10. September 2025 - Die Vereinfachung von Maklerprozessen durch KI: Schadentelefonate mit aufgeregten Kunden werden durch Bots automatisiert. Zeitfresser werden ans MVP-System delegiert. Über 600 Makler sahen in Essen live, wie ihre Kollegen Acturis-Anwendungen im Alltag nutzen können.
Beim zweiten Technologieforum von Acturis und germanBroker.net kamen mehr als 600 Makler in Essen zusammen, um über die digitale Zukunft der Branche zu diskutieren. Hartmut Goebel, Vorstand von germanBroker.net (www.germanbroker.net/start/), war über den neuen Teilnehmerrekord hoch zufrieden und verkündete mit einem Augenzwinkern, dass er diesen künftig an der Menge des ausgeschenkten Bieres messen wolle – schließlich sei die Digitalisierung nur mit Bier zu ertragen.
KI verlangt neue Denkweise
Die dvb (www.deutsche-versicherungsboerse.de) berichtet, warnte Dr. Tim Schrills von der Universität Lübeck vor dem verbreiteten Irrglauben, KI-Systeme einfach auf bestehende Prozesse aufsetzen zu können. Seine Studien zeigen: Unternehmen, die KI ohne Prozessanpassung einführen, verschlechtern oft ihre Leistung. „Ein reiner Chat hilft nicht weiter”, betonte Marc Rindermann, CEO von Acturis. „Wir arbeiten an der KI-Integration in AMS 6, damit Maklerprozesse autonom ablaufen können.”
Balance zwischen Autonomie und Kontrolle
Die Herausforderung liegt in der Balance zwischen Autonomie und Kontrolle. KI-Systeme arbeiten zwar eigenständig, bieten aber weniger direkte Steuerungsmöglichkeiten als herkömmliche Software. Dr. Schrills empfiehlt Maklern deshalb, zunächst ihre Stärken zu identifizieren und dann zu entscheiden, welche Aufgaben sie an KI-Systeme abgeben können.
Praktische KI-Lösungen für den Makleralltag
In der Präsentation von Lucy Raeder (mySolution) und Thorben Schlätzer (dreifach.ai) wurde eine konkrete Anwendung für KI-gesteuerte Schadenprozesse gezeigt. Das System analysiert E-Mails, Bilder und Dokumente und überträgt strukturierte Daten direkt ins AMS. Ein Sachbearbeiter benötigt normalerweise 15 Minuten für die Erstschadensaufnahme. Bei 100 Schäden pro Monat entstehen somit Kosten von 15.000 Euro pro Jahr.
Der Makler Matthias Kuch demonstrierte eine praktische Lösung für die telefonische Schadenaufnahme. Sein KI-Telefonbot, der die API von Assfinet verwendet, erfasst Schadenmeldungen auch bei umständlichen Kundenschilderungen und stellt nur fachlich relevante Nachfragen. Das System unterscheidet sich grundlegend von herkömmlichen Sprachautomaten, bei denen Kunden entnervt Schlagworte wie „Schaden melden” hineinrufen oder gleich frustriert auflegen. Die Lösung steht anderen Maklerkollegen zur Verfügung und kann ganz einfach per Griff zum Telefon getestet werden.
Unabhängigkeit versus Investorendruck
In der Podiumsdiskussion wurde die wachsende Abhängigkeit von investorengetriebenen Pools thematisiert. Hartmut Goebel kritisierte das „All-in-one-Shopping” großer Anbieter, das Makler technisch bindet. Auf die gravierenden Auswirkungen plötzlicher Verkäufe von MVP-Systemen wie Salia und FINASS auf Maklerunternehmen angesprochen, warnte Goebel vor dem Verlust der Unabhängigkeit: „Wenn der kulturelle Anker wegfällt, bezahlt man das mit Bindungseffekten.“
Michael Littig von teckpro wies auf die Gefahr überzogener Erwartungen an KI-Systeme hin: „Das, was aus KI rauskommt, wird qualitätstechnisch wesentlich kritischer betrachtet als das, was von Menschen kommt.“ Er betonte, dass eine perfekte Automatisierung in komplexen Beratungssituationen noch nicht möglich sei, da immer wieder Fälle auftreten, die menschliche Expertise erfordern.
Der BiPRO-Hub soll Datenprobleme lösen
Frank Schrills, Präsident des BiPRO e. V., kündigte den BiPRO-Hub als zentrale Lösung für Datenqualitätsprobleme an. Der Knotenpunkt soll hochwertige BiPRO-Daten zwischen Produktgebern und Maklern vermitteln. „In fünf Jahren werden wir wirklich große Schritte weiter sein“, prognostizierte Schrills. Über 20 Initiatoren, darunter namhafte Versicherer, unterstützen bereits das Projekt.
Die Diskussion um FIDA (Financial Data Access) zeigte unterschiedliche Meinungen. Während Rindermann darin eine Chance für Makler sieht, schneller an Kundendaten zu gelangen, betrachten Versicherer die EU-Verordnung eher skeptisch. Schrills hingegen betrachtet FIDA als Möglichkeit, die Branche gegenüber Big-Tech-Unternehmen zu stärken.
Prozesse wichtiger als Technologie
Tim Schrills' zentrale Botschaft kann als Fazit dieser Informationsveranstaltung für alle Makler, nicht nur für acturis-Kunden, genommen werden. Makler müssen bei konkreten Problemen ansetzen, nicht bei der Technologie. „Der entscheidende Punkt ist, dass man mit einem Problem anfängt und dann schaut, wie Technik dieses Problem löst.” Nur so entstehe nachhaltiger Nutzen durch praktische Maklerprozesse im Bürobetrieb. (dvb / -el / www.bocquel-news.de)
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