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Wann startet Solvency II - vielleicht erst 2017?

28. Januar 2013 - Die geplante Eigenkapitalregel „Solvency II" brennt den Versicherern und der obersten Finanzaufsicht in Deutschland auf den Nägeln. Die BaFin-Präsidentin sagte beim Neujahrsempfang ihrer Behörde, dass der Start erst zum 1. Januar 2017 realistisch sei.

Dr. Elke König Diskussionen zu „Solvency II", Niedrigzinsphase und die Ankündigung eines neuen Verbraucherbeirat bei der BaFin standen auf der Agenda, als Dr. Elke König (Foto), in der vergangenen Woche nun schon zum zweiten Mal in ihrer noch jungen erst fünfzehn Monate andauernden Amtszeit zum Neujahrsempfang der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-Aufsicht (www.bafin.de) lud.

Oberste Finanzaufsicht
Die BaFin, so das Kürzel für die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-Aufsicht, ist die Kontrollbehörde für 1.900 Banken, 600 Versicherungs-Unternehmen und nahezu 6.000 andere Finanzdienstleister und weitere Wertpapierhändler in Deutschland.

Die BaFin wird durch ein Direktorium geleitet, das aus der Präsidentin Dr. Elke König und vier Exekutivdirektoren besteht. Die oberste Finanzaufsicht hierzulande finanziert sich aus Abgaben der von ihr beaufsichtigten Unternehmen. Die Behörde untersteht dem Bundesfinanzministerium. Sowohl in der ehemaligen Regierungsstadt Bonn, als auch am Finanzplatz Frankfurt hat die BaFin je einen Dienstsitz, an denen insgesamt 2.336 Mitarbeiter tätig sind.

Die BaFin-Chefin zog ein kurzes Resümee, was ihre Aufgaben zurückliegender Projekte betraf, um dann auf die laufenden und künftigen Herausforderungen ihrer Behörde einzugehen. Seit unter dem Dach der BaFin die Kontrolle sowohl für Banken als auch für Versicherungsunternehmen und für den Wertpapier zusammengelegt wurde, hat nicht nur ihre Präsidentin, sondern zusätzlich auch ein großer Experten-Stab für jeden Bereich gleich mehrere Eisen im Feuer.

Felix Hufeld Im Bereich Versicherungsaufsicht, den Felix Hufeld (Foto) seit Anfang des Jahres als Exekutivdirektor verantwortet, ist neben den gerade obligatorisch gewordenen Unisex-Tarifen das Thema „Solvency II" immer noch eine der größten Hürden, die den Assekuranzen große Härten abverlangt. Natürlich bestimmte die künftige Verordnung „Solvency II" rund ums Eigenkapital der Versicherer auch einen wesentlichen Teil der Neujahrs-Ansprache von Elke König. Ins Stocken geraten sei Solvency II, die breit angelegte Reform der europäischen Versicherungsaufsicht, sagte sie. Und, um es gleich vorweg zu nehmen: Die BaFin-Präsidentin machte keinen Hehl daraus, dass schon längt nicht mehr der Beginn des Jahres 2014 auch der Start für Solvency II sein könne. „Im Gespräch ist derzeit die volle Anwendung ab Anfang 2016. Ich meine, der Zeitplan sollte vor allem eines sein: realistisch. Das spricht eher für den Start zum 1. Januar 2017", sagte Dr. König.

EU-Kommission, Rat und Parlament haben Königs Angaben zufolge jetzt erstmals bei ihren Verhandlungen über die Omnibus-II-Richtlinie wichtige und komplexe Probleme aufgegriffen, die es zunächst zu lösen gelte.

Zu den global systemrelevanten Versicherern hinterfragte sie, was die relevanten Kriterien sein könnten? Die Internationale Vereinigung der Versicherungsaufseher IAIS und der Finanzstabilitätsrat FSB diskutieren derzeit intensiv über dieses Thema. Dass auch deutsche Versicherungsgruppen im Fokus sind, versteht sich laut Dr. König von selbst. „Sie können davon ausgehen, dass die BaFin hier am Ball ist. Es geht uns Aufsehern aber nicht nur darum, eine weitere Liste mit systemrelevanten Institutionen zu schreiben. Eine zentrale Frage ist, wie wir regulatorisch mit versicherungstypischen systemischen Risiken umgehen müssen", ergänzte die BaFin-Chefin.

Wenig sinnvoll: pauschal Kapitalzuschläge auf Kapitalanforderungen festzulegen
Sie halte überhaupt nichts davon, pauschal Kapitalzuschläge auf Kapitalanforderungen festzulegen, die derzeit weltweit noch sehr unterschiedlich geregelt sind. „Ich bin auch nicht davon überzeugt, dass nach der Gießkannenmethode verhängte gruppenweite Kapitalzuschläge die beste Lösung sind, Systemrisiken einzufangen, die von Versicherern ausgehen können. Gezielte Maßnahmen sind die bessere Wahl - und die müssen sich nicht nur aufs Kapital beziehen", ist sich König sicher.

In Sachen Solvency II bestehe weiterhin die Frage der Abbildung des Versicherungsgeschäfts mit langfristigen Garantien. Es seien einige Instrumente angedacht, deren Tauglichkeit und etwaige Nebenwirkungen nun in einer Auswirkungsstudie getestet werden sollen. „Dass sich Solvency II dadurch weiter verspäten wird, müssen wir in Kauf nehmen", sagte König. Es werde derzeit - auch von der BaFin angestoßen - darüber nachgedacht, Teile des Regelwerks vorzuziehen. Eignen würde sich laut BaFin-Angaben dafür die Säule II, genauer gesagt das „Own Risk and Solvency Assessment", kurz ORSA, also die Einschätzung von Risikotragfähigkeit und Kapitalposition durch das Unternehmen. „Darüber werden wir EU-weit diskutieren, auch weil es Aufsichtsarbitrage zu vermeiden gilt. Sollte aber die Diskussion auf europäischer Ebene nicht - oder nicht schnell genug - fruchten, müssen wir überlegen, ob Deutschland nicht - ähnlich wie bereits die Niederlande - eine nationale Lösung anstreben sollte", machte die BaFin-Chefin deutlich.

In Deutschland wurden Kernelemente der Säule II schon 2009 eingeführt
Das Feld wäre weitgehend bestellt, sagte sie weiter. „In Deutschland haben wir Kernelemente der Säule II schon 2009 eingeführt - und zwar über den Paragraphen (§) 64a Versicherungsaufsichtsgesetz. Diese rechtlichen Regelungen haben wir mit unseren Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) konkretisiert." Demnach müssen sich die deutschen Versicherer bereits heute mit ihrer Risikotragfähigkeit auseinandersetzen. Die BaFin habe bereits vorausschauende Elemente einer Risikotragfähigkeits-Betrachtung implementiert. „Zudem verlangen wir regelmäßig Stress-Tests und Szenario-Analysen, um die Auswirkungen verschiedener, auch extremer Situationen auf die Solvabilität von Versicherern zu untersuchen."

Elke König berichtete weiter, dass im ORSA die Versicherer - was die Ermittlung des Kapitalbedarfs angeht - eine mehrjährige Perspektive einnehmen müssten und sich ex ante bewusst machen, welche Auswirkungen ihre strategischen Entscheidungen auf ihren Kapitalbedarf haben. „Warum sollte man nicht schon heute die künftig geforderte Verknüpfung zwischen Risiko- und Kapitalmanagement stärken?" fragte die BaFin-Chefin.

„Die Signale, die ich bisher aus der Industrie bekomme, bestärken mich jedenfalls in meiner Auffassung. Im aktuellen, auch oder gerade für die Versicherungswirtschaft herausfordernden wirtschaftlichen Umfeld halte ich eine vorausschauende Kapitalplanung und Risikotragfähigkeitsprüfung für unverzichtbar."

Bald Verbraucherbeirat bei der BaFin
Für alle Kontrollbereiche der Finanzaufsicht wichtig sei außerdem noch ein weiteres Vorhaben. Laut Dr. König sieht das Gesetz zur Stärkung der deutschen Finanzaufsicht die Einrichtung eines Verbraucherbeirates bei der BaFin vor. Er werde sich zusammensetzen aus Wissenschaftlern, Vertretern von Verbraucher- und Anlegerschutzorganisationen, außergerichtlicher Streitschlichtungs-Systeme und des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. „Ich verspreche mir von diesem Beirat wertvolle Anregungen für unsere Arbeit", sagte Elke König.

Zinsen verharren seit vier Jahren auf niedrigem Niveau
Zum Schluss thematisierte auch noch das niedrige Zinsniveau, das auch die Allfinanzaufsicht BaFin seit geraumer Zeit umtreibt. Elke König sprach von dem schon seit fast vier Jahren andauernden Zeitraum, in dem die Zinsen auf niedrigem Niveau verharren. Darunter würden nicht nur, aber auch die Versicherer und Pensionsfonds leiden, die langfristige Garantien abgegeben haben oder bei denen die Erfüllbarkeit von Verpflichtungen auf andere Weise vom Erfolg der Kapitalanlage abhängt. „Ich werde nicht müde, darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber bereits einige stabilisierende Maßnahmen ergriffen hat", sagte König und nannte hier zum Beispiel die Zinszusatzreserve und die Begrenzung der Beteiligung der Versicherten an den Bewertungsreserven aus Zinspapieren.

Darauf einstellen und bei der Produktgestaltung neue Wege gehen
Leider sei die Verabschiedung der zuletzt genannten Regelung ins Stocken geraten. „Ich hoffe, dass es kurzfristig gelingt, einen guten Ausgleich zwischen den Interessen des Kollektivs und denen des einzelnen Versicherungsnehmers zu finden. Aber es gilt auch: Das niedrige Zinsniveau mag uns noch viele Jahre begleiten. Die Versicherer müssen sich darauf einstellen und bei der Produktgestaltung neue Wege gehen."

Die BaFin-Chefin machte außerdem deutlich, dass aus dem niedrigen Zinsniveau auch für die Bausparkassen Risiken entstehen würden: Dazu sei zu bedenken, dass Bausparkassen mit ihren Kunden bei Vertragsabschluss feste Zinssätze vereinbaren. Sowohl die Guthabenzinsen der Ansparphase als auch die Darlehenszinsen, die die Bausparer zu zahlen haben, wenn sie später ein Bauspardarlehen in Anspruch nehmen, sind den Angaben zufolge völlig unabhängig von der Entwicklung der Markzinssätze.

Viele Bausparer sparen zwar, verzichten aber auf ihr Bauspardarlehen
Das führe in der Niedrigzinsphase dazu, dass viele Bausparer zwar sparen und die noch relativ hohen Guthabenzinsen in Anspruch nehmen, aber auf ihr Bauspardarlehen verzichten. Das sei jedoch ein besonderes Risiko, dass die Bausparkassen managen müssen. Sie hätten daher schon vor Jahren begonnen, das Zinsniveau ihrer Tarife anzupassen. Wenn die Marktzinsen dauerhaft so niedrig wie derzeit bleiben, müsste die Branche weiter gegensteuern und das Zinsniveau in neuen Tarifen noch weiter senken müssen.

Schon vor Jahren haben die Bausparkassen begonnen, das Zinsniveau ihrer Tarife anzupassen. Bleiben die Marktzinsen dauerhaft so niedrig wie derzeit, müsse die Branche weiter gegensteuern und das Zinsniveau in neuen Tarifen noch weiter senken müssen.

Versicherer und Banken suchen nach alternativen Einnahmequellen
Laut Elke König bereitet das niedrige Zinsniveau auch den Kreditinstituten nicht nur Freude. Während Zinsen auf Einlagen kaum mehr gesenkt werden könnten, seien die Kreditzinsen auf einem Tiefstand, was den Zinsüberschuss erheblich dezimiere. Ebenso wie die Versicherer sehen sich Banken nun nach alternativen - womöglich riskanten - Einnahmequellen um.

Wie es in einem Bericht zum BaFin-Neujahrsempfang im selbst ernannten Entscheidermagazins „Capital" (www.capital.de) heißt, avanciert das Problem Niedrigzins für Aufseher und Branche zum Dauerthema: Wegen der niedrigen Zinsen würden sich die langfristigen Zinsgarantien der Lebensversicherer für ihre Kunden nur sehr schwer in dem Modell darstellen lassen. Wenn „Solvency II" in seiner ursprünglichen Form heute umgesetzt worden wäre, würde ein großer Teil der deutschen Gesellschaften in schwieriges Fahrwasser kommen.

Neuer Testlauf für Solvency II
Dem Vernehmen nach will die europäische Versicherungsaufaufsicht Eiopa (https://eiopa.europa.eu) in Frankfurt auf Anregung der EU einen weiteren Testlauf starten. Wie es heißt, sollen dabei Firmen europaweit rechnen, welche Auswirkungen „Solvency II" bei ihren aktuellen Geschäftszahlen hätte. „Experten fürchten, dass das Ergebnis wegen der anhaltenden Niedrigzinsen katastrophal schlecht sein wird", schließt der Capital-Artikel. (eb / www.bocquel-news.de)

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