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Zäsur für die deutschen Lebensversicherer

14. Juli 2014 - Nachdem der Bundesrat grünes Licht für das Lebensversicherungsreform-Gesetz, gegeben hat, beginnt für die Lebensversicherung in Deutschland eine neu Ära. Es wird ihr Geschäftsmodell grundlegende verändern, die Altersvorsorge und die Vertriebe ebenso.

Frank SchepersAm Freitag hat der Bundesrat das Gesetz zur Absicherung stabiler und fairer Leistungen für Lebensversicherte (Lebensversicherungs-Reformgesetz - LVRG) abschließend behandelt. Es beinhaltet eine ganze Reihen von Neuregelungen (siehe "Die letzten Zuckungen beim LV-Reformgesetz", die das Geschäftsmodell der Lebensversicherer verändern und weitreichende Auswirkungen auf die Vorsorge haben werden. Die Versicherer selbst sehen ihre Unternehmen durch die „Dividendensperre" gefährdet, die Vertriebe klagen über die Absenkung des Zillmersatzes und sehen ihre Zukunft bedroht, und die Kunden werden sich an noch geringere Überschüsse gewöhnen müssen.

Frank Schepers (Foto), Geschäftsführer beim Beratungsunternehmen Towers Watson hat die möglichen Konsequenzen der Reform untersucht:

Die Rendite sinkt, wird aber sicherer
Die Entscheidung, abgehende Versicherungsnehmer nur dann an den Bewertungsreserven zu beteiligen, wenn diese Mittel nicht zur Erfüllung der Garantien des Bestandes benötigt werden, stelle nach langer Zeit wieder die Interessen des Kollektivs über die Interessen des Einzelnen. Wenn in diesem Fall keine Dividenden an die Eigentümer gezahlt werden dürfen, erscheine das zwar auf den ersten Blick fair, erschwere aber gleichzeitig die externe Kapitalaufnahme, welche zur Deckung der neuen Kapitalanforderungen aus Solvency II für einige Gesellschaften notwendig werden könnte. Weil die Kapitalaufnahme erschwert werde, würden die Unternehmen gezwungen sein, noch vorsichtiger mit Kapitalanlage und Überschussdeklaration umzugehen. Im Resultat werden die Garantien sicherer, jedoch zu Lasten der Gesamtrendite.

Auslagerung neuer Verträge möglich
Die ohne Zweifel berechtigte Senkung des Garantiezinses auf 1,25 Prozent verstärke die ohnehin schon deutliche Spreizung im Bestand: Ein substantieller Teil der Altverträge erhalte einen mehr als dreimal so hohen Garantiezins wie die Neuverträge. Bei den Kosten ergebe sich ein umgekehrtes Bild: Durch die notwendige Reduktion der eingerechneten Abschlusskosten für den Neuzugang wird der Bestand, sofern die Vertriebskosten nicht zeitnah in gleichem Maße gesenkt werden können, zusätzlich belastet. Insgesamt ergeben sich Unterschiede zwischen Geschäft „vor LVRG" und „nach LVRG". Als Konsequenz könnten Gesellschaften sogar dazu übergehen, Neugeschäft in neuen Risikoträgern zu schreiben - ein Vorgehen, welches z. B. in England als „Old Company/New Company"-Konzept bereits geübte Praxis sei.

Der Druck auf die Vertriebe wächst
Durch die weitere Begrenzung der bilanziell anrechenbaren Abschlusskosten nehme der Druck signifikant zu, auch bei den Vergütungen Änderungsprozesse einzuläuten. Sowohl die Höhe als auch die Zahlungsweise bei Abschluss müssten angepasst werden, um ein für Kunden und Anbieter nachhaltig lohnenswertes Produkt anzubieten. Wie in vielen anderen europäischen Ländern stehe damit das Vertriebsmodell vor massiven Einschnitten, warnt Schepers.

Bekanntlich war der Gesetzgeber in letzter Minute von seiner ursprünglichen Absicht der Provisionsoffenlegung abgerückt. Das haben vor allem die Vermittlerverbände begrüßt. „Es war ein hartes Stück Arbeit, den Gesetzgeber davon zu überzeugen, dass die zwingende Offenlegung der individuellen Provision der Vermittler nichts zur Transparenz für den Verbraucher beiträgt, sondern zu gravierenden Wettbewerbsverzerrungen geführt hätte," so Michael H. Heinz, Präsident des Verbandes Deutscher Versicherungskaufleute (www.bvk.de).  „Ich freue mich, dass nicht zuletzt unsere intensiven Kontakte und Gespräche bis zur letzten Minute mit den politischen Entscheidungsträgern in Berlin Früchte getragen haben."

Neue Produkte werden kommen
Schepers betont, dass das Modell der traditionellen Lebensversicherung immer noch Vorzüge habe: Lebenslange verlässliche Garantien und die Glättung von Kapitalmarkteffekten durch den Ausgleich über die Zeit seien Pfunde, mit denen die Branche viel zu wenig gewuchert hat. Im Rückspiegel werde man erkennen, welchen Wert diese vermeintlich langweilige, aber stabile und auch einfache Vorsorge hat. Zukünftig werden sich die Kunden noch mehr zwischen verschiedenen, und selbst für Experten manchmal nur schwer zu verstehenden Garantiekonzepten entscheiden müssen, prognostiziert Towers Watson. Dazu könne man vermehrt Angebote ausländischer Anbieter erwarten, die aufgrund weniger stringenter Regularien andere, wenn auch nicht notwendigerweise bessere Angebote im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit auf den deutschen Markt bringen werden.

Die Reform als Chance
„Das Lebensversicherungs-Reformgesetz hat das Potenzial, den deutschen Lebensversicherungsmarkt von Grund auf zu ändern. Schon seit langem diskutierte Punkte wie die Vertriebs- und Provisionsmodelle und die Konzeption alternativer und sinnvoller Garantiekonzepte werden nun branchenweit in Gang kommen. Eine Chance für die Branche, die Lebensversicherung fit für das nächste Jahrhundert zu machen", so das Fazit von Towers Watson. (hp / www.bocquel-news.de

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