13. September 2010 - Bessere Absicherung bei Ölkatastrophen: Die Munich Re hat dazu eine neue Versicherungslösung entworfen und das „Produkt" beim Branchen-Treff der Rückversicherer aus aller Welt vorgestellt. Ob das je zu realisieren ist, bleibt abzuwarten.
Nach der verheerenden Ölkatastrophe am Golf von Mexiko ("Ölpest kostet die Versicherer viele Millionen") ist klar, dass für entstehende Schäden besser vorgesorgt werden muss. Die Munich Re (www.munichre.com) hat dazu jetzt eine neue Lösung für die Versicherung von Ölbohrungen im Meer entwickelt. Mit diesem Konzept könnten Versicherungsdeckungen in einer Größenordnung von 10 bis 20 Milliarden US-Dollar (entspricht etwa zwischen 8 und 15 Milliarden Euro) pro Bohrung auf dem internationalen Versicherungsmarkt geschaffen werden. Die Risiken werden komplexer. „Die Munich Re erweitert die Grenzen der Versicherbarkeit", heißt es.
„Faites votre jeu" (hier frei übersetzt: jeder sollte sein Spiel machen), heißt es im Casino von Monte Carlo. Seit Samstag tagen hier im Schatten des monegassischen Schlosses Rückversicherer aus aller Welt, um „ihr Spiel" angemessen zu starten. Die Nummer 1 weltweit, die Munich Re, hat mit einer neuen Versicherungslösung für Ölfirmen andere Marktplayer aufgefordert, in das Roulette-Spiel im Kampf gegen das finanzielle Debakel von Ölkatastrophen gemeinsam einzusteigen. Torsten Jeworrek (Foto), Mitglied des Vorstands der Munich Re, bringt das Anliegen aus Sicht des Rückversicherers auf den Punkt: „Es muss sichergestellt sein, dass künftig Schäden, die durch Ölkatastrophen entstehen, beglichen werden und die Umwelt so weit wie möglich wieder in den Ursprungszustand zurückversetzt werden kann." Das Konzept der Munich Re schaffe so ein zusätzliches Sicherheitsnetz.
Es geht um die Haftpflichtrisiken, die Ölfirmen finanziell gegen Schäden aus Ölkatastrophen bei Bohrungen im Meer absichern soll. Die Munich Re, die sich schon länger verstärkt bei großen Projekten zur Gewinnung erneuerbarer Energien engagiert ("Vision elektrisiert Europa - Desertec wird Realität"), sieht die Notwendigkeit weiterer Ölgewinnung, so lange bis Solarstrom und Windenergie in ausreichendem Maße gewonnen und gespeichert werden können.
„Wir stehen zu unserem Engagement"
So lange seien Ölbohrungen unerlässlich. „Wir stehen zu unserem Engagement für die Einführung erneuerbarer Energien. In der Übergangszeit muss die Energieerzeugung aus fossilen Brennstoffen mit besserem Risikomanagement und besserer finanzieller Absicherung betrieben werden", macht Jeworrek klar. Und wenn man bedenke, dass allein im Golf von Mexiko durchschnittlich mindestens 300 neue Bohrungen pro Jahr vorgenommen werden, liege es auf der Hand, für eine besseres Riskmanagement zu sorgen und neue Versicherungs-Konzepte zu entwickeln. „Bei Ölkatastrophen sind Schadenursache und Haftungsverhältnisse häufig unklar", sagt der Rückversicherungs-Top-Manager.
Bisher werden Ölbohrungen nicht separat versichert
Jeworrek macht deutlich, dass Betreiber von Ölbohrungen üblicherweise in Joint Ventures zusammengeschlossen sind. Den Angaben zufolge haften sie bei einem Unfall für verletzte oder getötete Personen, Sach- und Umweltschäden sowie finanzielle Verluste. „Bisher werden Ölbohrungen nicht separat versichert, sondern sind im Rahmen der individuellen Haftpflicht-Policen der beteiligten Unternehmen gedeckt", betont er. Dafür seien in der Regel Deckungen bis zu einem Limit von 1 bis 1,5 Milliarden US-Dollar (entspricht bis zu 1,2 Milliarden Euro) auf dem internationalen Versicherungsmarkt erhältlich - also viel zu wenig.
Jede Bohrung einzeln mit einer eigenen Police absichern
Das neuartige Konzept der Munich Re sieht vor, jede Bohrung einzeln mit einer eigens für dieses Risiko entwickelten Police abzusichern. Damit sollte es möglich sein, die Haftungslimits auf 10 bis 20 Milliarden US-Dollar pro Bohrung zu erhöhen. „Die Munich Re wäre bereit, für diese Deckung Kapazität in einer Größenordnung von 2 Milliarden US-Dollar anzubieten", sagt Torsten Jeworrek.
Die Menge soll es bringen
Allerdings: Um substanzielle Kapazität anbieten zu können, müssten sehr viele Bohrungen versichert werden. „Denn nur wenn eine ausreichende Anzahl von Ölbohrungen versichert wird, kann genügend bezahlbarer Versicherungsschutz angeboten werden", ist sich Jeworrek sicher. Sein Vorschlag dazu: „Dies könnte entweder über eine freiwillige Selbstverpflichtung der Ölfirmen oder eine Form von Pflichtversicherung im Rahmen des Genehmigungsverfahrens erreicht werden."
Auch beim Deckungsumfang des neuen Konzepts macht Jeworrek einen konkreten Vorschlag. Die Deckung müsste sich - wie in den Munich-Re-Plänen - an den Oil Pollution Act in den USA anlehnen. Damit wären vor allem Kosten für Aufräumarbeiten und Säuberung der verschmutzten Gebiete, Schäden an Umwelt und Öko-System sowie Sachschäden und Einkommensverluste anderer Branchen, zum Beispiel Fischerei oder Tourismus, gedeckt.
Sicherheitsstandards müssen erhöht werden
Als wichtige Voraussetzung für das Konzept sieht der Munich-Re-Manager die Notwendigkeit, die Sicherheitsstandards zu erhöhen. So müsse es auch selbstverständlich sein, dass ein verbessertes Risikomanagement aller Beteiligten integraler Bestandteil des Lizenzierungs-Verfahren sein müsse. Um die Einhaltung eines hohen Sicherheitsstandards zu gewährleisten, müssten von den Betreibern unabhängige Fachfirmen, zum Beispiel spezialisierte Ingenieurbüros, das Risikomanagement von Anfang bis Ende des jeweiligen Projekts überprüfen und begleiten. Diese strengeren Anforderungen an das Risikomanagement sollten integraler Bestandteil des Genehmigungsverfahrens für Ölbohrungen werden. Jeworrek: „All das sollte entscheidend dazu beitragen, dass zukünftig weniger Unfälle passieren."
Knapper werdende fossile Brennstoffe und steigender Energiebedarf
Es sei nun einmal Tatsache, dass knapper werdende fossile Brennstoffe und gleichzeitig steigender Energiebedarf die Exploration von Ölquellen weiterhin lukrativ machen. Solche Quellen liegen meist tief unter der Erdoberfläche und oft auch weit unter dem Meeresspiegel. Bohrungen würden also komplexer. Es werde damit auch immer schwieriger, Schäden schnell zu beheben. „Obwohl die Technologie für solche Bohrungen heute bereits sehr weit entwickelt ist und in den meisten erdölfördernden Staaten auch die Sicherheitsbestimmungen sehr streng sind, kann es zu Katastrophen kommen, die Unternehmen an den Rand ihrer Existenz bringen", sagt Jeworrek.
Gefragt, wann die Idee des vorgeschlagenen Versicherungs-Konzept in die Praxis umgesetzt werden könne, sagt Torsten Jeworrek: „Wir könnten jederzeit starten." Bisher sei das neue Versicherungs-Konzept auf Bohrungen in den USA ausgerichtet. Eine Übertragung auf andere Staaten sei denkbar und eigentlich auch wünschenswert.
Keine Antwort zur Prämienhöhe
Jeworrek gab auf Fragen, wie hoch die Prämien für solch eine neue Versicherungslösung ausfallen könnte, keine Antwort. Unklar blieb auch, ob und wie mehrere Partner gefunden werden, die dann gemeinsam eine Gesamtdeckung von bis zu 20 Milliarden US-Dollar ermöglichen. Im Rahmen eines Versicherungskonsortiums - sprich ein fester Kreis von (Rück-)Versicherern - müsste jeder Teilnehmer eine feste Kapazität zusagen. Dabei würden dann einheitliche Preise und Bedingungen erforderlich. Damit werde dann eine Garantie für ausreichende Kapazität geschaffen, und auch der Verwaltungsprozess könnte einfach gestaltet werden. Allerdings müssten - so Jeworrek - noch kartellrechtliche Fragen geklärt werden,
Freier Wettbewerb und flexible Gestaltung
Das alles stehe aber für einen freien Wettbewerb sowie flexible Gestaltung der Preise, Bedinen und Limits. Schließlich räumte der Munich-Re-Vorsand ein, dass die Akzeptanz unter den Ölfirmen eventuell schwer herstellbar sein könnte.
Ein zusätzliches Sicherheitsnetz
Dennoch spreche das Konzept für sich. Für mögliche Geschädigte entstehe durch das neue Versicherungs-Konzept ein zusätzliches Sicherheitsnetz. Es werde zunächst „nur" für den amerikanischen Markt entwickelt, eine Übertragung auf andere Länder hält Jeworrek aber durchaus für möglich.
„Versicherungswirtschaft übernimmt ihre volkswirtschaftliche Rolle"
Als nächsten Schritt werde die Munich Re nun Konsultationen mit Repräsentanten der Ölfirmen sowie mit Erst- und Rückversicherern vornehmen. Torsten Jeworrek geht davon aus, dass das neue Konzept in die laufenden Diskussionen der US-Administration einbezogen wird. „Die Versicherungswirtschaft übernimmt damit ihre volkswirtschaftliche Rolle", betonte er. Jetzt sei die Gelegenheit, dass sich die Versicherungswirtschaft beweisen könne. (eb-db / www.bocquel-news.de)
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