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Private Krankenversicherer richten sich neu aus

7. Dezember 2020 - Die Krankenversicherer kämpfen gegen steigende Krankheitskosten, Ungewissheit künftiger gesundheits-politischer Maßnahmen sowie Auswirkungen der Niedrigzinsphase auf die Beitragsentwicklung. Gleichzeitig gibt es techno-logische Innovationen mit mehr Möglichkeiten zur Effizienz und Kunden-Ausrichtung.

Die Mehrheit der privaten Krankenversicherer kann auf eine positive Geschäftsentwicklung zurückblicken. Doch das wird nicht so bleiben, sagen Experten. Neben schwerwiegenden Herausforderungen – wie steigende Krankheitskosten und künftig weiterhin unsicheren gesundheitspolitischer Maßnahmen – stellen sich die privaten Krankenversicherer (PKV) in Deutschland gleichzeitig technologische Innovationen, die immer mehr Möglichkeiten in puncto Kundenausrichtung und Effizienzsteigerung bieten können.

Die Digitalisierung hat sich auch im Bereich der PKV inzwischen als größter Veränderungstreiber etabliert – das zeigt die aktuelle Studie „PKV der Zukunft – Wo geht die Reise hin?“. Gemeinsam mit dem IVK Institut für Versicherungswissenschaft an der Universität zu Köln (https://ivk.uni-koeln.de/de/) und der Wiesbaden Business School (https://www.hs-rm.de/de) hat Deloitte (https://www2.deloitte.com/de/de) die Vorstände von 16 privaten Versicherungsunternehmen zu ihrer aktuellen und zukünftigen Positionierung im Geschäftsumfeld befragt. Die Studienteilnehmer repräsentieren rund 70 Prozent der Bruttoprämien des deutschen PKV-Markts.

Zufriedene Sicht auf 2020 – Neugeschäft ist entscheidende Steuerungsgröße
Im Rückblick auf 2019 sind rund 94 Prozent der Befragten mit ihrer Geschäftsentwicklung zufrieden, ganze 38 Prozent zeigen sich sogar „sehr zufrieden“. Maßgeblich ausschlaggebend für diese Bewertung ist die positive Entwicklung des Neugeschäfts.

„Die Befragung hat gezeigt, dass für fast 70 Prozent der Unternehmen das Neugeschäft die wichtigste Steuerungsgröße für das Krankenversicherungsgeschäft ist – noch vor dem versicherungstechnischen Ergebnis und den Beitragseinnahmen“, sagt Stefanie Kampmann, Partnerin und Leiterin Insurance Consulting bei Deloitte. „Der Blick in die Zukunft ist indessen mit einer gewissen Unsicherheit behaftet“, sagt Stefanie Kampmann.

Demnach erwartet die Mehrheit der Befragten im Falle politischer Veränderungen starke Auswirkungen auf ihr Tätigkeitsfeld. Darunter fallen etwa mögliche Eingriffe in das PKV-Geschäftsmodell – wie die Einführung einer Bürgerversicherung – sowie Veränderungen im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherer.

Auf der Reise hin zur PKV der Zukunft sehen die Deloitte-Experten entscheidende Schritte:

  • Das Thema Digitalisierung hat für alle privaten Krankenversicherer strategische Bedeutung bei der zukünftigen Ausrichtung. Eine große Hürde bei der operativen Umsetzung stellen dabei Schnittstellen zu anderen Gesundheitsdienstleistern dar.
  • Differenzierungsfaktoren zum Wettbewerb sind vor allem Kundenservice und stabile Beiträge. Das Preisniveau selbst ist nur für ein Viertel der Unternehmen ein Differenzierungsmerkmal. Beim Differenzierungsfaktor Nachhaltigkeit gehen die Meinungen der privaten Krankenversicherer auseinander. 
  • Zusatzversicherungen haben im Produktangebot für die privaten Krankenversicherer das größte Wachstumspotenzial, aber auch die betriebliche Krankenversicherung (bKV) und die Krankenkostenvollversicherung bleiben Wachstumsfelder. Im Pflegeversicherungsbereich sehen die Unternehmen bei den Pflegezusatzprodukten, gekoppelt mit Assistance-Leistungen, den größten Wachstumsmotor.
  • Gesundheitsservices in Form von Managed Care und digitalen Gesundheitsangeboten werden bei vielen Krankenversicherern künftig verstärkt im Fokus stehen. Als Gesundheitsdienstleister sehen die Krankenversicherer ihr vorrangiges Ziel darin, die Versorgung der Kunden zu verbessern.
  • Um die Kundeninteraktion zu intensivieren, setzen die Unternehmen auf Vertriebsaktionen, fallinduzierte Ansprachen und das Angebot von Apps mit Zusatzservices zum Beispiel zur Verwaltung von Dokumenten oder Einreichung von Rechnungen. Die größten Herausforderungen beim Ausbau der Kundenschnittstelle sind die Gewährleistung der Benutzerfreundlichkeit, die Einhaltung der Datenschutzauflagen und die sich schnell und kontinuierlich verändernden Kundenerwartungen.
  • In vielen Unternehmensteilen werden Einspar- und Effizienzpotenziale durch Technologieeinsatz gesehen, doch es gibt auch einige Bereiche wie z.B. die Produktentwicklung, in denen Kreativität und menschliches Denken weiterhin gefragt bleiben. Die Nutzung von Cloud-Lösungen für die Auslagerung von Kernprozessen ist für den Großteil der Unternehmen noch ein Zukunftsthema.

Digitalisierung bewegt Marktumfeld und Betrieb
Den Trend zur Gesundheits-Apps, Online-Selbsttests oder digitale Gesundheitsakten erkennen auch die befragten Vorstände an: Mit einer Zustimmungs-Quote von 100 Prozent ist die Digitalisierung für sie mittelfristig der wichtigste Veränderungstreiber im Geschäftsumfeld der Krankenversicherer. Darüber hinaus hat die Digitalisierung für alle Teilnehmer auch auf lange Sicht eine strategische Bedeutung. 81 Prozent befinden sich bereits in der Umsetzung einer entsprechenden Digital-Strategie, während 19 Prozent angaben, dass sie derzeit eine Strategie erarbeiten.

Im Krankenversicherungsbetrieb sind sich die Teilnehmer weitgehend einig, dass durch digitale Technologien Einsparungen und Effizienzsteigerungen erzielt werden können. Ein Großteil der Befragten sieht hohes Potenzial für den Einsatz von KI und Robotics Process Automation (RPA) – sowohl in der Leistungsbearbeitung (94 Prozent) als auch in Tarifierung, Risikoprüfung und im Underwriting (69 Prozent). Demgegenüber überwiegen bei der Nutzung von Cloud-Lösungen für zahlreiche Versicherer noch Datenschutzbedenken.

Zusätzlich zum allgemeinen Digitalisierungstrend hat die Covid-19-Pandemie die Umsetzung bereits bestehender oder initiierter Digitalisierungsmaßnahmen deutlich vorangetrieben: Laut der Befragten hat die Pandemie sowohl die Digitalisierung von Prozessen (63 Prozent Zustimmung) als auch die der Kundenkommunikation (56 Prozent Zustimmung) beschleunigt. „Das betrifft beispielsweise digitale Arbeits- und Kollaborationsmodelle, den Auf- und Ausbau digitaler Gesundheitsangebote, aber auch die Überarbeitung der Ansprachekonzepte für einen noch zielgruppengerechteren Kundenservice“, erläutert Stefanie Kampmann.

Kundenausrichtung: Zusatzversicherungen mit hohem Potenzial

Das Gros der privaten Versicherer geht davon aus, dass sich der Wettbewerb zukünftig verschärfen wird, sei es zur gesetzlichen Krankenversicherung (82 Prozent) oder zur direkten PKV-Konkurrenz (69 Prozent). Welche Schwerpunkte wollen sie setzen, um auch zukünftig erfolgreich am Markt zu bestehen?

Produktseitig machen die Vorstände das größte Wachstumspotenzial einstimmig in der

  • Krankenzusatzversicherung aus (100 Prozent Zustimmung), gefolgt von der
  • bKV betrieblichen Krankenversicherung (81 Prozent Zustimmung).
  • In der klassischen Krankenkostenvollversicherung sehen 68 Prozent der Teilnehmer weiterhin ordentliche Wachstumschancen.
  • Im Segment der Pflegezusatzprodukte messen die Befragten der Pflegezusatzversicherung mit rund 88 Prozent Zustimmung die größten Potenziale bei – vor allem in Kombination mit Assistance-Leistungen und Pflegeserviceprodukten.

Digitale Gesundheitsprodukte auf dem Vormarsch
Nicht zuletzt zeigt sich schon jetzt, dass digitale Produkte und Services dazu beitragen können, die Kundenzufriedenheit und -gesundheit positiv zu beeinflussen. Die befragten Versicherer nennen Apps zur Therapieunterstützung (94 Prozent), Telemedizin (88 Prozent) und ePortale (81 Prozent) als vielversprechendste Angebote – die Mehrheit der Teilnehmer hat sie sogar bereits implementiert.

Zugleich gehen 94 Prozent davon aus, dass digitale Gesundheitsprodukte die Gesundheitskosten langfristig senken werden. Hierfür wollen die Unternehmen auch verstärkt auf die Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern, beispielsweise InsurTechs, Gesundheitsdienstleistern oder Vertriebspartnern, setzen. Dass es im gesamten Wettbewerbsumfeld zukünftig zu einem Anstieg von Kooperationen kommt, wird von sämtlichen Befragten (100 Prozent Zustimmung) bejaht.

Verbesserung der Gesundheitsversorgung und der Lebensqualität der Kunden
„Anstatt der reinen finanziellen Absicherung anfallender Krankheitskosten ist es zunehmend die Verbesserung der Gesundheitsversorgung und der Lebensqualität der Kunden, die das Zukunftsbild der privaten Versicherer prägt“, resümiert Stefanie Kampmann. „Aber auch wenn der Weg zum Gesundheitsdienstleister mit einem umfassenden Transformationsprozess verbunden ist, können bereits einzelne zielgerichtete Schritte in Sachen Kundenservice und Effizienz in naher Zukunft einen entscheidenden Unterschied am Markt ausmachen.“ (-el / www.bocquel-news.de)

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