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Große Probleme bis zum Start der Unisex-Tarife

30. April 2012 - Zu den künftigen Unisex-Tarifen in der Lebensversicherung, der Rentenversicherung und der betrieblichen Altersvorsorge nahmen die Teilnehmer der Deutschen Aktuarvereinigung e.V. (DAV) jetzt während ihrer Jahrestagung in Stuttgart erneut Stellung.

Die Einführung von Unisex-Tarifen kann die private und betriebliche Altersvorsorge generell teurer machen, da aufgrund der grundsätzlichen Unsicherheit über die Geschlechterzusammensetzung in den Versicherungsbeständen insgesamt eine höhere Prämie entrichtet werden müsste. Während der Jahrestagung 2012 der Deutschen Aktuarvereinigung e.V. (www.aktuar.de) in Stuttgart ging es einmal mehr um die Unisex-Tarife und den Beschluss des Europäischen Gerichtshofs, auch in Deutschland ab dem 21. Dezember 2012 für das Neugeschäft in der Personenversicherung keine Differenzierung nach dem Geschlecht mehr zu machen.

Die Gleichstellung
Nachdem die Gender-Richtlinie der EU aus dem Jahr 2004 über die Gleichstellung von Männern und Frauen den Mitgliedstaaten noch die Möglichkeit gelassen hatte, Ausnahmen von der Regel geschlechtsneutraler Prämien und Leistungen zuzulassen, hat der Europäische Gerichtshof im vergangenen Jahr über eine entsprechende Vorlage des belgischen Verfassungsgerichts entschieden: Laut diesem EuGH-Urteil sind die in vielen Ländern praktizierten Ausnahmeregelungen ungültig mit der Konsequenz, dass auch in Deutschland ab dem 21. Dezember 2012 für das Neugeschäft in der Personenversicherung keine Differenzierung nach dem Geschlecht mehr erfolgen darf.

In der Lebensversicherung waren die verschiedenen Produkte bisher weitgehend geschlechtsspezifisch kalkuliert. Dies bedeutete, dass die private Rente, die Basis-Rente (Rürup-Rente) sowie die Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) für Männer günstiger als für Frauen war. Bei der Kapitallebensversicherung, der Risikolebensversicherung und der Sterbegeldversicherung schnitten entsprechend der statistisch belegten längeren Lebenserwartung die Frauen besser ab. Keinen Unterschied gibt es bei der Riester-Rente, die seit ihrer Einführung 2006 bereits mit einem Unisex-Tarif kalkuliert ist.

Die Einführung der Unisex-Tarife ab Ende Dezember 2012 wird aus Sicht der DAV bei der reinen Risikoversicherung keine spürbaren Auswirkungen auf das Kaufverhalten der Kunden haben. Der Grund: Die Prämien sind im Vergleich zur Versicherungssumme relativ niedrig. Dementsprechend dürften marginale Prämien-Veränderungen beim Abschlussverhalten der Kunden kaum ins Gewicht fallen.

Das wesentliche Tarifierungsmerkmal bei der Berufsunfähigkeitsversicherung sei weniger das Geschlecht als vielmehr die Berufsgruppe, heißt es. Das Kundenverhalten werde sich daher mit Einführung von Unisex-Tarifen voraussichtlich nicht wesentlich ändern. Unisex-Tarife würden bei Berufsunfähigkeitsversicherungen mäßige Preisveränderungen gegenüber den derzeit angebotenen Produkten aufweisen.

Dr. Johannes Lörper „Die größten Veränderungen wird die geschlechtsneutrale Kalkulation bei der privaten Rentenversicherung bringen: sie wird für Männer deutlich unattraktiver, so dass männliche Kunden vermehrt reine Sparprodukte als Alternative wählen könnten", sagt DAV-Vorsitzender Dr. Johannes Lörper (Foto). Der Preis für eine nach Unisex-Rechnungsgrundlagen kalkulierte Rentenversicherung hänge davon ab, wie hoch der Aktuar den künftigen Männeranteil im Tarifverbund schätzt: je niedriger der Männeranteil angesetzt werde, desto höher der Preis. Auch der CEA europäische Versicherungsverband (www.cea.eu) hatte das bereits deutlich gemacht ("Unisex-Tarife: Für Verbraucher Nachteile").

Besonders schwierig sei die Preisfindung bei aufgeschobenen Rentenversicherungen. Hier ist laut Aktuarsmeinung nicht nur eine Schätzung des Männeranteils zu Versicherungsbeginn erforderlich, sondern auch eine Schätzung des Männeranteils zum Ausübungszeitpunkt der Renten-Option. Dieser kann demnach 20 bis 30 Jahre in der Zukunft liegen und die Kundenentscheidung zur Ausübung der Rentenoption von zu diesem Zeitpunkt existierenden Produktalternativen abhängen.

Bei dem Sonderfall „Riester-Rente" funktioniert die Unisex-Kalkulation den Angaben zufolge deshalb, weil die für Männer im Vergleich zu einer geschlechtsspezifisch kalkulierten Rentenversicherung erhöhten Prämien durch staatliche Förderung verwischt werden, der Kundenkreis groß ist und damit die sozioökonomischen Risiken reduziert sind.

Offene Fragen bei der betrieblichen Altersversorgung
Formal ist der Geltungsbereich des EuGH-Urteils auf Versicherungsunternehmen beschränkt. Die betriebliche Altersversorgung sei formal nicht erfasst. Es gebe somit keine unmittelbaren Auswirkungen des Urteils auf die betriebliche Altersversorgung - weder arbeitsrechtlich noch versicherungsvertraglich.

Ob allerdings vom EuGH ein ansonsten vergleichbarer Fall aus der betrieblichen Altersversorgung anders entschieden würde, mit der Folge, weiterhin geschlechtsabhängige Kalkulationen zuzulassen, sei fraglich, gibt die DAV zu bedenken. In seiner Begründung nimmt der EuGH den Angaben zufolge auf die höherrangige Grundrechts-Charta Bezug, die allgemein gültig ist und sich damit auch auf die betriebliche Altersversorgung beziehen würde. Eine weitgehende Rechtssicherheit könnte nur durch die Überarbeitung der entsprechenden Richtlinien und deren Umsetzung in nationales Recht oder durch ein EuGH-Urteil herbeigeführt werden.

Obligatorischer Einschluss der Hinterbliebenenversorgung
In der betrieblichen Altersversorgung ist der obligatorische Einschluss der Hinterbliebenenversorgung weit verbreitet. Dies habe zur Folge, dass sich die „Tarife" für die beiden Geschlechter, wenn überhaupt, nur geringfügig unterscheiden, heißt es in dem DAV-Statement. Arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversorgung beginnt mit dem Arbeitsverhältnis und lässt dem Begünstigten nur wenige Spielräume offen. Aus diesem Grund spiele die Antiselektion hier keine Rolle; lediglich bei der Entgeltumwandlung habe sie eine - wenn auch untergeordnete - Bedeutung, führen die Aktuare an.

Die Einführung von Unisex-Tarifen in der betrieblichen Altersversorgung würde diese bei versicherungsartigen Durchführungsformen generell teurer machen, da aufgrund der grundsätzlichen Unsicherheit über die Geschlechterzusammensetzung im Bestand insgesamt eine höhere Prämie entrichtet werden müsste.

3.800 Mitglieder in der Deutschen Aktuarvereinigung
Die Deutsche Aktuarvereinigung e.V. (DAV) ist die berufsständische Vertretung der Versicherungs- und Finanzmathematiker mit derzeit rund 3.800 Mitgliedern. Rund 1.800 meist jüngere Finanz- und Versicherungsmathematiker stehen nach entsprechendem Hochschulstudium und mindestens dreijähriger Berufspraxis derzeit im geregelten Ausbildungsgang zum Aktuar. (eb / www.bocquel-news.de)

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