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Konzepte und Kriterien

Kunstmarkt - keine Lobby! Und Kunstversicherungen?

23. April 2018 - „Wer versichert mir Geschichte?“ Provokant gefragt und professionell diskutiert. Zum 7. Kölner Kunstversicherungsgespräch bot Kunstversicherungsmakler Stephan Zilkens auf der Art Cologne am Freitag Fachleuten ein Forum, Hintergründe sowie Gesetzgebung in Sachen Raubkunst und Kunsthandel zu thematisieren.

Die Provenienz von Kunstwerken stellt nicht nur immer noch, sondern zunehmend stärker eine Herausforderung für die Branche und für Sammler dar. „Diese Branche hat keine Lobby“, sagte der promovierte Kunstgeschichtler und Versicherungsmakler Stephan Zilkens vor rund 200 Gästen auf dem Gelände der Art Cologne in Köln-Deutz. Der Kölner Kunstversicherungsmaklers Zilkens Fine Art (www.zilkensfineart.com) ließ Fachleute aus Versicherungswirtschaft und Kunsthandel zu Wort kommen - vor dem Hintergrund, dass die aktuelle und zukünftige Gesetzgebung den Kunsthandel zunehmend beeinflusst. Es ging um Kunstwerke aus der Sammlung Gurlitt, Stern und Flechtheim sowie Eigentumsfragen im privaten oder öffentlichen Bereich und die Kulturgutschutzgesetzgebung im In- und Ausland.

Dabei stellte sich heraus, dass schwer praktikable bis absurde rechtliche Regelungen der EU und Deutschlands zum Teil existenzbedrohende Behinderungen für den Handel darstellen, die vor allem Sammler in die Nähe zur Kriminalität rücken können. Wie Zilkens hervorhob, führten Unterschiede zum Rechtssystem der USA zu Unwägbarkeiten. Selbst bisher sicher geglaubte Formen des Eigentumserwerbs seien dadurch unberechenbar, wie aktuelle Fälle zeigten.

Dabei unternimmt der Handel bereits seit Jahren große Anstrengungen bei der Klärung von Provenienzen. Karin Schulze-Frieling von der Dortmunder Galerie Utermann, die gleichzeitig im Vorstand des Bundesverbandes Deutscher Galerien BVDG ist, erklärte das Vorgehen bei der Übernahme von Kunstwerken: Zunächst werde die Echtheit geprüft, anschließend der Wert ermittelt und ein Vertrag mit dem Eigentümer ausgearbeitet, der die Verkaufsmodalitäten regelt. Danach beginne die Provenienzforschung. Sie wies darauf hin, dass der Handel dazu sogar verpflichtet sei. Die 1.000 Werke, die bisher aus den Beständen des inzwischen verstorbenen Cornelius Gurlitt entdeckt wurden, seien alle vom Handel identifiziert worden.

Bekanntlich hatte die bayrische Staats-anwaltschaft im November 2013 die Kunstbestände von Cornelius Gurlitt (1932 bis 2014) beschlag-nahmt. Das öffentliche Aufsehen war groß, denn die 1.500 Kunstwerke, die der zurückgezogen lebende Sohn des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt (1895 bis 1956) von seinem Vater geerbt hatte, sind verdächtig: Handelt es sich um Raubkunst aus der Zeit der national-sozialistischen Gewaltherrschaft?  

Nach all den Kontroversen um Gurlitts Erbe und den noch vielen unerforschten Kunstwerken herrscht große Skepsis. Es gab viel Kritik an den deutschen Behörden wegen des Umgangs mit den Funden in München und Salzburg. Das alles sei sehr wenig effektiv und sehr intransparent gewesen, heißt es.

Galerien und 110 Auktionshäuser überprüfen ab vierstelligen Schätzpreisen
Beim 7. Kölner Kunstversicherungsgespräch ging Amelie Ebbinghaus von Art Loss Register in London auf die Art und Weise der Provenienzrecherche ein, zu der routinemäßig die Abfrage einschlägiger Datenbanken gehört, in denen Raubkunst und gestohlene Kunstwerke verzeichnet sind. Sie berichtete, dass neben Galerien mittlerweile 110 Auktionshäuser ihre Firma mit der Prüfung aller Lose schon ab niedrigen vierstelligen Schätzpreisen auf Provenienz überprüfen lassen. Sie nutzt dafür sowohl die eigene Datenbank wie auch die von Interpol, bei schwierigeren Fällen weitere Quellen wie die Datenbank Lost Art und ERR Project in Frankreich, sowie Auktionskataloge der unmittelbaren Nachkriegszeit. Sogenannte Red Flag Names, deren Zahl in die Tausende gehen, lösten automatisch intensivere Recherchen aus.

Karin Schulze-Frieling bemängelte, dass etwa die Datenbank Lost Art, quasi das Schwarze Brett für braune Kunst, benutzt werden müsse, aber offen für Missbrauch sei, da dort jeder alles eintragen und damit nicht handelbar machen kann. Das Art-Loss-Register hingegen will wissen, wer auf die eigenen Daten zugreift, um Missbrauch zu vermeiden und um bei positiven Treffern zu verhindern, dass die Werke wieder abtauchen, um erneut irgendwo angeboten zu werden.

Von Versicherer Seite gehörte Julia Barbara Ries von der Ergo-Kunstversicherung zum Experten-Team. Sie prüft in ihrem Arbeitsalltag ebenfalls Werke auf Provenienz und Echtheit, weil sie solche Risiken nicht versichern kann. Detailprovenienz-Forschung überlässt sie jedoch Spezialisten. Julia Barbara Ries machte deutlich, dass über eine Defective Title-Insurance Eigentumsansprüche Dritter unter Umständen gedeckt werden könnten, entweder als Rechtsschutzversicherung oder zumindest mit Erstattung des Kaufpreises, falls sich die Ansprüche als berechtigt erweisen. Diese Versicherung wird bei wenigen Anbietern für Neuankäufe in der Versicherungsperiode mit niedrigen Limiten im Privatbereich als Rechtschutz angeboten. Spezielle Title-Versicherungen aus dem anglo-amerikanischen Raum gingen weiter, etwa bei Restitutionen von Ausleihen.

„Zusätzliche Mittel für Provenienzforschung von 6 Millionen Euro sind lächerlich“
Der Sachbuchautor Maurice Philip Remy ging nochmals das Thema Gurlitt-Bestände auf. Er besteht darauf, dass der Holocaust aufgearbeitet wird, wies aber darauf hin, dass weniger als 0,1 der geprüften Werke tatsächlich raubkunstverdächtig seien. Die Verpflichtung zu handeln, sieht er jedoch hauptsächlich beim Staat. Er fragte, warum jüdische Opfer und deren Erben deutschen Museen gegenüber immer noch als Bittsteller auftreten müssen. Die gerade bewilligten zusätzlichen Mittel für Provenienzforschung von 6 Millionen Euro seien lächerlich, wenn man bedenke, dass die Erforschung der 1.500 Werke der Sammlung Gurlitt schon 3 Millionen Euro gekostet hat. Beim bisherigen Tempo würde die Überprüfung aller Museumsbestände 1.000 Jahre dauern.

Aufmerksamkeit von den eigenen Versäumnissen ablenken
Remy sagte, dass aus Privatbesitz überhaupt keine Handhabe für Restituierung bestehe. Lediglich Artikel 14 des Grundgesetzes ermöglicht demnach die Beschlagnahme im Sinne des öffentlichen Interesses. Das wolle aber niemand, als letzter der Finanzminister. Alle Initiativen des Gesetzgebers sollten daher nur die Aufmerksamkeit von den eigenen Versäumnissen ablenken und die Verantwortung an den Handel abwälzen.

Maurice Philip Remy betonte, dass es sich bei der Sammlung Gurlitt tatsächlich eine Ansammlung handele, die sich im Lauf von einem Jahrhundert in der Familie angehäuft hat.

Seiner Meinung nach hätte sie aufgrund des Kulturgutschutzgesetzes das Land überhaupt nicht verlassen dürfen, gar nicht mal wegen der Qualität, die in Teilen medioker sei, sondern wegen der Sammlungsgeschichte, die das Drama der deutschen Geschichte des 19. Und 20. Jahrhundert abbildet.

Es handele sich um eine Privatsammlung, die, egal, ob Raubkunst dabei ist oder nicht, auf gar keinen Fall hätte beschlagnahmt werden dürfen, weil sie nicht restitutionspflichtig ist, betonte Remy.

Amelie Ebbinghaus gab zu Bedenken, dass einvernehmliche Regelungen in der Regel besser funktionieren als Gerichtsverfahren, weil es in Prozessen immer einen Gewinner und einen Verlierer gebe und die Verfahren sich über Jahrzehnte hinziehen könnten. Karin Schulze-Frieling forderte, der Staat solle mit gutem Beispiel vorangehen, damit sich auch private Sammler animiert fühlen, zur Einigungen beizutragen.

In diesem Sinne äußerte sich auch der im Publikum anwesende Anwalt Markus H. Stötzel, der seit zehn Jahren die Erben des legendären Kunsthändlers Alfred Flechtheim vertritt. Die Politik könne sich zwar engagieren, müsse es aber nicht. „Es gibt keine gesetzliche Grundlage.“ Laut Stötzel liefen Restitutionen bisher von Privat auf moralischer Grundlage. „Das sollte der Gesetzgeber auf eine verbindliche Basis stellen“, fordert er und drückt damit den allgemeinen Konsens der Beteiligten aus. (eb-db / www.bocquel-news.de)

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