3. Februar 2014 - Wem gehören die Fahrzeugdaten? - Eine brisante Frage, mit der sich die Mehrzahl der 1.800 Teilnehmer beim 52. Verkehrsgerichtstag in Goslar auseinandersetzte. Auch bei der Podiumsdiskussionsrunde des Goslar Instituts schlug dieses Thema hohe Wellen.
Vor laufenden Kameras lieferten sich Experten einen Schlagabtausch zum Thema Datenerhalt und Datenmissbrauch im Auto: Fernseh-Moderatorin Carola Ferstl (Mitte) diskutierte mit Datenfachleuten wie Jürgen Bönninger, Reinhard Dankert, Dr. Thomas Funke, Matthias Knobloch und Dr. Uwe Thomas. Klaus-Jürgen Heitmann (2.v.l.) fürchtet „einen massiven Eingriff in die Märkte". (Foto: E. Bocquel)
Klare Regeln für Autodaten und einen besseren Schutz für Daten vom Autocomputer forderte der Präsident des 52. Verkehrsgerichtstags in Goslar, der am Freitag zu Ende ging. "Es gibt bisher keine gesetzlichen Regelungen zum Datenschutz, die für das Kraftfahrzeug passen", sagte Kay Nehm und gab damit auch das Stichwort für eine hochkarätig besetzte Expertenrunde des von der Huk-Coburg (www.huk.de) ins Leben gerufene Goslar Institut (www.goslar-institut.de). Die Studiengesellschaft für verbrauchergerechtes Versichern e.V. in Goslar - so lautet die offizielle Bezeichnung des Instituts - hatte in diesem Jahr ebenfalls alles rund um Autocomputer-Daten und Datenmissbrauch zum Hauptthema ihrer Podiumsdiskussion gemacht, die traditionsgemäß am ersten Abend des Verkehrsgerichtstags stattfand.
Datenmissbrauch - brandaktuelles Thema
Mit dem Datenmissbrauch - nicht erst seit der NSA-Affäre um den US-Geheimdienst ein brandaktuelles Thema - beschäftigten sich Juristen, Verkehrs-Experten, Gutachter, Versicherungs-Spezialisten und andere Fachleute während des 52. Verkehrsgerichtstags in Goslar. Wo bleibt der Datenschutz? Entwickelt sich der Datenmissbrauch aus den Elektronik-Tools, die aktuell zuhauf in Autos eingebaut sind, zur elektronischen Fessel? Passend dazu und brisant das Thema „Freiheit oder Freigang?" der Diskussionsrunde beim Goslar Institut.
Heutzutage sind in den Autos bis zu 80 Geräte eingebaut, die Daten erheben und den Kfz-Werkstätten liefern. Die Werkstätten wiederum könnten dadurch gezielt ihre Reparaturarbeiten am Fahrzeug erledigen.
Nun sind die Automobilhersteller meist genauso an diesen Daten interessiert wie letztlich die Versicherer, denn beide könnten damit ihre Produkte besser für den Verbraucher und Kunden maßschneidern. Aber wem gehören die Informationen? Grundsätzlich sollte der Kunde selbst wählen, wer die Daten bekommt, machte Huk-Coburg-Vorstandsmitglied Klaus-Jürgen Heitmann deutlich.
Gegen die Interessen der Automobilhersteller-Lobby
Das steht den Interessen der Automobilhersteller-Lobby entgegen. Bei den Herstellern wird argumentiert, dass für sie die umfassende und schnelle Information über Fahrbewegung, Panne oder Unfall aus Sicherheitsgründen wichtig sei. Automobil-Clubs und Versicherer möchten die Daten auch für neue Serviceangebote nutzen. Damit aber das Auto seinen Chauffeur nicht zum gläsernen Fahrer macht, sollte der Autofahrer auch vor allen anderen entscheiden können, was mit den Daten zu tun sei. „Es geht darum, dass Autofahrer selbst entscheiden, ob Daten fließen und wenn ja, wer die Daten bekommt. Das muss sichergestellt werden", sagte Klaus-Jürgen Heitmann immer wieder mit Nachdruck.
Das Thema Telematik-System ist für die Autoversicherer längst schon kein Fremdwort mehr. Die Branche sieht aber auch die Gefahr, die neben Sicherheitsaspekten große Probleme bringen könnte ("eCall - Versicherer sehen Vorteile und auch Risiken"). Wie vom GDV Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (www.gdv.de) zu erfahren war, plant die Assekuranz einen Feldversuch. Bei der R+V (www.ruv.de) gibt es bereits ein Pilot-Projekt zur Telematik und die DEVK (www.devk.de) will sich auch demnächst dafür öffnen. Erste „Pay-as-you-drive"-Tarife sind auf dem Markt, und Marktforscher sehen darin eine neue Möglichkeit für gerechte Kfz-Haftpflicht-Beiträge ("Zahle wie du fährst": Potenzial für Kfz-Tarife).
Doch die Fahrzeughalter stehen diesem neuen technischen Phänomen sehr kritisch gegenüber, wie eine neue Studie des Bitkom-Verbandes zeigt. Danach seien sieben von zehn Autofahrern hierzulande "Pay-as-you-Drive"-Versicherungen gegenüber äußerst skeptisch eingestellt. Als Grund nannten 41 Prozent, dass ihnen die Versicherung zu kompliziert erscheine. Weitere 17 Prozent der Studienteilnehmer bemängelten allerdings, dass man bei bisher in Deutschland üblichen Tarifen zu wenig sparen könne. Lediglich 11 Prozent der Befragten äußerten Ängste, weil mit „Pay-as-you-drive"-Tarifen alle Fahrdaten und somit auch sie selbst ausgespäht werden könnten. Andererseits ist den Angaben zufolge jeder elfte deutsche Autobesitzer bereit, künftig „Pay-as-you-drive"-Tarife abzuschließen.
„Aktuell gehen wir aufgrund der hohen Kosten für eine Telematikeinheit nicht davon aus, dass sich der Einsatz eines solchen Systems rechnet, weder für den Versicherungsnehmer noch für den Versicherer", sagte Klaus-Jürgen Heitmann (Foto 2.v.l.) n der Diskussionsrunde in Goslar. „Der Versicherer muss seinen Kunden klar und umfassend über den Zweck der Datenerhebung, -speicherung und -verarbeitung sowie über Löschungsregelungen informieren", betonte auch Reinhard Dankert (links im Foto: E: Bocquel). Als Landesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit Mecklenburg-Vorpommern verwies Dankert klar auf Vor- und Nachteile der Telematik-Systeme in Autos.
Beim Verkehrsgerichtstag in Goslar wurde in allen Arbeitskreisen eine klare rechtliche Regel zum Datenschutz im Auto gefordert. In sieben Arbeitskreisen ging es um versicherungsrelevante Themen wie "Schmerzensgeld", "Gesetzlich unfallversichert - Fluch oder Segen?" oder um die noch völlig ungeklärte Frage "Wem gehören die Fahrzeugdaten?".
Wichtige Anstöße für den Gesetzgeber
Das alljährliche Experten-Treffen verfüge zwar über keine gesetzgeberische Kompetenz, doch der Einfluss seiner auch in diesem Jahr wieder auf 1.800 geschätzten Teilnehmer auf die Entwicklung des Verkehrswesens und des Verkehrsrechts stehe außer Zweifel, heißt es. Die Empfehlungen des Kongresses gaben schon sehr häufig wichtige Anstöße für den Gesetzgeber. (eb-db / www.bocquel-news.de)
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