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Warum kompliziert, wenn Rente auch einfach geht?

4. März 2019 - Alte Hasen und junge Minister ohne Beratungsresistenz. Das ist die Mischung aus der heute Lösungen für die Probleme von morgen entstehen können. Rentenexperte Professor Bert Rürup und Arbeitsminister Hubertus Heil haben in Berlin gezeigt, wo es in der deutschen Rentenpolitik künftig langgehen sollte.

Die demografische Pause geht langsam zu Ende. Das legt die Sicht auf die kommenden Herausforderungen frei. „Zentrales Problem der Altersvorsorge wird die Vermeidung von Altersarmut sein“, fasst es Prof. Dr. Dr. h.c. Bert Rürup, heute Präsident des Handelsblatt Research Institute (HRI) und langjähriger Rentenberater der SPD zusammen. Den Vorschlag seines Parteigenossen Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales, eine Grundrente einzuführen, begrüßt Rürup daher als richtig und völlig zeitgemäß. Übrigens gab Heil am Montag bekannt, dass er schon im Mai einen gangbaren Entwurf für die Grundrente für jeden vorlegen wird.

Bisher habe der gute Arbeitsmarkt die Politik geblendet, schätzt Rürup. Berlin müsse jedoch dringend handeln. Der breite Rückgang der Lohnquoten führe ansonsten zur Erosion des traditionellen Rentenversicherungssystems in Deutschland – das aus einer Zeit stammt, in der gebrochene Erwerbsbiographien noch nicht an der Tagesordnung waren.

Sprengstoff Rentenpolitik
Heute hingegen verändern sich Jobs und Berufswelten permanent, neue Tätigkeitsbereiche entstehen, andere fallen weg. So schätzt Bundesarbeitsminister Heil, dass bis 2025 in Deutschland anderthalb Millionen Arbeitsplätze verschwinden werden. Die Arbeitskräfte von heute müssten zudem die Arbeit von morgen machen können, sich entsprechend weiterbilden. Angesichts der permanenten Veränderungen und Unsicherheiten weiß Heil, dass die Menschen sich auf die staatliche Absicherung ihrer Arbeitskraft umso mehr verlassen können müssen. Da liege sozialer Sprengstoff drin.

Was er nicht direkt aussprach, langjährige Beobachter des 20. Zukunftsmarkts Altersvorsorge aber durchaus auf der diesjährigen mcc-Tagung in Berlin herauslesen konnten, war eine leise Skepsis gegenüber der betrieblichen Altersversorgung (bAV) im Hinblick auf das Ziel „Vermeidung von Altersarmut“. Dem Minister scheint bewusst, dass über die bAV nur derjenige gefördert werde, der einen festen Job hat. Mit der Grundrente kann er mehr bewirken. Schließlich will Hubertus Heil die gesetzliche Rente damit auch für Selbstständige aufhübschen, die er über die Einführung der Versicherungspflicht daran partizipieren lassen möchte.

„BRSG leider gefloppt“
Immerhin scherzte Heil, Vorgängerin Andrea Nahles hätte ihr Gesetz nach dem Vorbild des Gute-Kita-Gesetzes besser „Gutes-Betriebsrentengesetz“ nennen sollen statt des unaussprechlichen Betriebsrentenstärkungsgesetz‘ BRSG. Prof. Rürup brachte es auf den Punkt: „Das BRSG ist ein modernes Gesetz, das ich gut finde, obwohl man zugeben muss, dass es leider gefloppt ist.“ Bisher existiert jedenfalls noch kein Sozialpartnermodell. Minister Heil gibt sich zwar „sicher, dass die Botschaft jetzt langsam bei den Tarifpartnern ankommt“. Doch das klingt ein wenig nach dem berüchtigten Pfeifen im Walde.

Hebelt die Grundrente das Sozialpartnermodell aus?
Im Kern ist die Grundrente nach Ansicht von Kritikern durchaus geeignet, das Sozialpartnermodell auszuhebeln. Wer braucht schließlich noch (unwillige) Tarifpartner, wenn Geringverdiener über eine Grundrente viel unkomplizierter vor Altersarmut bewahrt werden können? Hinzu kommt, dass eine Grundrente den Charme eines Obligatoriums mitbrächte. Rürup predigt seit Jahren, dass Obligatorien anderen Vorsorgeformen grundsätzlich überlegen sind.

Selbst die nach ihm benannte Basisrente ist nach eigenem Bekunden „völlig ungeeignet das Problem der Altersarmut zu lösen“. Sie rechne sich nur für denjenigen, der in der Erwerbsphase hohe und im Ruhestand geringe Steuern zahlt. Wer keine Steuern zahlt, kann von dieser Differenz schlecht profitieren.

Ob die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) allein die anstehenden Probleme wird lösen können? Wissenschaftler wie Professor Dr. Peter Haan vom Deutschen Institut für Wirtschaft (DIW) in Berlin sehen das skeptisch: „Wenn alles in der Gesetzlichen Rentenversicherung gelöst werden soll, dann brauchen wir eine radikale Reform, wie zum Beispiel die Einführung einer Mindestrente, unabhängig von den eingezahlten Beiträgen. (...) Die Gesetzliche Rentenversicherung kann das Spannungsfeld zwischen Armutsvermeidung und Sicherung des Lebensstandards nicht allein lösen. Dazu ist ein Mix aus Reformen nötig.“ - Fakt ist laut Haan: Altersarmut ist ein Problem alleinstehender Frauen und auch von Soloselbstständigen. Der Wissenschaftler warnt davor zu glauben, dass alle davon betroffen seien, aber es sei ein großes Problem für viele Gruppen. Seit 2003 habe Altersarmut in Deutschland stark zugenommen, plus 90 Prozent, sich also fast verdoppelt. Haan: „Das Problem nimmt weiter zu, das belegen alle Studien.“ (Rita Lansch / www.bocquel-news.de)

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