeit in Europa und vielen Ländern Asiens von niedrigem Niveau aus steigt, sind die USA in dieser Hinsicht dem Rest der Welt voraus. Die Zahl der Aktionärssammelklagen gegen US-Unternehmen und deren Management steuert in diesem Jahr auf einen neuen Rekordwert zu. Am Beispiel der USA kann man abschätzen, wie sich die Lage in Deutschland weiter entwickeln könnte: Einen großen Schadenfall abzuwickeln dauert im Schnitt drei bis sechs Jahre. Die Kosten für die Rechtsverteidigung, also die Gerichts-, Anwalts-, oder Sachverständigenkosten, belaufen sich durchschnittlich auf rund 10 Millionen US-Dollar (knapp 9.500 Euro) und explodieren in großen Fällen sogar auf bis zu 100 Millionen US-Dollar.

Generell haben sich in den vergangenen sechs Jahren die Abwehrkosten für große D&O-Fälle in den USA nahezu verdoppelt. Auch in Deutschland zeigt sich ein ähnlicher Trend: „Die Kosten für die Rechtsverteidigung verbrauchen oft einen erheblichen Teil der Deckungssumme einer Managerhaftpflichtversicherung“, erklärt Stephan Kammertöns.

Die Gründe, warum Manager persönlich in Haftung genommen werden, sind vielfältig. Gerade in kritischen Phasen für das Unternehmen kommt es zu Klagen: Entscheidungen im Rahmen von Übernahmen und Fusionen, Verkäufe und Kapitalerhöhungen bieten Anlässe. Dazu kommen neue Risiken, die sich durch die Digitalisierung ergeben: für Klagen in Folge von Cyberattacken oder Datenschutzverletzungen gibt es in den USA schon die ersten Fälle. Gerade durch die geplante Verschärfung der Datenschutzregulierung in Europa ist mit der Einführung von hohen Bußgeldern zu rechnen. „IT-Sicherheit liegt klar im Verantwortungsbereich eines Vorstands – und wer dies auf die leichte Schulter nimmt, geht ein beachtliches Risiko ein“, betont Zschech.

Weitere neue Haftungsrisiken für Manager könnten sich aus Vorwürfen oder öffentlichen Protesten gegen ein Unternehmen wegen Umweltverschmutzung, Klimaschädigung oder Zwangsarbeit in weltweiten Zuliefernetzwerken ergeben.

Risikomanagement für Haftungsrisiken
Die Experten der AGCS sehen Kontrollmechanismen und –prozesse als wirksames Mittel, um das Haftungsrisiko für Führungskräfte zu mindern. Hier sollte jedes Unternehmen ein strenges Risikomanagement und Compliance-Management betreiben. „Außerdem sollten sich Führungskräfte mit den geltenden Regeln zu Sanktionen, Steueroasen, Kartellrecht und Korruption auseinandersetzen“, sagt Zschech: „Compliance ist aber auch eine Frage der Haltung und der Werte – das Management muss Regeltreue vorleben und kontinuierlich einfordern, damit sie Teil der Unternehmenskultur wird.“ Im eigenen Interesse sollten Manager alle relevanten Vorgänge und Entscheidungen dokumentieren und einen offenen Kommunikationsstil mit Aufsichtsbehörden, Investoren und Mitarbeiter pflegen.

D&O-Versicherungen gibt es in Deutschland seit Mitte der achtziger Jahre, als die Chubb (www.chubb.com) als erste hierzulande ihre Managerhaftpflicht-Police in den Markt brachte; heute gehören die D&O-Versicherung standardmäßig in das Versicherungsportfolio von Großunternehmen. Um die erforderlichen Deckungssummen in bis zu dreistelliger Millionenhöhe aufzubringen, bilden sich oft Konsortien aus mehreren beteiligten Versicherern. Nicht gedeckt sind allerdings strafbare Handlungen oder wissentliche Pflichtverletzungen der Manager. In Deutschland sind Vorstände von Aktiengesellschaften gesetzlich verpflichtet, einen Teil des Schadens aus eigener Tasche zu bezahlen. Um sich dagegen abzusichern, können sie selbst privat sogenannte Selbstbehaltsversicherungen abschließen. (ml / www.bocquel-news.de)

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