logo
logo

Namen und Nachrichten

Baustellen der Finanz- und der Versicherungsaufsicht

10. Mai 2023 - Trotz der Turbulenzen auf den internationalen Bankenmärkten erweist sich das deutsche Finanzsystem aus Sicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bisher als stabil. Das betonte Präsident Mark Branson bei der Jahrespressekonferenz der Behörde am Dienstag in Frankfurt am Main.

Die BaFin (www.bafin.de), die für die Aufsicht sowohl über Banken als auch Finanzdienstleister, Versicherer sowie den Wertpapierhandel zuständig ist, hatte ein breites Spektrum an „Baustellen“, die während der Jahrespressekonferenz abgearbeitet werden sollte. Zunächst legte Präsident Mark Branson vor: „Seit März durchlebt das weltweite Finanzsystem eine Art Stresstest in Echtzeit“, sagte er.

Dabei sei eigentlich immer klar gewesen, dass der Ausstieg aus der Niedrigzinspolitik Turbulenzen auslösen würde. Trotzdem seien einige Marktteilnehmer davon überrascht worden. Aus Sicht des BaFin-Präsidenten ist nicht sicher, dass diese schwierige Phase vorbei ist: „Stressphasen entwickeln sich oft in Schüben“, erklärte Branson.

Effekte der bisherigen Zinsanstiege noch nicht vollständig sichtbar
Die Effekte der bisherigen Zinsanstiege sind laut Branson noch nicht vollständig sichtbar, weitere Zinsanstiege seien zudem möglich. Risiken aus den Zinsanstiegen beträfen auch deutsche Institute und Versicherer. „Bisher sehen wir hier aber keine Gefahr für eine systemische Krise“, stellte der BaFin Präsident klar. Entscheidend sei nun, die richtigen Lehren aus den vergangenen Monaten zu ziehen. „Wir müssen sehr sorgfältig prüfen, wo wir bei der Regulierung, Aufsicht oder Abwicklungsplanung nachschärfen sollten.“

Während der BaFin-Pressekonferenz standen zunächst die Probleme der Banken im Mittelpunkt. Den Ausschlag gaben einige US-Banken und auch die Schweizer Credit Suisse, die zuletzt in Schieflage geraten waren.

Hingegen könnten vor allem die Lebensversicherer von den steigenden Zinsen profitieren. Zwar würden auch die stillen Lasten in ihren Büchern steigen, aber sie halten ihre Kapitalanlagen normaler Weise bis zur Endfälligkeit und müssten sie nicht realisieren. Einzig wenn eine große Storno-Welle die Branche erschüttern würde, dann würden sie vermutlich dringend liquides Kapital benötigen. Die BaFin beobachte jedoch und auch deshalb das Liquiditätsmanagement eines jeden Unternehmens.

Die BaFin hatte in der Niedrigzinsphase verstärkt von ihrem Aufsichtsrecht gebraucht gemacht. Wie Versicherungs-Exekutivdirektor Dr. Frank Grund bestätigte, sei das derzeit bei Lebensversicherern nicht mehr nötig. Und auch bei Pensionskassen sei es nicht mehr so oft wie früher von Nöten.

Versicherer stehen robust und solide da
„Die Versicherer stehen robust und solide da“, sagte Dr. Frank Grund. Mit Blick auf problematische Themen aus dem Bereich Versicherungen hieß es, dass die Finanzaufsichtsbehörde beispielweise auch hier künftig gegen übertriebene Provisionen vorgehe werde. Dr. Frank Grund als zuständiger Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht machte das in dem Gespräch mit Journalisten deutlich.

 Auch wenn die EU-Kommission derzeit noch gegen ein Provisionsverbot sei, ebenso wie ein Provisionsverbot in ihrer Kleinanlegerstrategie. Dr. Grund will den Schwachpunkt im Auge behalten.

Die BaFin sei in Sachen Provisionsverbot schon immer skeptisch gewesen, denn vor allem komplexe Altersvorsorgeprodukte erforderten eine intensive Beratung. Ohne Provisionen habe er Bedenken, dass diese Beratung auch sichergestellt sei.

Finanzaufsichtsbehörde schaltet sich ein
Welche Konsequenzen sich der Versicherungsaufseher vorstellen könnte, ließ Dr. Grund offen. Es käme auch auf die Kosten einer Versicherungs-Police an, da wären als erstes die Abschlussprovisionen zu nennen, denn sie würden auch die Rendite eines Abschlusses merklich verringern. Die Aufsichtsbehörde hatte bereits angekündigt, dass sie die „teuersten 25 Prozent des Marktes“ genauer unter die Lupe zu nehmen. Jetzt sei allerdings der sogenannte risikobasierte Aufsichtsansatz im Merkblatt nicht mehr enthalten, obwohl das im Entwurf vorgesehen worden war.

Nun werde die BaFin in Kürze in einer gesonderten Veröffentlichung nochmals auf die Provisionsexzesse eingehen. Erste Prüfungen gebe es bereits. Man prüfe inzwischen bei einigen Versicherern vor Ort, deutete Grund an.

Am Montag hatte die BaFin ihr „Merkblatt zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten“ veröffentlicht (bocquel-news 9. Mai 2023 Kapitalbildende LV: BaFin veröffentlicht Merkblatt).

Für Aufsehen sorgte auch Dr. Grunds Bekanntgabe, dass die BaFin gegen Versicherer mit mangelhafter IT vorgehen werde. Diese Unternehmen müssten mit Kapitalzuschlägen rechnen, wie bereits im neuen BaFin-Instrument Kapitalaufschlag bekannt geworden war. Der Nachfrage aus Journalistenkreisen, ob es sich hier etwa um die Allianz handeln könne, wich Dr. Grund aus. Erst in Kürze werde die BaFin Ross und Reiter nennen, was mangelhafte Unternehmens-IT betreffe. „Wir haben einige Fälle in Prüfung, und einer ist so gut wie abgeschlossen“, lautete die Antwort des Versicherungs-Exekutivdirektors.

Mutmaßungen in den Medien
Wie der Versicherungsmonitor am Dienstag dazu schreibt, könnte der Versicherungsriese Allianz zu einem von drei Versicherern zählen, bei denen die Aufsicht nach einer Prüfung schwerwiegende Mängel in der IT festgestellt hat. Damit könnten – so heißt es im Versicherungsmonitor – der Allianz Kapitalaufschläge von rund 2 Milliarden Euro drohen – mit der Einschränkung, dass es auch bei den 5 Prozent laut des BaFin-Instruments Kapitalaufschlag bleibt.

Demnach würden die IT-Defizite die Risiken bei den Versicherern erhöhen, wofür zusätzliches Kapital vorgehalten werden müsste. Die BaFin hatte bereits im Januar dieses Jahres veröffentlicht, dass sie in Zukunft einen besonderen Schwerpunkt auf die Angemessenheit des Risikomanagement-Systems in Versicherungsgruppen legen werde.

BaFin-Präsident Mark Branson stimmte hier dem strengeren Eingreifen in diesem Bereich zu, zumal die Mifid-Richtlinien sowie die IDD die Missstände im Markt nicht vollends ausgeräumt hätten. Er habe das Gefühl, dass in Sachen reine Transparenzmaßnahmen das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht sei. Schließlich sei es legitim, dass sich die Aufsicht bei auffälligen Kosten mancher Versicherer einschalte.

Wörtlich sagte Mark Branson: „Wichtig ist Transparenz für alle Marktteilnehmer. Es muss für alle klar sein, welche Banken abgewickelt werden sollen. Und es muss nicht nur klar sein, wann und wie rekapitalisiert wird. Es muss auch klar sein, welche Liquiditätshilfen zur Verfügung stehen. Und letztlich muss im konkreten Fall die Zukunft der umstrukturierten Bank für alle klar, sichtbar und glaubwürdig dargestellt werden.“

Zusammenfassen betonte der BaFin-Präsident, dass sich auch das deutsche Bankensystem bisher als stabil und widerstandsfähig erwiesen habe. Der Anstieg der Zinsen sei sehr lang ersehnt worden und wirke sich sehr positiv auf die Ertragslage aus. Branson: „Trotzdem müssen wir wachsam sein – die Auswirkungen der Zinserhöhungen werden wir noch über die nächsten Quartale und Jahre erleben. Eine sorgenfreie Haltung nach dem Motto ‚hier könnte so etwas nicht passieren‘ wäre total fehl am Platz.“

Und weiter machte er deutlich: „Seit der Finanzkrise 2007/2008 arbeiten wir an einem stabileren Finanzsystem. Wir haben bereits vieles geschafft, doch wir sind noch lange nicht fertig. Das haben uns die Geschehnisse der vergangenen Monate eindrucksvoll gezeigt.“ (-el / www.bocquel-news.de)

zurück

Achtung Copyright: Die Inhalte von bocquel-news.de sind nach dem Urheberrecht für journalistische Texte geschützt. Die Artikel sind ausschließlich zur persönlichen Lektüre und Information bestimmt. Abdrucke und Weiterverwendung - beispielsweise zum kommerziellen Gebrauch auf einer anderen Homepage / Website oder Druckstücken - sind nur nach persönlicher Rücksprache mit der Redaktion (info@bocquel-news.de) gestattet.