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Konzepte und Kriterien

Provisionsverbot bedeutet nicht gleich Honorarsystem

14. April 2014 - Fehlanreize verringern und Produkttransparenz erhöhen - mit der Überarbeitung der Versicherungsvermittler-Richtlinie (IMD2) sollte das erreicht werden. Seit zwei Jahren wartet die Branche auf eine Lösung. Beim BdV-Wissenschaftstag wurde das diskutiert.

Helmut Heiss Was sich hinter der nüchternen Begriff „EU-Vermittlerrichtlinie IMD2" verbirgt, sorgte für Zündstoff während der 24. Wissenschaftstagung des BdV Bund der Versicherten (www.bundderversicherten.de). Letztlich geht es darin auch um die Frage der Pflicht zur Offenlegung der Provision oder einer Möglichkeit, das Kunden den Vermittler nach seiner konkreten Provision fragen. Unterm Strich tangiere man hier auch die Diskussion um „Provision oder Honorarberatung". Gemeinsamer Zwang oder individuelle Nachfrage? Helmut Heiss (Foto: E. Bocquel), Professor an der Universität Zürich, zeichnete die mögliche Entwicklung und den Stand der Dinge im Europa Parlament und der EU-Kommission nach. Seiner Meinung nach wird es zur Pflicht der Offenlegung der konkreten Provision auf Nachfrage des Kunden kommen. Doch noch sei nichts endgültig beschlossen.

Die Finanzkrise indiziere den Regulierungsbedarf, machte der Wissenschaftler deutlich. Zum rechtspolitischen Hintergrund konstatierte er, dass die Finanzkrise nicht von Versicherungswirtschaft ausgegangenen war - aber auch Versicherungsanlage-Produkte betraf und betrifft. Die ambivalente Frage „Verbot oder Offenlegung von (Makler-)Provisionen durch IMD2" drängte sich auf.

Fest stehe, dass die unterschiedlichen Entgelt-Systeme für Makler und Vermittler als wesentliche (Mit-)Ursache zur neuen Herausforderung der IMD2 gesehen werde ("Lob und Kritik für den Richtlinienvorschlag IMD2"). „Das Provisions-System erzeugt Fehlanreize beim Vertrieb", sagte Heiss.

Provisions-System „versteckt" Vertriebskosten
Vor allem gehe es hier gar nicht um einheitliche und vergleichbare Kennzahlen. Das Provisions-System „versteckt" laut Prof. Heiss Vertriebskosten in der Gesamtprämie. Es beeinträchtige damit die Produkttransparenz. Die Regelungsoptionen für IMD2 könnte mit der These „Provisionsverbot = Honorarsystem" die Produkt-Intransparenz verringern und die Fehlanreize stark abschwächen, aber eben nicht ganz beseitigen. Dagegen beseitige die Provisions-Offenlegung Fehlanreize nicht, lege aber zumindest Fehlanreize offen, wenn beispielsweise die Provisionen aller Versicherer vor Vertragsschluss offengelegt werden, bei denen der Versicherungsmakler eine Offerte eingeholt hatte. Prof. Heiss sprach hier von einer „harten" oder „sanften" Lösung (automatische Offenlegung - Offenlegung auf Nachfrage des Kunden).

Mit der Offenlegung der Provisionen sei es jedoch nicht getan. Die Regelungsoptionen für IMD2 beinhalten eine Offenlegung der Gesamtkosten. Das könne nur ein ergänzendes, aber kein alternatives Modell sein.

Stand des Gesetzgebungsverfahrens
Im Juli 2012 hatte die EU-Kommission den Vorschlag für „IMD2" gemacht. Mit Stand vom 26. Februar 2014 liegen 360 Abänderungen des Europäischen Parlaments zum Vorschlag der Kommission vor. Der Entwurf wurde an den Ausschuss zurück überwiesen. Die Kommission hat die Offenlegung für sämtliche Versicherungs-Produkte (Art. 17 RL-Vorschlag) erwogen; wonach Art und Quelle der Vergütung (Art. 17 Abs. 1 lit d und e), die Höhe der Provision (Art. 17 Abs. 1 lit f) und gegebenenfalls Staffel-Provisionen (Art. 17 Abs. 1 lit g) offen zu legen seien.

Das Europa-Parlament hingegen bevorzuge die „sanfte" Variante, wonach es klar auch um Art und Quelle der Vergütung (Art. 17 Abs. 1 lit e und ea) gehe, weitere Informationen aber auf Nachfrage (Art. 17 Abs. 2) gehe - auch zur Höhe der Provision. Ein Interessenkonflikt (Art. 17 Abs. 5a) sei offensichtlich.

Was die Entwicklung der Provisions-Vorschriften angehe, favorisiert die Kommission das Provisionsverbot für Versicherungsmakler (Art. 24 Abs. 5 lit b). Das Europa-Parlament wünscht die Kostenoffenlegung und auf Verlangen des Versicherungsnehmers - mit Ausweis der Provision (Art. 24 Abs. 3a)

Bei der Vermittlung aller Versicherungsprodukte wären die gesteigerten Pflichten zur Provisionsoffenlegung möglich (Art. 17a). Generell gelte aber, dass Informationspflichten nur Mindeststandard darstellen (Art. 19 Abs. 2, 2a).

Verhältnis zum Kostenausweis
Laut Art. 24 Abs. 3a EP-Fassung wird ausgesagt: Die Informationen über sämtliche Kosten und Nebenkosten, einschließlich Kosten und Nebenkosten im Zusammenhang mit der Vermittlungsdienstleistung und dem Versicherungsprodukt, ..., werden zusammengefasst, damit der Kunde die Gesamtkosten sowie die kumulative Wirkung auf die Rendite der Anlage verstehen kann,..."

Stärkung des Verbraucherschutzes?
Die Stärkung des Verbraucherschutzes sei hier infrage zu stellen. Prof. Heiss zitierte in diesem Zusammenhang Werner Langen, der als Mitglied der Fraktion der Europäischen Volkspartei in Brüssel geäußert hatte, dass „die Versicherungsvermittler und vielen kleinen Versicherungsbüros mit dem Ergebnis ebenso zufrieden seien wie die Verbraucher". Der Beschluss stärke nämlich das Recht der Verbraucher, Informationen über die Art und den Ursprung der Vergütung ihrer Versicherungsvermittler zu verlangen. Die Interessen der Kunden stünden damit vor den Vergütungsinteressen der Vermittler.

Für Werner Langen stellt demnach das Votum des EU-Parlaments einen ausgewogenen Kompromiss dar,‚der die Versicherungswirtschaft und die redlich arbeitenden Vermittler in Europa mit erweiterten Informationspflichten beauftragt, um Fehlentwicklungen durch unzureichende Beratungsinformationen zu vermeiden.

Vermittlersterben in Sicht?
Derzeit wird allgemein davon ausgegangenen, dass 500.000 Vermittler in der Versicherungs-Branche aktiv sind. Bisher registriert haben sich jedoch nicht einmal 300.000. Prof. Heiss zog nun die Studie der beiden Versicherungswissenschaftler Matthias Beenken und Michael Radtke von der FH Dortmund heran, die sich mit den Auswirkungsmöglichkeiten zu IMD2 beschäftigt. Wenn es laut Studie zur „sanften" Lösung (soft disclosure  - vgl. Art. 17 Abs. 2 und Art. 24 Abs. 3a EP-Fassung) komme, würde beinahe ein Drittel aller deutschen Vermittler vom Markt verschwinden. Nach der „harten" Variante (hard disclosure  - vgl. Art. 17a EP-Fassung) würden nahezu 40 Prozent aller deutschen Vermittler werden vom Markt verschwinden. Ein Provisionsverbot würde die Zahl aller deutschen Vermittler um 45 Prozent reduzieren. Fazit: Den Verbrauchern droht eine Versorgungslücke.

BdV_DiskussionJetzt wäre es dringend angesagt, dass EU- und nationale Gesetzgebung die Prognosen empirisch prüfen, machte Prof. Heiss deutlich. Es stelle sich nach wie vor die Frage, ob Fehlentwicklungen durch unzureichende Beratungsinformationen vermieden wurden. Und wenn die prognostizierte Versorgungslücke eintrete, müssten gegebenenfalls Verbraucherschützer auf europäischer und nationaler Ebene eine Nachbesserung einfordern. Er, Prof. Heiss, könne die Zahlen der so stark zurückgehenden Vermittlerschaft nicht bestätigen und wisse auch nicht, woher sie gekommen seien.

Auch der BdV habe hier seine Zweifel, sagte BDV-Vorstandssprecher Axel Kleinlein (Foto: E. Bocquel) in der anschließenden Diskussion. Der Bund der Versicherten habe die Studie eingehend analysiert, könne der Berechnung jedoch nicht folgen. Kleinlein sieht in der Frage zur Provisionsoffenlegung ein ganz anderes Problem. Es handele sich hier um einen Informationskonflikt, weil die Höhe der Provision noch nicht viel über die Kosten aussage, auf der die Tarifkalkulation eines Produktes fuße.

 Dr. Hans-Georg JenssenDr. Hans-Georg Jenssen (Foto: E. Bocquel), geschäftsführender Vorstand des VDVM Verband Deutscher Versicherungsmakler (www.vdvm.de), mischt sich ebenfalls in die Diskussion ein. Er zitierte Professor Dr. Karel Van Hulle, Mitglied der Europäischen Kommission, der darauf hingewiesen hatte, dass man mit einem mechanischen Vergütungs-System längst noch nicht die Insel der Seligkeit erreicht habe. Unter Verbraucherschutzgesichtspunkten sei der Wunsch nach automatischer Provisionsoffenlegung verständlich. Bisher sieht Dr. Jenssen lediglich, dass die Diskussion durch die Profiteure der Finanzkrise losgetreten worden sei. Das sei aber gar nicht das Thema, zumal die Makler, die Mitglied im VDVM sind, schon seit Urzeiten als Sachwalter des Kunden statt Provisionen Courtagen erhalten. Die Courtage ist Teil der Versicherungsprämie, die der Versicherungsnehmer an das Versicherungsunternehmen zahlt. Der Versicherer zahlt dann die Courtage an den Makler aus. Das alles sei bekannt. Er sehe sich nun veranlasst, nochmals darauf hinzuweisen, dass die Vermittlung von Versicherungs-Produkten in die Hände von Professionals gehört. Und in diesem Zusammenhang müsse der Gesetzgeber endlich sagen, wie er die Sache sehe. Es sei unhaltbar, dass seit 2012 von dieser Seite nichts mehr zu hören gewesen sein.

Professor Dr. Hans-Peter Schwintowski Aus anderer Warte meldete sich Professor Dr. Hans-Peter Schwintowski (Foto: E. Bocquel) von der Humboldt-Universität zu Berlin zu Wort. Sein Standpunkt sei, dass die Interessen des Vermittlers oft nicht gleich den Interessen des Kunden an einem bestimmten Versicherungs-Produkt seien. Deshalb teile er auch nicht die Definition der BaFin für die sogenannte Netto-Police. Bei einer Netto-Police handele es sich mitnichten um einen abschlusskostenfreien Tarif, in den die Provision eingerechnet werden könne, sondern um einen völlig eigenständigen Tarif. So bevorzuge er, Prof. Schwintowski, auch eine Lösung, die ein Nebeneinander von Netto- und Brutto-Tarifen vorsehen. Wettbewerb könne nur bestehen, wo es Netto-Policen geben, aber auch Brutto-Policen weiter bestehen bleiben.

Mit dem Vorhandensein der Netto-Policen werde erstmals ein einheitliches „Level Playing Field" geschaffen (was auf deutsch so viel heißt wie Chancengleichheit). Es würde erstmals eine Vergleichbarkeit des Preis-Leistungs-Verhältnisses einzelner Produkte gegeben. Prof. Heiss: „Es wird eine nie gekannte Produkt-Transparenz möglich."

Rechtsanspruch auf Netto-Policen
Schließlich machte Prof. Schwintowski darauf aufmerksam, dass bereits jetzt für Kunden und Makler ein Rechtsanspruch auf Netto-Policen bestehe. Deshalb müssten sich auch alle Versicherer auf diese neue Produktwelt einstellen. VDVM-Chef Dr. Jenssen merkte an, dass er dies aus kartellrechtlichen Gründen nicht für zwingend nötig halte. Der VDVM sei in jedem Fall für eine freie Preisgestaltung. „Wir wollen einen mündigen Prozess für den Kunden." Der VDVM habe bereits ein neues Vergütungsmodell entwickelt, weil er den Umstieg auf Policen mit sofort laufenden Kosten für nicht realisierbar halte. Mit dem neuen VDVM-Vergütungsmodell könne man sich jedem Preis-Leistungs-Wettbewerb stellen - nicht nur im Bereich Leben, sondern auch in Komposit. (-el / www.bocquel-news.de)

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