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Sicherheit und Risiko verändern sich grundlegend

24. November 2016 - „An der Schnittstelle zwischen Risiko und Sicherheit“ lautete das Motto des Versicherungstages 2016. Die Branche hielt sich den Spiegel vor, denn Risiken wandeln sich, werden komplexer und globaler. „Das betrifft nicht weniger als das Kerngeschäft von Versicherern“, sagte der GDV-Präsident und forderte zum Dialog auf.

„Unsere Aufgabe ist es, Gefahren zu sehen und zu kalkulieren“, sagte GDV-Präsident Alexander Erdland gestern beim Versicherungstag 2016 in Berlin. „Wir sind keine Angstmacher“, sagte der frisch wiedergewählte Präsident. Die Branche sollte vielmehr als Mutmacher verstanden werden. „An der Schnittstelle zwischen Risiko und Sicherheit“ lautete das Tagungsmotto. Erdland erlaubte sich eine stufenweise Abwägung der Risiken. Als eines "der angeblich großen Risiken, die in Wirklichkeit gar nicht so groß sind" bezeichnete Erdland die drohende Zunahme der Altersarmut in Deutschland. Hierzulande nehmen 3 Prozent der Rentner die Grundsicherung in Anspruch. Wenn man bedenke, dass ein Rentnerhaushalt mit zwei Personen im Durchschnitt monatlich über 2.500 Euro zur Verfügung habe, könne man nicht von drohender Altersarmut sprechen. „Wir wollten vielmehr darüber sprechen, dass wir nicht unserer Jugend mit zu großen Lasten die Zukunft erschweren".

Zu den ganz alltäglichen Risiken, die die Menschen hierzulande umtreiben, gehören vielmehr echte Ängste - beispielsweise vor Einbruch und Diebstahl. Erdland: „In der Wahrnehmung der Menschen nimmt sie eine ebenso große Bedeutung ein wie die Sorge vor Altersarmut.“ Aber die Menschen in Deutschland machen sich auch zunehmend Sorgen um die innere Sicherheit und empfinden eine wachsende Angst vor Terroranschlägen. Damit zitierte Erdland eine aktuelle Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach, die der GDV Gesamtverband im Rahmen des Versicherungstages 2016 vorstellte.

Was die wie die Sorge vor Altersarmut betreffe, biete die Versicherungswirtschaft mit den Angeboten zur privaten Altersvorsorge eine Vielfalt an Mutmachern an. „Gerade vor diesem Hintergrund weisen wir die pauschale Verunglimpfung der Riester-Rente zurück“, sagte Erdland. „Riester kann mehr als Viele annehmen“, darin seien sich Versicherungswirtschaft und die Bundesregierung erfreulicherweise einig. „Wir weisen pauschale Verunglimpfungen massiv zurück." Das verunsichere nur die Versicherungskunden, die inzwischen insgesamt rund 16 Millionen Riester-Verträge abgeschlossen haben.

Erdland begrüßte auch die Pläne der Regierung zur Reform der betrieblichen Altersversorgung (bAV), die noch in dieser Legislaturperiode realisiert werden soll, sprach sich aber in diesem Zusammenhang vehement gegen das geplante Verbot von Garantien bei neuen bAV-Lösungen aus. Das sei falsch. Vielmehr sollte dem Versicherungsnehmer erlaubt werden, selbst zu entscheiden, ob er eine Form der Garantie im Sinne einer Mindestrente wolle oder nicht und damit mehr Risiko gehen wolle.

„Die Zins-Entwicklung in Verbindung mit nachlassender Finanzdisziplin in vielen Ländern halte ich für eines der großen, unterschätzten Risiken“, sagte der GDV-Präsident. „Hierdurch gefährden wir die Finanzstabilität und die Struktur unserer Altersvorsorgesysteme". Die Versicherer, insbesondere die Lebensversicherer, tun sich wegen der Niedrigzinsen immer schwerer, ihre riesigen Kundengelder noch rentabel anzulegen.

„Die Risikolandschaft wird sich grundlegend verändern. Doch trotz aller Risiken – es ist eine Zeit mit ungeheuren Chancen“, sagte Professor Klaus Schwab, der als Gastredner über die „Einschätzung zur Sicherheit der Welt“ mit einer neuen Risikomatrix vorstellte. Prof. Schwab, Gründer und Präsident des seit 1971 alljährlich in Davos stattfindenden Weltwirtschaftsforums, sieht in der Veränderungsgeschwindigkeit der heutigen Zeit die größte Verunsicherung vieler Menschen. Er appellierte an die Solidarität untereinander. „Die Welt ist noch viel zu sehr krisenbesorgt, um zukunftsgestaltend wirken zu können“, sagte der 78-jährige Wirtschaftswissenschaftler, der den Zuhörern mit einfachen Wochen die Herausforderung sowie hochkomplexen Zusammenhänge und Risikoängste aufzeigte, die die „Vierte Industrielle Revolution“ darstelle. Er zitierte aus dem kürzlich verfassten gleichnamigen Buch: „Die grundlegenden Veränderungen, die sich auf Wirtschaft, Gesellschaft und Politik auswirken, sind vorhanden, selbst wenn der Prozess der Globalisierung an sich umgekehrt werden könnte.“ Die Realität der Disruption und ihre unvermeidlichen Auswirkungen würden nicht bedeuten, dass „wir ihr ohnmächtig ausgeliefert sind“. Es erfordere vielmehr einen verbindlichen Wertekanon, den man auch hierzulande definieren müsse, „an dem sich unsere politischen Entscheidungen orientieren sollten“.

Die Vierte Industrielle Revolution kann sich laut Professor Schwab für die Menschheit als Fluch oder Segen erweisen. Sie habe das Potential, „uns zu roboterisieren und so unsere traditionellen Sinnquellen infrage zu stellen“. Damit sprach Schwab Arbeit, Gemeinschaft, Familie und Identität an. Diese Revolution habe aber auch das Potential, die Menschheit auf eine neue kollektive moralische Bewusstseinsstufe zu heben, die auf der Erkenntnis eines gemeinsamen Schicksals aller beruhe. „Es liegt an uns allen sicherzustellen, das Letzteres geschieht.“

Bei allen Sciencefiction-Szenarien mit Roboter-Computern stehe die Menschheit vor einer Renaissance. Das heißt, dass die Menschheit wieder „humanisiert“ werden müsse. „Wir brauchen wieder mehr Leute, die sich mehr um andre kümmern. Darin liegt unsere Zukunft.“

Schwabs Ausführungen boten die Basis für die anschließende Podiumsdiskussion, an der neben ihm auch die Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach. Prof. Renate Köcher, sowie Dr. Nikolaus von Bomhard, Vorsitzender des Vorstands der Munich Re teilnahm. Besorgnis und Risikobewusstsein sind in den letzten Jahren ständig gewachsen, ohne dass sich das die meisten Leute gegenseitig eingestehen wollen. Die Chefin des Allensbachs-Instituts griff das Thema Risiko hier erneut auf und verwies auf die Sorgen der Deutschen, die zugeben, dass generell hierzulande „eine ängstliche Stimmung“ herrscht.

Laut dem aktuellen Umfrageergebnis sorgen sich inzwischen 60 (im vergangenen Jahr waren es noch 54) Prozent der Bevölkerung, dass sie ihren Lebensstandard im Alter nicht halten könnten. 40 (2015: 37) Prozent der Befragten müssten befürchten, dass ihr Einkommen und der eigene Lebensstandard sinken werden. Die Angst bestohlen zu werden oder zu Hause Opfer von Einbrechern zu werden steht jedoch mit 50 bis 60 Prozent weitaus höher in der Angstskala. 

„Die Risiken sind da, entscheidend ist, wie wir damit umgehen“, sagte Nikolaus vom Bomhard. Die Versicherungswirtschaft hat längst in allen Bereichen Riskmanager. „Risikomanagement würde der Politik zweifellos auch gut tun“, sagte der Chef des weltweit größten Rückversicherers.

Schließlich kam Umweltministerin Barbara Hendricks „auf die Schnelle“ zum GDV-Versicherungstag. Sie unterbrach extra dafür eine Sitzung. Sie warb um eine klimafreundliche Anlagepolitik der Versicherer. Sie hatte kürzlich erst am UN-Klimagipfel in Marrakesch teilgenommen, erinnerte in diesem Zusammenhang an die Erkenntnis, dass ein Großteil der fossilen Brennstoffvorkommen im Boden bleiben müssten

Um aber die Klimaziele zu erreichen, drohe den in diesem Bereich tätigen Unternehmen ein großer Wertverlust. Noch spüre man davon an den Börsen nichts. Aber die Folgen seien absehbar.

Die Assekuranz sollte im Übrigen auch die Herausforderung für den Anspruch auf Versicherungen in den armen Ländern sehen. Es habe sich da auch schon Einiges getan. Doch die Versicherer müssten hier noch viel mehr Ziellösungen anbieten. Die Versicherer könnten laut Aufruf der Umweltministerin durch die Finanzierung klimaneutraler Energieprojekte zur Erreichung der Klimaziele beitragen. „Das entsprechende Investitionsvolumen ist enorm.“

So wurden alle Themenbereiche wie Klimawandel, Alterung der Bevölkerung, Massenmigration und Digitalisierung mehr oder weniger tiefschürfend abgehandelt. Es blieb genügend Diskussionsstoff für die anschließenden Gespräche. (-el / Fotos E. Bocquel und M. Loth / www.bocquel-news.de)

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