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Rechtsreport macht klar: Gerichte sind überlastet

28. Februar 2023 - Hierzulande vertraut der Großteil der Bürger*innen den Gesetzen und Gerichten. Allerdings halten 75 Prozent der Bevölkerung die deutschen Gerichte für überlastet. Aus dem neuen Rechtsreport 2023 von Roland Rechtsschutz geht außerdem hervor, dass 80 Prozent die lange Dauer von Gerichtsverfahren scharf kritisieren.

Grundsätzlich haben die Bürger*innen in Vertrauen in das deutsche Rechtssystem. So zeigt der Rechtsreport 2023 von Roland Rechtsschutz (www.roland-rechtsschutz.de): 70 Prozent der Bürger*innen haben sehr viel oder ziemlich viel Vertrauen in die Gesetze, 69 Prozent in die Gerichte. Aber: Sie äußern auch deutliche Kritik.

Drei Viertel der Befragten halten die deutschen Gerichte für überlastet und deutliche 80 Prozent kritisieren die lange Dauer von Gerichtsverfahren. „Zudem haben sich die Probleme in der Wahrnehmung der Bevölkerung verschärft, denn vor zehn Jahren lagen die Werte hier noch bei 64 beziehungsweise 77 Prozent", sagt Dr. Ulrich Eberhardt, Vorstand von Roland Rechtsschutz.

Weiterhin bemängeln die Bürger*innen eine uneinheitliche Rechtsprechung und dass die Gesetze zu kompliziert und schwer zu verstehen sind. Über die Hälfte (59 Prozent) ist zudem der Meinung, dass man seine Chancen auf ein günstiges Gerichtsurteil erhöht, wenn man sich einen bekannten Anwalt leisten kann.

Immer weniger Menschen ziehen vor Gericht
Den Weg vor Gericht schlagen jedoch mittlerweile deutlich weniger Menschen ein: Im Roland Rechtsreport 2023 geben 22 Prozent der Befragten an, in den letzten zehn Jahren als Zeug*in, Kläger*in oder Beklagte*r an einem Gerichtsprozess beteiligt gewesen zu sein. Zwischen 2011 und 2015 waren es noch 29 Prozent.

„Ein möglicher Grund für diese rückläufige Tendenz ist die Sorge vor hohen Verfahrens- und auch Anwaltskosten", sagt Roland-Vorstand Dr. Ulrich Eberhardt. So sind bei einer mittleren Schadenssumme von 600 Euro nur vier von zehn Bürger*innen gewillt, vor Gericht zu ziehen. 27 Prozent würden es wahrscheinlich nicht tun und 33 Prozent sind unentschieden. Interessanterweise zeigt die Studie, dass das Einkommen diese Entscheidung nicht beeinflusst. Hingegen ist die Unterstützung durch einen Rechtsschutz-Versicherer ein klarer Einflussfaktor: Während 47 Prozent der Personen mit einer Rechtsschutz-Versicherung bei einem Schaden von 600 Euro prozessieren würden, sind es bei den Menschen ohne Rechtsschutz-Versicherung nur 29 Prozent.

Justiz kritisiert eigene personelle und technische Ausstattung
Eine überlastete Justiz nehmen nicht nur die Bürger*innen wahr: Auch die Richter*innen und Staatsanwält*innen teilen diese Einschätzung. Zum dritten Mal nach 2013 und 2018 haben Roland Rechtsschutz und das Institut für Demoskopie Allensbach auch ein repräsentatives Meinungsbild dieser Gruppe ermittelt. Konkret halten 78 Prozent der Richter*innen und sogar 92 Prozent der Staatsanwält*innen ihre Dienststellen für personell schlecht ausgestattet. Die technische Ausstattung halten 67 Prozent für eher schlecht oder sehr schlecht. Und über die Hälfte der Richter*innen und 72 Prozent der Staatsanwält*innen haben dem eigenen Empfinden nach nicht genügend Zeit für ihre Rechtsfälle.

Neben der hohen Arbeitslast bemerken die Befragten auch strukturelle Risiken im Hinblick auf das deutsche Justizsystem: 67 Prozent sehen die Unabhängigkeit der Justiz in Gefahr, wenn in Deutschland - ähnlich wie in Ungarn oder Polen - eine Regierung ins Amt käme, die versuchen würde, ihre Unabhängigkeit einzuschränken. Nur knapp jede*r Dritte hält die Justizstrukturen hierzulande für widerstandsfähig gegen solche Angriffe. Im Gegensatz dazu sehen die Befragten in der medialen Berichterstattung und im öffentlichen Erwartungsdruck mehrheitlich keine große oder gar keine Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit.

Gesellschaftlicher Zusammenhalt wird immer schwächer
Worauf die mediale Berichterstattung hingegen einen Einfluss zu haben scheint, ist die allgemeine Wahrnehmung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. So zeigt der Roland Rechtsreport 2023 im Rahmen seines aktuellen Schwerpunktthemas: 65 Prozent der Bürger*innen halten den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft aktuell für schwach oder sehr schwach - lediglich 22 Prozent empfinden ihn als stark oder sehr stark. Der Eindruck, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt schwächer wird, hält bereits seit Jahren an, hat zuletzt jedoch an Dynamik gewonnen: Bewerteten 2016 58 Prozent und 2018 56 Prozent den Zusammenhalt als gering, sind es aktuell 65 Prozent.

Die zunehmende Polarisierung politischer Diskussionen - zum Beispiel während der Flüchtlingskrise oder Corona-Pandemie - hat anscheinend dazu beigetragen, dass drei Viertel der Befragten finden, dass die verbindenden Elemente in der Gesellschaft in den letzten Jahren abgenommen haben. "Hier haben wir schon im Roland-Rechtsreport 2022 erfahren, dass das hohe Tempo gesellschaftlicher Umbrüche durchaus mit einer Verringerung des Vertrauens in staatliche Institutionen und insbesondere solche, die Informationen bereitstellen, einhergeht. Diese Indikation scheint sich nun zu bestätigen", so Eberhardt weiter.

Nach den trennenden und unterscheidenden Elementen gefragt, nennen 71 Prozent die soziale Schicht, der man angehört, 70 Prozent Einkommen und Vermögen, 62 Prozent die Herkunft. Ebenfalls 62 Prozent finden, dass die Einstellung zu geflüchteten Personen und Zuwanderern die Menschen trennt sowie die politische Einstellung (60 Prozent). Während die soziale Schicht bzw. Besitz und Vermögen bereits seit vielen Jahren als trennende Faktoren empfunden werden, gilt dies erst seit 2015 für die politische Einstellung.

Zusätzlich halten die Befragten Maßnahmen, die zu mehr Gleichheit und weniger Diskriminierung beitragen sollen, oftmals für kontraproduktiv. So denken 51 Prozent, dass beispielsweise Antidiskriminierungsgesetze und eine gendergerechte Sprache eher Polarisierungen und Fragmentierungen in der Gesellschaft verstärken. (-ver / www.bocquel-news.de)

 

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