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Konzepte und Kriterien

Solvency II in Reichweite - EIOPA nennt Leitlinien

30. September 2013 - Schrittchenweise rückt Solvency II in Reichweite. Die europäische Aufsichtsbehörde für Versicherungen EIOPA veröffentlicht jetzt Leitlinien zur Vorbereitung. Thorsten Henkel von Towers Watson zieht ein erstes Fazit dazu, was auf die Versicherer zukommt.

Thorsten Henkel Die europäische Aufsichtsbehörde für Versicherungen EIOPA (European Insurance and Occupational Pensions Authority - https://eiopa.europa.eu) hat jetzt die Leitlinien für die Teileinführung von „Solvency II" veröffentlicht, die wohl auch in deutsches Recht umgesetzt werden müssen. Nach dem "Comply or Explain"-Prinzip wird sich die deutsche Aufsichtsbehörde BaFin (www.bafin.de) zu jeder Leitlinie äußern müssen, ob sie diese in Deutschland umsetzen wird oder nicht. Falls letzteres gilt, wird die BaFin erläutern müssen, wieso sie dieser Meinung ist. „Durch die EIOPA-Leitlinien wird die Messlatte für das Risikomanagement spürbar erhöht, auch wenn formal zunächst keine aufsichtsrechtlichen Konsequenzen drohen", sagt Thorsten Henkel (Foto: Towers Watson), Consultant der internationalen Unternehmensberatung Towers Watson (www.towerswatson.com/de-AT/).

Die Herausforderungen, oft technischer Natur, seien groß, aber den Versicherern bleibe zur Umsetzung vergleichsweise wenig Zeit. Thorsten Henkel fügt hinzu, dass gerade die Bedeutung des ORSA (Own Risk and Solvency Assessment) für die Unternehmen oft noch unterschätzt werde. (Anmerkung: Das sogenannte Own Risk and Solvency Assessment ist ein wesentlicher Bestandteil des Governance-Systems der Versicherungsunternehmen. Dabei sollen Versicherer regelmäßig ihre unternehmenseigene Risiko- und Solvabilitäts-Situation beurteilen).

Trügerische Unverbindlichkeit
Die Fragen sind laut Thomas Henkel berechtigt: Welchen Mehrwert soll die Implementierung der Leitlinien für das Risikomanagement bringen, wenn bislang entscheidende Fragen zur Kapitalhinterlegung bei klassischen Lebensversicherungs-Produkten noch nicht endgültig geklärt sind? Wieso sollte es nicht ausreichen, mit geringem Aufwand zu starten und dann sukzessiv die Qualität zu verbessern, wenn doch zunächst ohnehin keine aufsichtsrechtlichen Konsequenzen zu befürchten sind?

MaRisk
Die Mindestanforderungen an das Risikomanagement, abgekürzt MaRisk, sind Verwaltungsanweisungen, die mit einem Rundschreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (www.bafin.de) für die Ausgestaltung des Risikomanagements veröffentlicht wurden. Es handelt sich bei ihnen (ihrer Rechtsnatur) um sogenannte normeninterpretierende Verwaltungsvorschriften, die eine Selbstbindung der deutschen Aufsicht gegenüber Finanzinstituten beziehungsweise Versicherungsgesellschaften darstellen.

Die Messlatte der BaFin an das Risikomanagement werde spürbar höher sein als vor Umsetzung der Leitlinien, heißt es. Die Versicherer müssen nämlich jetzt die Auswirkungen der neuen Anforderungen in ihre Projektpläne einarbeiten und entsprechende Prioritäten setzen. Bei der Umsetzung der Governance-Anforderungen sind den Angaben zufolge viele Gesellschaften in ihren Vorbereitungen dank der 2009 eingeführten MaRisk schon weit vorangeschritten. Dies gelte in abgeschwächter Form auch für die Umsetzung der Berichterstattungs-Leitlinien, wobei manchmal noch an der Robustheit der Ergebnisse gearbeitet werden müsse. Aufholbedarf bestehe vor allem bei den Anforderungen des ORSA:

  • Einschätzung des aktuellen ökonomischen Kapitalbedarfs,
  • Abweichung des eigenen Risikoprofils von den Annahmen, die der aufsichtsrechtlichen Kapitalanforderung zugrunde liegen („Angemessenheit der Standardformel"),
  • Beurteilung der zukünftigen Solvabilität mit Szenariorechnungen und Analyse und Bewertung von Kapitalmanagementoptionen.

Der ORSA soll mittelfristig bei einigen Gesellschaften zu weitreichenden Konsequenzen führen, wenn beispielsweise der ökonomische Kapitalbedarf sogar noch höher sein sollte als derjenige nach Säule 1, oder einfach durch Erkenntnisgewinne anhand der Geschäftsplanung auf Basis von risikoorientierten, ökonomischen Kennzahlen anstelle von Solvency I.

Angemessenheit der Standardformel
Die meisten Gesellschaften planen, für die aufsichtsrechtliche Kapitalanforderung mit der „Standardformel" zu rechnen, erklärt Thorsten Henkel. Der Begriff „Standardformel" sei jedoch trügerisch. Gesellschaften müssten dennoch hingehen und deren Angemessenheit prüfen und gegebenenfalls bei stark abweichendem Risikoprofil an einzelnen Stellen eine andere Kalibrierung oder eine eigene Methode entwickeln. Damit sei die Standardformel nicht einfach der „Default", welcher nicht weiter hinterfragt werden sollte. „Es wird spannend, welches Anspruchsdenken die Aufsicht bei dem Thema an den Tag legen wird", sagt Thorsten Henkel.

Leitlinien: Messlatte für eine Zukunft mit Solvency II
Der Experte für Solvency II bei der internationalen Unternehmensberatung Towers Watson zieht folgendes Fazit: „Mit den Leitlinien ist die Messlatte für eine Zukunft mit Solvency II gelegt. Eine europaweit konsistente Vorbereitung auf das Mammutprojekt ist sichergestellt. Die wichtigsten Aspekte des prinzipien- und risikobasierten Aufsichtssystems müssen nun in den Unternehmen gelebt werden. Doch die Versicherer plagt noch die derzeitige Unsicherheit, wie streng die Aufsicht die Leitlinien in ihren Prüfungen auslegen wird und welche Maßnahmen hinsichtlich klassischer Lebensversicherungsprodukte auf politischer Ebene ergriffen werden beziehungsweise mit welchen Zwischenlösungen hier gearbeitet werden soll. Abhängig von den Entscheidungen hierzu kann die Bedeutung des ORSA sogar noch weiter steigen, während die Säule 1 zu einer reinen Compliance-Übung verkommen könnte." (eb / www.bocquel-news.de)

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