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Zinsanstieg - Laune der Lebensversicherer steigt

17. Mai 2022 - Lange von der Versicherungs-Branche ersehnt, jetzt ist er da: der Zinsanstieg. Welche Folgen das haben kann, war unter anderem Thema bei der virtuellen „MCC-Fachkonferenz Lebensversicherung aktuell“ am Dienstag – mit dem Tenor ‚LV-Markt in der neuen Legislaturperiode – Drahtseilakt zwischen Politik, Regulatorik und steigenden Zinsen.

Den positiven Effekt des derzeitigen Zinsanstiegs hob Dr. Normann Pankratz, Vorstand bei den Debeka Versicherungen, hervor. Wahrscheinlich müssten deshalb Lebensversicherer weit weniger in die Zinszusatzreserve (ZZR) abführen als bisher. Im Rahmen von Solvency II warnte Pankratz vor einer unausgewogenen Umsetzung der Review-Vorschläge. Denn so würde das Risikokapital der Branche durch die größeren Kaptalanforderungen schrumpfen.

Laut Dr. Normann Pankratz, wäre eine explizite Risikokapitalerleichterung für einzelne Assetklassen besser - wie zum Beispiel analog den Kapitalerleichterungen für qualifizierte Infrastruktur. Schließlich könnten so zu den Nachhaltigkeitszielen die gut eine Billion Euro Kapitalanlagen der Versicherer und 190 Milliarden Euro Neuanlagen besser beitragen.

Den Drahtseilakt zwischen Politik, Regulatorik und steigenden Zinsen beschrieb Dr. Guido Bader, Vorsitzender der Vorstände der Stuttgarter Lebensversicherung, in seinem Vortrag. Durch den Zinsanstieg müssten die Versicherer mit zunehmenden stillen Lasten bei festverzinslichen Wertpapieren kämpfen. Viele Lebensversicherer müssten weiter außerordentliche Kapitalerträge zur Finanzierung der Zinsgarantien erzielen.

Positiv sah Bader, dass man 2021 den Höchststand an der Zuführung zur ZZR gesehen habe. Gleichzeitig verbesserten sich die Solvenz-Quoten der Lebensversicherer mit dem Zinsanstieg signifikant.

Scharfe Kritik an Versicherern
Für die mangelnde Reputation der Versicherungsbranche und mangelnde Attraktivität des Berufsbildes des Versicherungsvermittlers machte Michael Heinz, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK), die Versicherer selbst verantwortlich. Mit ihrer Strategie „Schneller, höher, weiter“ und mit Umsatz-Rennlisten, die es heute noch gebe, werde der Exklusivvertrieb von den Gesellschaften konfrontiert. Vermittler würden als Gefolgsleute der Versicherer gesehen und behandelt und nicht als gleichwertige Geschäftspartner. Junge Menschen könne man so nicht für den Beruf des Vermittlers begeistern.

Die Kritik des BVK-Chefs ging auch an die Adresse der Gesetzgeber in Berlin und Brüssel. Statt Regulierung habe man es mit „Drangsalierung“ zu tun. Er verstehe nicht, warum heute noch über die Provisionen diskutiert werde. Es gebe nur etwa 250 Beschwerden im Jahr beim Ombudsmann über Vermittler. Von flächendeckenden Fehlanreizen könne keine Rede sein. Fehlanreize gebe es höchstens durch die Versicherer mit ihrer „Schneller, höher, weiter“-Strategie, so Heinz.

Altersvorsorge nicht oben auf der Agenda
Dass bei der Bundesregierung die Altersvorsorge wegen des Ukraine-Kriegs im Moment nicht oben auf der Agenda stehe, erläuterte Dr. Peter Schwark, stellvertretender Hauptgeschäftsführer beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), in einer Diskussionsrunde. Die Pläne zur Aktienrente seien noch unklar. Zum einen lösten sie nicht das Problem der 2030er Jahre, da 10 Milliarden Euro nicht ausreichten. Zum anderen sei das Geld noch nicht im Bundeshaushalt eingestellt. Angesichts der 2023 wieder geltenden Schuldenbremse sei die Umsetzung unklar.

In Sachen Provision meinte Dr. Peter Schwark (Foto 2.v.r.), dass durch das Lebensversicherungsreformgesetz schon vieles besser geworden sei, auch aufgrund der höheren Haftungszeit. BVK-Chef Heinz (3.v.r.) zeigte sich offen gegenüber lebensbegleitenden Provisionsmodellen. Nur seien hier die Großvertriebe dagegen. Schwark betonte noch einmal den sozialpolitischen Auftrag der Vermittler. Und Stuttgarter-Chef Dr. Guido Bader (im Foto links) betonte den sozialen Ausgleich des provisionsbasierten Vertriebs. 

Alles spricht für den Run-off
80 Lebensversicherer und 130 Pensionskassen kennzeichneten heute den Lebensversicherungsmarkt, konstatierte Dr. Frank Wittholt, Sprecher des Vorstands der Ergo Lebensversicherung AG. Demnach haben 54 Gesellschaften einen Marktanteil von weniger als einem Prozent und wachsen, wenn überhaupt, nur minimal. Und es gebe eine Vielzahl von zum großen Teil eigenentwickelter IT-Systeme, die vor ihrem Lifecycle-Ende stehen. Vor diesem Szenario nehme das Thema Run-off weiter Fahrt auf. Spätestens dann, wenn der letzte IT-Fachmann, der ein altes System beherrscht, in Rente geht, habe der Versicherer ein Problem.

Da der Investitionsbedarf für neue IT-Systeme hoch sei, da auch das Problem der Migration der vorhandenen Daten gelöst werden müsse, stelle sich die Frage nach einem Run-off. Unter Run-off versteht Wittholt das Geschäft, das nur Altbestände verwalte – ohne Neugeschäft. Nach dieser Definition würden bereits heute 90 Prozent der Lebensversicherer einen Run-off betreiben. Bei der externen Lösung würde der Versicherer den Lebenbestand an einen eigenen Rechtsträger verkaufen.

Ergo habe sich dagegen für eine interne Lösung entschieden: Einstellung des Neugeschäfts, Separierung des Bestands und eine interne Run-off-Steuerung. Ergo biete aber über einen eigenen Rechtsträger ein Mischmodell an (Third Party Administration). Es handelt sich um Thipara (www.thipara.com/), einem Joint Venture von Ergo und IBM.

Der interne Run-off bei Ergo sei eine Erfolgsgeschichte, so der Ergo-Manager. Zwischen 2017 und 2021 habe der Run-off etwa 600 Millionen Euro erwirtschaftet. Dabei hätten die Kunden keinerlei Nachteile gehabt. Da die Anzahle der Lebenverträge in der Branche sinken, stiegen die Kosten pro Vertrag. Wittholt zitierte dabei die Berater von Mc Kinsey: „Hoher Kostendruck durch Marktkonsolidierung erhöht die Nachfrage für kosteneffiziente Kernversicherungsplattformlösungen.“ (Bernd Rudolf Text und Fotos / www.bocquel-news.de)

 

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