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Auf Erneuerungskurs: Heiße Eisen + kühles Kalkül

16. März 2015 - Transparenz, Offenheit und Dialog - die neue Maxime der Versicherer? Das GDV-Präsidium zeigt sich offen, den Kurs der Erneuerung fortzusetzen. So werde man die Anlagestrategie verändern sowie die Kosten noch weiter senken. Gegenüber den Kunden sieht sich der GDV in der Pflicht.

Das Lamentieren über schweres Geschäft in der Versicherungs-Branche war zuletzt kaum zu überhören. Doch nun das: Trotz eines schwierigen Umfelds haben die Versicherer hierzulande auch im Geschäftsjahr 2014 etliche gute Ergebnisse erzielt. Am vergangenen Freitag wurden während der Jahres-Pressekonferenz des GDV Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (www.gdv.de) neben ersten Hochrechnungen auch Details dazu präsentiert (siehe auch weitere Berichte an anderer Stelle dieser Ausgabe der bocquel-news). Außerdem wurden „heiße Eisen“ in der Aussprache der Verbandsvorderen mit Journalisten angefasst. Da ging es unter anderem um das künftige Aufsichtssystem mit Solvency II, die Vermittlerrichtlinie IMD II, weitere gesetzliche Veränderungen sowie die Chancen der fortschreitenden Digitalisierung.


„Wir sind als Branche in der Pflicht. Wir wollen das Vertrauen rechtfertigen, das unsere Kunden uns bewiesen haben – und das Vertrauen neuer Kunden gewinnen“, sagte GDV-Präsident Alexander Erdland (Bildmitte) am Podium der Jahres-Pressekonferenz 2015 (Foto:
E. Bocquel).

In Zukunft weiterhin auf Transparenz, Offenheit und Dialog setzen wollen die Versicherer in Deutschland, sagte GDV-Präsident Alexander Erdland im Gespräch mit Journalisten. „Wir müssen den Kurs der Erneuerung fortsetzen. Konsequent! Wir müssen unsere Anlagestrategien verändern, die Kosten in den Unternehmen weiter senken; den Vertrieb effizienter gestalten und auf gute, langfristige Beratung ausrichten. Und wir werden neue Angebote schaffen. Ausgerichtet an den Kunden und den neuen Kapitalmarktbedingungen. Da sehe ich uns in der Pflicht.“

Wer in der neuen Realität bestehen wolle und das bisher gezeigte Vertrauen der Kunden in die Branche rechtfertigen wolle, der müsse sich „nicht auf einen Sprint einstellen, sondern auf einen Langstreckenlauf“. Die Zahlen für 2014 seien eine Ermutigung. Entscheidend sei aber der Weg, der „noch vor uns liegt“.

„Niedrigzinsphase eine Zumutung für alle, die vorsorgen wollen“
Die desaströse Zinslage sei nicht nur eine Herausforderung für die Branche, sondern auch für viele Akteure – beispielsweise in der betrieblichen Alterssicherung (bAV), in den Versorgungswerken und selbst der gesetzlichen Rentenversicherung. „Vor allem aber ist die Niedrigzinsphase eine Zumutung für alle, die für die Zukunft vorsorgen wollen. Es kann uns nicht kalt lassen, wenn die Kapitaleinkommen der Rentner dahinschmelzen und immer weniger Bürger für die Zukunft sparen, wenn es sich immer weniger lohnt.“ Sogar die Europäische Kommission habe deshalb die Deutschen gemahnt, dass sie mehr für die private Vorsorge tun sollten. „Die Spararmut von heute ist die Altersarmut von morgen.“

Immer noch großes Vertrauen in die Lebens- und private Renten-Versicherung
Es gebe immer noch großes Vertrauen in die Lebens- und private Renten-Versicherung. Aber richtig sei auch: Die Situation ist nicht einfacher geworden. Die Zinsen sind weiter gesunken. Und mit dem Anleihekaufprogramm werde der Zinsrückgang verschärft. Er wolle sich aber nicht lange über das Wetter und die Politik der EZB (Europäische Zentralbank) beschweren. Die Position des GDV, was die Geldpolitik anbelangt, sei bekannt. Vielmehr, so unterstrich der GDV-Präsident; seien die Probleme da, um gelöst zu werden: „Wir als Branche müssen uns darauf einstellen, dass die Dürre an den Märkten länger anhält. Dafür müssen wir unsere Kräfte, unser Kapital gut einteilen.“

Deshalb sei es richtig gewesen, dass die vorzeitige Ausschüttung der Bewertungsreserven beendet worden sei. Und auch der Aufbau der Zinszusatzreserve sei darum grundsätzlich richtig (Die Branche giert nach Lösungen für "heiße Eisen" ). Allerdings sei das System nicht „für so einen heftigen Zinsrutsch“ ausgelegt. Es stelle sich die Frage, ob der Mechanismus noch richtig justiert sei. Erdland fordert aufgrund der Zinsentwicklung Nachbesserungen an der Zinszusatzreserve: "Wegen der Niedrigzinsen muss man hier noch einmal nachsteuern, weil sonst zu viel zurückgelegt wird."

Die Unternehmen würden sich unterdessen anpassen. Sie verändern die Duration ihrer Anlagen und diversifizieren stärker. Alexander Erdland, im Geschäftsalltag Vorsitzender des Vorstandes der Wüstenrot & Württembergische AG (www.ww-ag.com), sagte den Journalisten: „Wir versuchen, uns neue Anlagemöglichkeiten zu eröffnen: Stichwort Infrastrukturinvestitionen, Stichwort Energiewende. Und in den Häusern wird fieberhaft an neuen Produkten gearbeitet.“

Mit dem Lebensversicherungs-Reformgesetz (LVRG) werde deutlich, dass sich die Versicherungswirtschaft ist in einem Prozess der Erneuerung befinde. „Politik, Aufsicht und Öffentlichkeit geben uns wichtige Anstöße“, sagte der GDV-Präsident. „Sicher, das passiert nicht von heute auf morgen.“ Die für den Vertrieb wichtigsten Neuregelungen sind demnach erst vor einigen Wochen in Kraft getreten. Aber es sei spürbar, dass etwas in Bewegung komme und das LVRG „eine produktive Unruhe“ auslöse. Alexander Erdland (Foto: E. Bocquel): Wir beschäftigen uns auch mit der Vermittlerrichtlinie IMD II.“ Der sogenannte Trilog habe vor einigen Wochen begonnen (Provisions-Verbot wird es europaweit nicht geben), heißt es. „Die Diskussion über ein Provisions-Verbot sehen wir ausgesprochen kritisch.“

Bei Solvency II auf der Zielgeraden
In Sachen Solvency II sei man unterdessen „auf der Zielgeraden - zweifellos mit dem modernsten Aufsichts-System der Welt, leider auch dem kompliziertesten“. Es heiße „Aufpassen, damit die kleinen Unternehmen nicht am bürokratischen Aufwand ersticken.“ Erdland sieht im Jahr 2016 das Jahr der Wahrheit denn dann werde aus der Theorie unternehmerische Praxis.

Digitalisierung als Chance
Chancen sieht der GDV-Präsident in der Digitalisierung. Sie verändere „unsere Kommunikation mit dem Kunden“. Sie bewirke noch viel mehr, weil sie neue Märkte und neue Produkte schaffe. Für die deutschen Versicherer jedoch sei die Digitalisierung ein Faktum. „Unsere Kunden verlangen von uns, die neuen Möglichkeiten zu nutzen. Deshalb stehen Digitalisierungsprojekte in unseren Unternehmen ganz oben auf der Tagesordnung – aber auch der Schutz von Daten und Kommunikation. Gleichzeitig würde die Assekuranz neue Angebote entwickeln, um für die Kunden die Risiken abzusichern, die aus der Digitalisierung entstehen.“

Evolution in der Kfz- Versicherung
Eine Evolution in der Kfz- Versicherung sieht Alexander Erdland im Thema „automatisiertes Fahren“. Man müsse neu „darüber nachdenken, wer für was haftet“. Es gehe hier um grundsätzliche Fragen - angefangen bei Regressansprüchen für fehlerhafte Fahrzeug-Systeme bis hin zu neuen Schadensverläufen und Risikokalkulationen. Beim speziellen Thema „e-Call“ sei der Branche wichtig, dass der Autofahrer bei telematischen Zusatzdiensten, wie der Pannenhilfe, frei entscheiden könne, an wen Fahrzeugdaten übermittelt werden: an die Hersteller, die Versicherer, Kfz-Betriebe oder Automobilclubs. „Dass die EU den Willen zeigt, mit Einführung des e-Call eine sichere und diskriminierungsfrei zugängliche Schnittstelle für den Austausch von Kfz-Daten zu schaffen, begrüße ich darum sehr.“

Tatsache sei, dass die Branche nicht Treiber dieser Entwicklung sei. Erdland: „Wenn wir aber nicht zu Getriebenen werden wollen, müssen wir die Veränderung mit gestalten. In der Branche sei sehr viel in Bewegung ist. Man entwickele neue Produkte, senke die Kosten und verbessere den Vertrieb. Nur so könne die Assekuranz „fit bleiben“.

Mehr Transparenz, Offenheit und Dialog
„Wir wollen mehr Transparenz, Offenheit und Dialog. So wie wir es beispielsweise mit dem Vertriebskodex oder unserem Code of Conduct beim Datenschutz tun“, sagte der GDV-Präsident. Es sei zuversichtlich, dass „wir 2015 mit der Branche auf einem stabilen, wenn auch sehr moderaten, Wachstumspfad bleiben werden“. (-el / www.bocquel-news.de)

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