logo
logo

Namen und Nachrichten

Wenn die Betriebsrente zum „Betriebsunfall“ wird

22. Juni 2021 - Die Negativ-Schlagzeilen zur betrieblichen Altersvorsorge (bAV) häufen sich, besonders zu Pensionskassen. Ein Beispiel ist die Kölner Pensionskasse, die von der BaFin unlängst geschlossen und in die Abwicklung geschickt wurde. Müssen Arbeitnehmer tatenlos zusehen, wenn ihre Betriebsrente zum Betriebsunfall wird? Keineswegs.

Die Pensionskassen hierzulande stehen immer mehr im Abseits. Arbeitnehmer müssen aber nicht tatenlos zusehen, wenn ihre Betriebsrente zum Betriebsunfall. Mit dem Widerruf bietet sich sogar eine lukrative Chance, eine Fehlentscheidung zu korrigieren. Dipl.-Jur. Ulf Böse, Rechtsanwalt und Partner bei Decker & Böse (www.db-anwaelte.de) zeigt hierfür Lösungen auf. Böse zählt zu den führenden Anwälten für Verbraucherrecht und Massenschäden in Deutschland. Lesen Sie dazu seinen Gastbeitrag:

„Bei ihrer Entscheidung für eine betriebliche Altersvorsorge, vor allem eine mit Gehaltsumwandlung, hatten viele Arbeitnehmer schon wegen des schönen Wortes „Pensionskasse” andere Vorstellungen. Pension, das klingt nach großzügiger, verlässlicher Vorsorge, eben wie die Pension eines Beamten. Dass der Staat dies fördert, ließ umso mehr den Eindruck entstehen, in etwas absolut Grundsolides zu investieren. Mittlerweile wissen es die Arbeitnehmer besser: Pensionskasse ist genau genommen nur ein anderer Name für Lebensversicherungsgesellschaft, mal in der Rechtsform als Aktiengesellschaft, mal als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit.

Die Probleme der zurzeit 136 Pensionskassen mit rund 9 Millionen Arbeitnehmern oder Rentnern sind die Gleichen wie bei Lebensversicherern: Oft hohe Kosten einerseits, Ertragskrise wegen der anhaltend (und vermutlich langfristig) niedriger Zinsen andererseits. Mitunter kommt wohl noch Missmanagement hinzu, wie die Stiftung Warentest berichtet.

Auf den ersten Blick wirkt es so, als müsste das einen Arbeitnehmer nicht übermäßig besorgen:

  1. Die Trägerunternehmen einer Pensionskasse (also die Arbeitgeber) können Finanzlöcher mit einem Zuschuss ausgleichen; teilweise ist das auch geschehen.
  2. Wenn eine angeschlagene Pensionskasse zur Sanierung Leistungen kürzt, wie bereits bei etwa einem Fünftel der Pensionskassen geschehen, hat der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber einen Haftungsanspruch - der Arbeitgeber muss das gegenüber einem Rentner ausgleichen (§ 1 Abs. Satz 2 und 3 BetrAVG).  Das gilt auch bei geschlossenen Pensionskassen: Sie zahlen so gut wie möglich die Renten weiter, für den Rest haftet der Arbeitgeber.
  3. Sollten sowohl Arbeitgeber als auch Pensionskasse insolvent werden, greift ab nächstem Jahr der jüngst vom Gesetzgeber beschlossene Insolvenzschutz: Ab 2022 sind die Leistungen einer Pensionskasse als Versicherungsverein über den “Pensionssicherungsverein a. G.” geschützt (§ 30 Abs. 2 BetrAVG). Pensionskassen als Aktiengesellschaft waren bislang bereits über die Sicherungseinrichtung “Protektor” der Lebensversicherer geschützt.

Pensionskassen: Rette sich, wer kann?!
Das ist aber nur der erste Blick. Wer genauer hinschaut, ahnt, dass die Krise der Pensionskassen vermutlich noch viel tiefgehender wird. Denn anders als Lebensversicherer haben sie nur ein „Geschäftsmodell”, und zwar die Rentenverträge mit Garantiezinsen bis zum Lebensende - bei beständig steigender Lebenserwartung. Kapitallebensversicherungen zum Ausgleich haben sie nicht. Dass Arbeitgeber kontinuierlich zuschießen werden, ist kaum zu erwarten.

Wesentlich für den Arbeitnehmer: Sein Ausgleichsanspruch als Rentner gegenüber dem haftenden Arbeitgeber bezieht sich nur auf die garantierten Leistungen - und das ist wie bei Lebensversicherern deutlich weniger, als das, was mal in Aussicht gestellt wurde. Besonders bitter ist dies für noch aktive Arbeitnehmer, die in eine Pensionskasse per Gehaltsumwandlung einzahlen: Sie (und der Arbeitgeber) sparen damit zwar Sozialabgaben, aber eben diese Ersparnis führt dann auch zu geringeren Ansprüchen bei der gesetzlichen Rente.

Diese Arbeitnehmer sind folglich doppelt gekniffen: Weniger Rente von der Pensionskasse als erhofft sowie weniger gesetzliche Rente.

Widerruf statt Kündigung eines Pensionskassen-Vertrages
Wer seine Police deshalb nun loswerden möchte, sollte zunächst folgendes wissen: Unterschieden wird zwischen der

  • Arbeitgeber-finanzierten Versorgungszusage und einer Betriebsrente, die aus der
  • Entgeltumwandlung des Arbeitnehmers resultiert. Wenn der Arbeitgeber die Betriebsrente komplett alleine finanziert, macht es keinen Sinn, darauf verzichten zu wollen.

Anders sieht es aus bei der Pensionskasse, die per Entgeltumwandlung bedient wird (ein Teil des Gehaltes fließt direkt in die Beitragszahlung). In so einem Fall kommt die Kündigung in Betracht, aber auch ein Widerruf wegen Formfehlern in der Dokumentation. Der Widerruf ermöglicht es Versicherten in einige Fällen, alle eingezahlten Beiträge zuzüglich Zinsen zurückerhalten, während bei einer Kündigung die üblichen Verluste vor allem wegen hoher Abschlusskosten anfallen. Um den Widerruf zu erklären, muss der Arbeitnehmer aber zugleich Versicherungsnehmer (VN) sein.

Folgende Konstellationen sind denkbar: Das Arbeitsverhältnis läuft noch, der Arbeitgeber ist im Regelfall der Versicherungsnehmer: In so einem Fall ist es möglich, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer zunächst den arbeitsrechtlichen Widerruf der Entgeltumwandlung erklären, der Arbeitgeber den Vertrag mit der Pensionskasse widerruft und dann mit dem erstatteten Geld den Arbeitnehmer auszahlt.

Das Arbeitsverhältnis ist beendet, das Versicherungsverhältnis ist auf den Arbeitnehmer übergegangen: In diesem Fall hat der Arbeitnehmer die Rechte und Pflichten aus dem Vertrag - kann im Regelfall aber gar nicht widerrufen, da das Betriebsrentengesetz eine vorzeitige Verwertung ausschließt. (§ 2, Abs. 3 BetrAVG).

Ausführliche juristische Erläuterungen zum Widerrufsrecht bei Lebensversicherungen, das zum Teil auf Pensionskassen übertragbar ist, hat die Rechtsanwaltsgesellschaft Decker & Böse zum kostenlosen Abruf im Internet bereitgestellt.“ (Gastbeitrag von Ulf Böse / www.bocquel-news.de)

zurück

Achtung Copyright: Die Inhalte von bocquel-news.de sind nach dem Urheberrecht für journalistische Texte geschützt. Die Artikel sind ausschließlich zur persönlichen Lektüre und Information bestimmt. Abdrucke und Weiterverwendung - beispielsweise zum kommerziellen Gebrauch auf einer anderen Homepage / Website oder Druckstücken - sind nur nach persönlicher Rücksprache mit der Redaktion (info@bocquel-news.de) gestattet.