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Zwei Herausforderungen der Assekuranz im Fokus

10. September 2015 - Die zunehmende Digitalisierung und die andauernde Niedrigzinskrise waren Gegenstand des Krankenversicherungsforums der Continentale in Köln. Die privaten Krankenversicherer, wie die gesamte Assekuranz, sind dabei in höchstem Maße gefordert.

Zum 15. Mal bereits fand das Forum Private Krankenversicherung (PKV-Forum), veranstaltet vom Continentale Versicherungsverbund auf Gegenseitigkeit (www.continentale.de) in Köln statt. Es wurde in diesem Jahr eröffnet von Dr. Christoph Helmich (Foto: Continentale/Rupert Warren) Vorstandsvorsitzender des Continentale VVaG. Gegenstand waren zwei existenzielle Herausforderungen der Branche: Digitalisierung und Niedrigzinsen. Die Digitalisierung macht auch vor der Versicherungswirtschaft nicht halt. Doch während sich die Fertigungsindustrie bereits auf die Variante 4.0, vernetzte Produktions- und Lieferabläufe, einstellt, ist die Assekuranz noch mit der Variante 2.0, der Digitalisierung der Kundenbeziehungen, beschäftigt. 

Was auf die Gesundheitsindustrie und die Krankenversicherer zukommt, erläuterte auf dem 15. PKV-Forum in Köln der Autor, Journalist und Blogger Sascha Lobo (Foto: Continentale/ Rupert Warren ) in seinem Vortrag über „Zukunft und Trends in der digitalen Welt“. Die meisten Menschen unterschätzen die Wirkung der Digitalisierung, behauptete Lobo. Die „Weisheit der Vielen“ und die „soziale“ Vernetzung führe zu mehr Effizienz in allen Bereichen der Gesellschaft. Doch nicht alle Rezepte, die in der einen Welt funktionierten, würden es auch in anderen tun, warnte er.

Es gehe um bei der Digitalisierung um Mustererkennung aus Nutzerdaten und Nutzerverhalten. Dabei stehen wir offenbar erst am Anfang. Nach Lobos Meinung enthalten die sozialen Netzwerke schon heute viel mehr Daten als bisher bekannt. Die Menschen würden „wie wild“ Daten in die Netze stellen. Der „social way“ sei ein Ergebnis der „Datenbegeisterung“. Davon profitierten viele Unternehmen. Es wüchsen aber auch die Gefahren, wie der Raub von knapp 80 Millionen Datensätzen bei einem US-amerikanischen Krankenversicherer im Februar dieses Jahres bewiesen habe.

Gesundheit als digitaler Lebensstil
Lobo machte deutlich, dass die „Datenbegeisterung“ massiv in die Gesundheitsbranche eingreift. Dabei gehe es längst nicht mehr nur um Daten, die Menschen unfreiwillig preisgeben, sondern um neue Wege der Datenerhebung. Dabei seien Fitness-Apps und Krankenkassenzuschüsse zu Smartwatches nur ein „Vorgeplänkel“. Es gehe um einen Quantensprung in der medizinischen Forschung durch die Sammlung und Auswertung medizinischer Daten, um Datensphären, „die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können“. Gesundheit werde zum „digitalen Lebensstil“.

Es werde und müsse die Versicherungswirtschaft verändern, wenn man aus Genomen die Wahrscheinlichkeit berechnen kann, ob und welche Krankheiten Menschen im Laufe ihres Lebens entwickeln und wie lange sie leben werden. Die Auswertbarkeit des Genoms werde der Versicherungswirtschaft neue Türen öffnen. Lobo wies aber auch auf Gefahren und Konsequenzen hin: Falschprognosen durch fehlerhafte Logarithmen, das Anwachsen von Wahrscheinlichkeiten und die Individualisierung von Risiken. Die „Gnade des Nichtwissens“, Grundlage jeder Versicherung, entfalle immer mehr. Die Frage nach dem „Warum“ werde zunehmend verdrängt, Ursachenforschung gerate ins Hintertreffen, es zählten nur noch Daten.

Vom Datenschutz zur Datensouveränität
Lobo forderte die Versicherungs-wirtschaft auf, Verantwortung für die kommende digitale Gesell-schaft zu übernehmen und sich schon heute auf das Morgen einzustellen. Die Datenwirtschaft werde beherrscht von Plattformen, mit denen man sich arrangieren müsse. Lobo forderte, den Datenschutz weiterzuentwickeln. Entscheidend sei die Datensouveränität des Einzelnen. Die Versicherten müssten entscheiden können, welche Daten die Versicherer erhalten. Er warnte: „Wenn Daten erst einmal vorhanden sind, werden sie auch verwendet“. „Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der mein Krankenversicherer per SMS von meiner Zahnbürste erfährt, wie lange ich mir die Zähne putze, um mir möglicherweise die Zahnzusatzversicherung zu kündigen“, fasste er sein Statement zusammen.

In der anschließenden Diskussionsrunde (Foto oben) bezweifelte Continentale-Chef Christoph Helmich, dass elektronische Gesundheitsüberwachung zu gesünderen Patienten führt. Nach seinen Angaben geht nur ein Prozent der Krankheiten auf ungesunde Lebensweise zurück. Dem widersprach Dr. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, der bis zu 30 Prozent der Erkrankungen als verhaltensbedingt ansieht. Diese Differenzen erklären sich möglicherweise aus der Klientel, die die Kunden privater Krankenversicherer von der Masse der Patienten unterscheidet. 

Im Würgegriff der Niedrigzinsen
Im Unterschied zur neuen Digitalwelt mutet das Zinsproblem der Assekuranz fast wie ein Problem der „alten“ Versicherungswelt an. Dieser Eindruck trügt allerdings, denn an den Kapitalmärkten wird auch künftig nichts mehr so sein, wie es einmal war. Dies machte Tim Ockrenga (Foto: Continentale/Rupert Warren), Leiter Kapitalanlagen beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (www.gdv.de) in seinem Vortrag über „Eurokrise, Niedrigzinsen und Volatilität - wohin steuern die Kapitalmärkte“ deutlich. Für die Versicherungswirtschaft, mit einem Anlagevolumen von 1.450 Milliarden Euro größter Anleger überhaupt, gehe es in erster Linie um größtmögliche Sicherheit bei der Absicherung der Leistungsversprechen und in zweiter Linie erst um Rendite, betonte Ockrenga. Die Mischung aus Niedrigzinsen, Staatsschuldenkrise und Volatilität sei eine „giftige Mischung“ für die Kapitalanlagen der Versicherer. Otrenga machte wenig Hoffnung auf kurz- bis mittelfristige Verbesserungen. Während sich in den USA eine Zinswende abzeichne, sei diese im Euroraum nicht in Sicht. Die Euro-Krise sei nicht ausgestanden, weil viele EU-Länder, vor allem Griechenland, Frankreich und Italien ihre Haushalte und Volkswirtschaften nicht in Ordnung gebracht hätten. Der massive Anleiheaufkauf seitens der Europäischen Zentralbank im Volumen von 1,1 Billionen Euro bis 2016 verschärfe die Lage weiter.

Es stelle sich immer deutlicher die Frage, ob die Versicherungswirtschaft mit ihrer Anlagepolitik so weitermachen können wie bisher. Denn immer öfter müssten ertragreiche Anlagen umgeschichtet werden. Hilflos seien die Unternehmen dennoch nicht. Längere Laufzeiten, Diversifizierung, alternative Anlageformen sowie Auflösung von Rückstellungen zur Dämpfung der Ertragsrückgänge stünden als Werkzeuge zur Verfügung. Gefragt seien mehr denn je eine gute Kapitalausstattung, ein professionelles Asset-Management sowie ein langer Atem.

Gelassenheit und Vorsicht sind gefragt
Im Interview mit dem Wirtschaftsjournalisten Michael Opoczynski erläuterte Dr. Gerhard Schmitz (Foto: Continentale/Rupert Warren), Vorstandsmitglied der Continentale, die Anlagestrategie des Unternehmens. Die Continentale sei bisher gut durch die Krise gekommen und lebe noch mit guten Beständen an festverzinslichen Wertpapieren. Gefragt seien Gelassenheit ebenso wie Vorsicht bei der Neuanlage. Schmitz schloss bei längerem Anhalten der Niedrigzinssituation aber nicht aus, dass der Rechnungszins in der PKV weiter abgesenkt werden muss. Dieser beträgt in Bestandsverträgen 3,5 Prozent, im Neugeschäft in der Regel 2,75 Prozent. Der Rechnungszins war auch Gegenstand der anschließenden Podiumsdiskussion. Daran nahmen neben Ockrenga und Schmitz auch Joachim Geiberger, Geschäftsführer den Morgen & Morgen Group GmbH (www.morgenundmorgen.com), Dr. Reiner Will, Geschäftsführender Gesellschafter Assekurata Assekuranz-Rating GmbH (www.assekurata.de), Dr. Marcus Kremer, Vorstandsmitglied der Continentale VVaG und Prof. Dr. Jürgen Wasem, Gesundheitsökonom der Universität Duisburg-Essen (www.uni-due.de) teil. Dabei herrschte Einigkeit, dass eine Anpassung des PKV-Rechnungszinses künftig nötig werden könnte, damit die Unternehmen in die Lage versetzt werden, wieder einen Überzins zu erwirtschaften. Dieser werde schon allein für den Ausgleich der Kosteninflation im Gesundheitswesen sowie für die Alterungsrückstellung infolge der demografischen Entwicklung gebraucht.

Beitragserhöhungen sind nicht zu vermeiden.
Die Diskussionsteilnehmen mahnten dazu auch eine politische Unterstützung seitens des Gesetzgebers an. Die Diskutanten waren sich mehr oder wenig einig, dass in der PKV – möglicherweise schon bis 2017 – große Beitragsanpassungen als Folge der Niedrigzinssituation nötig werden könnten, nachdem sich die Beiträge in den vergangenen zwei Jahren nur moderat entwickelt hatten. (hp / www.bocquel-news.de)

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