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Rürup: Alterssicherung dringend nachjustieren

4. November 2013 - Rentenpapst Bert Rürup empfiehlt Politikern, mehr für die betriebliche Altersvorsorge (bAV) zu wagen. Im Vergleich zur individuellen Vorsorgeform seien kollektive Systeme billiger und effizienter, sagt der frühere Wirtschaftsweise in einem Video-Interview.

Heribert Karch und Bernd RürupZu einer Umsteuerung der Renten-Politik fordert Renten-Experte Bert Rürup die Politiker in Berlin auf. Seinen Vorstellungen zufolge sollten Betriebsrenten ein stärkeres Gewicht erhalten. Heribert Karch (Screenshot/Bildschirmfoto rechts: www.metallrente.de), der Geschäftsführer der MetallRente GmbH sprach in der „Gesprächsreihe mit Menschen, die uns etwas zu sagen haben" mit dem Wissenschaftler Bert Rürup (links). Rürup, früherer Wirtschaftsweise und renommierter Ökonom gilt auch als „Erfinder" der Basis-Rente, die im Volksmund längst nach ihm „Rürup-Rente" genannt wird. In dem Video-Interview mit wollte der MetallRente-Geschäftsführer es wissen: Wie steht es um die Zukunft der Renten und vor allem der Betriebsrenten?

Bert Rürup, der in dieser Woche 70 Jahre alt wird, bleibt im MetallRente-Interview keine Antwort schuldig: Im Vergleich zu individuellen Vorsorgeformen seien kollektive Systeme billiger und effizienter, so der frühere Wirtschaftsweise, der sich außerdem für eine höhere Verbindlichkeit der betrieblichen Altersversorgung aussprach. Die Leistungsrücknahmen bei der gesetzlichen Rente würden nach Lage der Dinge nur unzureichend durch die freiwillige Vorsorge à la Riester kompensiert. "Wenn man für die zukünftigen Generationen ein vernünftiges mischfinanziertes Alterssicherungsniveau haben will, muss man den Verbreitungsgrad der kapitalgedeckten Zusatzversorgung erhöhen", sagt Rürup eindringlich.

Die Reform von 2004, die auch die Einführung der vollen Belastung der Betriebsrenten mit Kranken- und Pflegeversicherungs-Beiträgen brachte, sei das "Ergebnis einer Notoperation in einer misslichen Finanzlagelage der gesetzlichen Krankenversicherung", sagt Rürup im Rückblick. Nachbesserungen wären deshalb angemessen. Anbieten würde sich nach seiner Einschätzung der von den Arbeitnehmern und Rentnern zu zahlende Anteil am Gesamtbeitrag.

Nachjustierungen im deutschen System der Alterssicherung erforderlich
Rürup hält Nachjustierungen im deutschen System der Alterssicherung für erforderlich, eine "Total-Reform" jedoch für ausgeschlossen. Wollte man zum Beispiel - ungeachtet verfassungsrechtlicher Probleme - die Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen, "müsste man etwa 60 Jahre zwei Systeme parallel finanzieren, und dieses problème de passage, dieses Übergangsproblem, ist noch nie gelöst worden", erklärt der Wissenschaftler. Da es eine "Big Bang-Reform" nicht geben könne, müsse man immer nachsteuern, was leider auch zu Inkonsistenzen führen könne. „Wir lebten ‚in einer seit vielen Jahren verrechtlichen Welt', die man nicht nach Belieben umkrempeln könne, so dass man sich Anpassungsproblemen stellen müsse, so Rürup.

Das gesetzliche System armutsfest machen
Vordringlich solle die Politik "das gesetzliche System armutsfest machen, damit jeder, der langjährig Beiträge gezahlt hat, die Gewissheit haben kann, im Alter nicht auf die Fürsorge angewiesen zu sein", fordert Rürup. Dann würde die gesetzliche Rentenversicherung für Geringverdiener attraktiver und sie hätten auch "einen größeren Anreiz" selbst vorzusorgen. Sie müssten dann nicht mehr fürchten, "dass ihre individuelle Vorsorge wie ihre gesetzliche Rente auf die Grundsicherung angerechnet wird".

Arbeitgeberfinanzierte bAV als Instrument unternehmerischer Personalpolitik
Hinsichtlich der notwendigen kapitalgedeckten Ergänzung der gesetzlichen Rente würde er "gerne die Koordinaten mehr zur Betriebsrente hin verschieben". Der Staat könne das jedoch nicht verordnen, weil dies einem Eingriff in die Tarif-Autonomie gleichkäme. Rürup zeigt sich aber davon überzeugt, dass man einen höheren Abdeckungsgrad erreichen könne, wenn sich die Tarif-Vertragsparteien verstärkt diesem Thema widmen. Rürup hofft, so sagt er gegenüber Heribert Karch, dass die neue Bundesregierung sich ebenfalls in diese Richtung bewegen werde. Zudem rechnet der Ökonom mit einer Renaissance der arbeitgeberfinanzierten bAV als Instrument der unternehmerischen Personalpolitik.

Zwei Drittel Umlagerente zu einem Drittel kapitalgedeckte Zusatzversorgung
Soll eine Altersversorgung in etwa den im Erwerbsleben gewohnten Lebensstandard gewährleisten, mache eine Mischung von Umlagefinanzierung und Kapitaldeckung Sinn, so das Fazit des Rentenpapstes. Das "richtige" Verhältnis gäbe es nicht. Er persönlich hält "ein Verhältnis von etwa zwei Drittel Umlagerente zu einem Drittel kapitalgedeckte Zusatzversorgung für eine vernünftige Relation". Der größere Anteil solle in jedem Fall bei der gesetzlichen Rente liegen, weil diese - anders als die kapitalgedeckten Systeme - eine Reihe von Ausgleichs- und Solidaritätselementen besitze.

Das vollständige Video-Interview aus der Gesprächsreihe "Auf den Punkt. Karch fragt nach" ist unter www.metallrente.de online abgebildet.

Vorsicht vor Griff in die Rentenkasse
Auch gegenüber anderen Medien mischte sich Bert Rürup wieder in die öffentliche Renten-Diskussion ein. Gegenüber dem Hamburger Abendblatt (www.abendblatt.de) warnt er „vor dem Griff in die Rentenkasse". Er befürchte, dass neue Leistungen nicht mehr über Steuern finanziert werden könnten. Man laufe Gefahr, dass wegen der Milliarden-Reserven die Renten steigen und die Beiträge sinken könnten. Was sich momentan gut anhöre, sei aber voller Sprengstoff. Die zukünftigen Rentner hätten sich möglicherweise im Leben zu sehr eingeschränkt und gespart. Wenn dann aber die Reserven der staatlichen Rentenversicherer schrumpfen und zu gering werden, müsste der Bürger im Alter eventuell wieder für den Lebensunterhalt arbeiten. „So funktioniert Sparen fürs Alter im Prinzip noch heute", sagt Rürup.

"Inzwischen hat es sich gezeigt, dass es ein Fehler war, bei der Riester-Rente auf die Freiwilligkeit eines Abschlusses zu setzen. Wenn durch kapitalgedeckte Renten, seien sie privat oder betrieblich, Leistungsrücknahmen der gesetzlichen Rente ersetzt werden sollen, muss eine solche Ergänzung genauso obligatorisch sein wie die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung." Eine Riester-Pflicht habe der damalige Arbeitsminister tatsächlich gewollt. Es sei aber nicht durchsetzbar gewesen. Rürup: "Länder wie die Schweiz, die Niederlande und Schweden zeigen, wie das geht."

Handelsblatt Research Institute Längere Zeit hörte man weniger vom Rentenpapst Bert Rürup. Nun mischt er sich wieder kräftig ein. Er ist Mitglied in mehreren wissenschaftlichen Vereinigungen und Gutachter für mehrere wissenschaftliche Zeitungen. Seit Beginn diesen Jahres ist er übrigens auch Präsident des HRI Handelsblatt Research Institute (Screenshot - http://research.handelsblatt.com), das eigenen Angaben zufolge als unabhängiges wissenschaftliches Kompetenz- und Research-Center der Verlagsgruppe Handelsblatt aktiv ist. Rürup war erst Ende 2012 aus der mit dem früheren AWD-Gründer Carsten Maschmeyer 2010 gemeinsam gegründeten MaschmeyerRürup AG ausgeschieden ist. Jetzt wolle er beim HRI „wissenschaftliche Expertise und journalistisches Können" verbinden." Für beide Herausforderungen gelte es neue Lösungen in Information zum Verständnis der Bevölkerung zu finden. (eb / www.bocquel-news.de)

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