5. September 2013 - Die Zukunft von GKV und PKV liegt laut einer Publikation "Krankenversicherung der Zukunft" des Wissenschaftlichen Instituts der AOK nur im gemeinsamen Wettbewerbssystem. Auch Andere geben der Bürgerversicherung mancher Oppositionspolitiker keine Chance.
Die privat Krankenversicherten haben inzwischen im Durchschnitt weit mehr als doppelt so hohe Einkommen wie die gesetzlich Versicherten. Das wird in der neuen Publikation des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO - www.wido.de) zum Thema "Krankenversicherung der Zukunft" behauptet Gleichzeitig - so heißt es in der Studie weiter - könnten immer mehr Privatversicherte ihre steigenden Beiträge nicht mehr bezahlen, weil es für sie keinen funktionierenden Solidarausgleich gibt.
"Für die deutsche Krankenversicherung geht es nicht darum, die bestehende Dualität des Krankenversicherungssystems zu reformieren. Vielmehr müssen wir ein gemeinsames System schaffen, das gleichzeitig solidarisch und wettbewerblich ausgestaltet ist und allen Versicherten und Patienten gleichermaßen nutzt", sagt WIdO-Geschäftsführer Prof. Dr. Klaus Jacobs. "Das duale Krankenversicherungssystem in Deutschland mit einem Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung als eigenständige Systeme stößt an Grenzen", ergänzt der Wissenschaftler und WIdO-Geschäftsführer
PKV-Versicherte mit wesentlich höherem Einkommen
In der Veröffentlichung des Buches "Die Krankenversicherung der Zukunft", für das Professor Klaus Jacobs und Sabine Schulze als Herausgeber verantwortlich zeichnen, stützt Jacobs sich in seiner Aussage unter anderem auf eine Analyse sozio-ökonomischer Daten von Versicherten der PKV Privaten Krankenversicherung (www.pkv.de) und des Spitzenverbandes der GKV Gesetzlichen Krankenkassen (www.gkv-spitzenverband.de). Danach lag das durchschnittliche Jahreseinkommen der PKV-Versicherten 2010 bei knapp 47.000 Euro und damit weit mehr als doppelt so hoch wie bei den gesetzlich Versicherten mit weniger als rund 21.500 Euro.
Schlechte Zeiten für die Opposition?
„Es sind schlechte Zeiten für die gesundheitspolitischen Revolutionäre der Opposition: Die Menschen sind offenkundig zufrieden. Die angeblichen Vorteile der Bürgerversicherung gibt es nicht", heißt es in einem FAZ-Artikel wörtlich. Deshalb spiele Gesundheitspolitik in diesem Wahlkampf keine Rolle, was sich auch bis zum 22. September kaum ändern dürfte. Denn - steht es in der FAZ zu lesen: Die Menschen sind mit der aktuellen Lage offenkundig recht zufrieden. Der Blick über die Grenzen zeige, warum das so ist. Anders als in Nachbarstaaten gebe es hierzulande die freie Arzt- und Krankenhauswahl, auch keine Wartelisten für dringende Behandlungen. „Deutsche, die im Ausland erkranken, wollen zu Hause behandelt werden, Ausländer, die zu Hause erkranken, lassen sich gerne in Deutschland behandeln", schreibt FAZ-Redakteur Andreas Mihm. (...) „Eine Bürgerversicherung würde an Missständen nichts ändern
Ob das unausgesprochene Versprechen einer besseren Versorgung, das die Bürgerversicherung im Gepäck hat, aufgeht, lässt sich (....) bezweifeln. Warum sollten Ärzte und Krankenhäuser ihre Patienten ‚besser' behandeln, nur weil die Kassen ihre Beitragsgelder nach einem neuen System einsammeln? Eine Bürgerversicherung dürfte eher zu schlechterer Behandlung führen, weil es keine private Konkurrenz und damit keinen Wettbewerb mehr gibt. Warum sollten Kassen sich bei einheitlichen Vorgaben eigens um Kunden kümmern, die nicht mehr abwandern können? Warum sollte jemand den Anbieter wechseln, wenn er nicht auf bessere Versorgung hoffen würde?
Die Bürgerversicherung ist damit letztlich ein Konzept zur Einführung der von ihren Vordenkern beklagten „Zweiklassenmedizin". |
Schutzbedürftige Versicherte - jedoch keine Solidarität
Anders als in der GKV würden solche schutzbedürftigen Versicherten jedoch keine Solidarität innerhalb der PKV erfahren (Anmerkung der Redaktion: In der PKV gibt es längst sogenannte Basis-Tarife mit Prämienhöhen wie in der GKV sowie einem vergleichbaren Leistungskatalog). Prof. Dr. Klaus Jacobs: „Eine bevölkerungsweite Solidarität bei der Finanzierung des Krankenversicherungsschutzes gibt es wegen der Systemtrennung von GKV und PKV ebenfalls nicht." Und das, obwohl Versicherte aus beiden Systemen davon profitieren würden und obwohl das Prinzip der Einkommenssolidarität bei Versicherten beider Systemen große Wertschätzung genießt, wie eine Untersuchung des WIdO zeige. Danach halten fast 90 Prozent der gesetzlich Versicherten es ganz oder zumindest teilweise für richtig, dass Besserverdiener im Gesundheitssystem mehr bezahlen als Geringverdiener. Auch unter den Privatversicherten fällt die entsprechende Zustimmung mit mehr als 85 Prozent sehr hoch aus.
Antworten für zukunftsfähiges Krankenversicherungs-System
Neben Analysen wie diesen beschreiben die Autoren des Buches auch konkrete Lösungsansätze für ein zukunftsfähiges Krankenversicherungs-System. Klaus Jacobs zufolge müsse dieses drei zentrale Merkmale aufweisen:
- die solidarische Finanzierung eines umfassenden Leistungskatalogs,
- lebhaften Wettbewerb auf der Grundlage möglichst uneingeschränkter Wechselrechte aller Versicherten zu allen Versicherungen sowie
- wirksame Instrumente zur Steuerung der Gesundheitsversorgung im Hinblick auf Qualität und Wirtschaftlichkeit.
Bei einem Fortbestand der Dualität auf dem Krankenversicherungsmarkt könnten allerdings nicht alle drei Anforderungen erfolgreich erfüllt werden.
Die Konsequenz liegt für Jacobs klar auf der Hand: "Die Zukunft der Krankenversicherung in Deutschland liegt nicht darin, die bestehende Dualität des Krankenversicherungssystems zu reformieren. Vielmehr müssen wir ein gemeinsames System schaffen, das gleichzeitig solidarisch und wettbewerblich ausgestaltet ist und allen Versicherten sowie Patienten gleichermaßen nutzt."
Wohin eine wettbewerbliche Ausgestaltung der Versorgung im Interesse aller Versicherten und Patienten führen könnte, würde ein Blick in die benachbarte Schweiz zeigen. Dem Schweizer System wurde ebenfalls ein Beitrag der neuen WIdO-Publikation gewidmet. Dort gibt es den Angabren zufolge in der Krankenversicherung ein einheitliches Wettbewerbs-System für die ganze Bevölkerung. Mehr als die Hälfte der Versicherten (2012: 56 Prozent) sei mittlerweile freiwillig in unterschiedlich entwickelte Versorgungsmodelle eingeschrieben, die ausnahmslos Einsparerfolge nachweisen können.
Äußerst kleiner Teil der Bevölkerung verfügt über echte Wahloption
Dagegen könne bei dem "Systemwettbewerb" zwischen GKV und PKV in Deutschland keine Rede davon sein, dass es sich um einen sinnvollen Wettbewerb handelt, von dem alle Versicherten und Patienten profitieren. Nur ein äußerst kleiner Teil der Bevölkerung würde überhaupt über eine echte Wahloption verfügen, sagt Jacobs. Dabei handelt es sich den Angaben zufolge überwiegend um junge und gesunde Personen, die an Fragen der Gesundheits-Versorgung zumeist kein akutes Interesse haben. Wer aber alt und krank ist und womöglich unzufrieden mit den Leistungen seiner Krankenversicherung, könne in aller Regel keinen Versicherungswechsel mehr vollziehen - zurück in die GKV schon gar nicht. „Dieser untaugliche Wettbewerb konterkariert im Ergebnis alle Bemühungen zur flächendeckenden Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen und wirtschaftlichen Versorgung für die gesamte Bevölkerung und wirkt letztlich kontraproduktiv", urteilt der Wissenschaftler.
Zehn Beiträge von ausgewiesenen Experten
Die WIdO-Publikation "Die Krankenversicherung der Zukunft" umfasst insgesamt zehn Beiträge von ausgewiesenen Experten zu einer breiten Themenpalette: von den Präferenzen der Versicherten und der Analyse der "Dualität" zwischen GKV und PKV sowie von Schwachstellen im Geschäftsmodell der PKV über Perspektiven der solidarischen und nachhaltigen Finanzierung und der vertragswettbewerblichen Versorgungssteuerung bis hin zu Wettbewerbserfahrungen aus den Niederlanden und der Schweiz. (eb / www.bocquel-news.de)
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