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Konzepte und Kriterien

Erstmals KV-Unisex-Tarife auf den Prüfstand gestellt

28. Januar 2013 - Allen Unkenrufen zum Trotz: Bei den neuen Unisex-Tarifen in der privaten Krankenversicherung sei auch Positives zu berichten, heißt es in einer ersten Einschätzung der KVpro GmbH. Hier wurden 60 Tarife von 23 Gesellschaften auf den Prüfstand gestellt.

UNISEXDas Thema „Unisex-Tarife" bleibt weiter im Brennpunkt - vor allem auch bei den privaten Krankenversicherern. Ein erstes Resümee liefern Privat-Patienten, die wegen erhöhter Beiträge unzufrieden sind. Das liegt daran, dass seit dem 21. Dezember 2012 die Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei der Ausgestaltung von Versicherungs-Tarifen auch in der PKV Privaten Krankenversicherung (www.okv.de) verbindlich ist. Demnach dürfen Versicherte nicht mehr wegen ihres Geschlechts unterschiedlich behandelt werden.

Gerd GüsslerAlles „Unisex" in der neuen Tarifwelt, alles viel einfacher, viel klarer und - so mutmaßten einige Marktteilnehmer und Verbraucherschützer - im Zuge der ebenfalls von einigen Unternehmen vorgenommenen Absenkung des Rechnungszinses von 3,5 auf 2,75 Prozent, auch viel teurer? „Die Würfel sind hier noch nicht endgültig gefallen", sagt Gerd Güssler (Foto), Chef des Freiburger Unternehmens KVpro.de (www.kvpro.de). PKV-Experte und Marktanalyst Güssler hat die derzeitige Tarifentwicklungen in der PKV auf den Prüfstand gestellt. Demnach sei nach den ersten Wochen in der neuen Tarifwelt nur eines klar: Noch liegen keine verlässlichen Informationen und Daten vor, um definitive, konkrete Aussagen über die weiteren Entwicklungen, Auswirkungen und Folgen zu treffen, die die Einführung der „Unisex"-Tarife für Versicherte und Verbraucher mit sich bringen wird.

Die derzeit veröffentlichten Produktinformationen reichen laut Güssler für einen repräsentativen und vor allem belastbaren Produkt- oder Marktvergleich im für Neukunden gültigen Unisex-Markt der Krankenversicherungen heute noch nicht aus. Es gebe Versicherer, die mit einer Strategie der offenen, vertrauen stärkenden Kommunikation, Unisex und Rechnungszinsabsenkung umsetzten; dagegen würden andere damit noch warten.

Kvpro-Chef Güssler wagt eine erste grobe Standortbestimmung in Sachen Rechnungszins. Natürlich würden sich erste Erkenntnisse und Fakten über die generelle, grundsätzliche Ausrichtung der verschiedenen Versicherer feststellen lassen,  beispielsweise bei der Absenkung des Rechnungszinses von auf 2,75 Prozent für Neukunden = Unisexkäufer.

So ergab eine Erhebung von KVpro, dass 17 von 39 Gesellschaften den garantierten Rechnungszins auf 2,75 Prozent absenkten. Die Hallesche (www.hallesche.de) senkt sogar weiter auf 2,5 Prozent. Die Alte Oldenburger (www.alte-oldenburger.de) prüft eigenen Angaben zufolge noch, ob sie auf 2,9 oder 2,75 Prozent absenken soll. Güssler rechnet vor, dass jedes Zehntel Garantiezinsabsenkung dabei circa 1 Prozentpunkt mehr an Tarifbeitrag für den Verbraucher bedeute. Keine Angaben darüber, ob eine Zinsabsenkung erfolgt, machen die Axa (www.axa.de) und ihre Konzern-Tochter DBV (www.dbv.de), der Münchener Verein (www.muenchener-verein.de), die Central (www.central.de), die Gothaer (www.gothaer.de), HanseMerkur (www.hansemerkur.de) und LKH (www.lkh.de).

Für Güssler ist in diesem Zusammenhang wichtig: Keine Zinsabsenkung bedeutet vorerst günstigere Beiträge im Wettbewerb, da ein höherer einkalkulierter Garantiezins weniger Beitrag des Verbrauchers erfordert und so einen visuellen Vorteil im Beitrags-Ranking, beispielsweise in Vergleichsprogrammen einbringt.

„Die Absenkung auf 2,75 Prozent erfordert in den Unisex-Produkten ein Mehr an Tarifbeitrag von rund 6 bis 8 Prozent", sagt Gerd Güssler. Im Ergebnis würde durch die Absenkung die Alterungsrückstellung für den Verbraucher in Euro sogar höher. Ein weiterer Teil fließt laut KVpro in Unisexbedingte Sicherheitszuschläge und bedeuten Leistungsverbesserungen für den Kunden. Auch noch zu beachten sei, dass die Rechnungszins-Absenkung nur die Verbraucher betreffe, die jetzt Unisex-Tarife kaufen. Bei Bestandskunden, also Verbrauchern die bereits eine private Krankenversicherung besitzen oder vor dem 21. Dezember 2012 erworben haben, reduziert sich der garantierte Rechnungszins nicht. Er bleibt weiter bei 3,5 Prozent. Auch stehen den Verbrauchern der sogenannte „Überzins", also alles was das Unternehmen über den garantierten Rechnungszins von 2,75 Prozent Unisex und 3,5 Prozent Bisex hinaus erwirtschaftet, zu 90 Prozent zu. Das ist gesetzlich garantiert.

KVpro.de hat laut Aussagen seines Geschäftsführers Güssler bislang 60 Tarife von 23 der insgesamt 39 Gesellschaften, die bisher Unisex-Tarife veröffentlicht haben, gesichtet. Das Ergebnis der unterschiedlichen Unisex-Tarife wird am Beispiel eines 35-jährigen Mannes deutlich, der eine neue private Krankenversicherung mit Unisex abschließt:

  • 15 Unisex-Tarife steigen im Beitrag zwischen 22 und 39 Euro;
  • 25 Unisex-Tarife steigen im Beitrag zwischen 40 und 79 Euro;
  • 7 Unisex-Tarife steigen im Beitrag zwischen 80 und 99 Euro;
  • 7 Tarife steigen im Beitrag zwischen 100 und 130 Euro;

Ein Tarif steigt um 173 Euro von 483 auf 656 Euro und liegt somit als einziges Produkt im Beitrag weitgehend auf dem Niveau der gesetzlichen Krankenkassen (GKV). Keines der 60 von KVpro gesichteten Produkte übersteigt mit Unisex den für Vergleiche heranzuziehenden Höchstsatz der GKV.

Zwei Drittel der gesichteten Produkte erfahren eine durch Unisex ausgelöste Beitragssteigerung zwischen 10 und 30 Prozent, nur jedes dritte Produkt zwischen 31 und 45 Prozent.

Interessant findet Gerd Güssler, dass ein Versicherer sowohl den geringsten als auch den höchsten Steigerungswert verzeichnet. „Die im Vorfeld der Unisex-Einführung ausführlich diskutierten Prognosen, dass die Beiträge mit Unisex um mehr als 40 Prozent steigen würden, sind nach unseren bisherigen Untersuchungen mehrheitlich nicht eingetroffen."

Als derzeit konkrete Aktivitäten bei einzelnen Gesellschaften im Zuge der Tarif-Neueinführungen und bei Tarifanpassungen stellt die KVpro fest, dass zwanzig Versicherer ihre Tarife als Unisex-Produkte teils modifiziert weiterführen.

  • Beispielsweise schließt die Barmenia (www.barmenia.de) das derzeitige Tarifangebot in der Vollversicherung deutlich und führt komplett neue Unisex-Produkte ein.
  • Die Central (www.central.de) schließt ihre „Vario-Welt" vollständig und führt einen neuen Unisex-Tarif ein.
  • Die Ergo-Tochter DKV (www.dkv.de) schließt in der Vollversicherung teils deutlich und führt wenige Tarife als Unisex-Produkte weiter.
  • Die Continentale (www.continentale.de) zum Teil, die Debeka (www.debeka.de), die Devk (www.devk.de), die Huk-Coburg (www.huk.de) die LKH (www.lkh.de), die Pax Familienfürsorge (www.bruderhilfe.de) und auch die Mannheimer (www.mannheimer.de) zum Teil haben noch keine Unisex-Tarife veröffentlicht.

Der Schwerpunkt für komplett neue Tarife liegt  laut Gerd Güssler im Bereich der Beihilfe, des GKV-Zusatzes, der Pflege (ohne Pflege-Bahr). „In der Vollversicherung findet eine teils straffe Konsolidierung statt, die auch mit deutlichen Leistungsverbesserungen einhergehen", stellt er fest.

Für Vermittler und Verbraucher sollten gibt Güssler generell bei der Suche nach dem qualitativ passenden Unisex-Tarif folgende Tipps:

Bestandskunden müssen wissen: Ein Upgrade - also von Bisex nach Unisex geht immer. Ein Downgrade umgekehrt von Unisex nach Bisex geht „nimmer". Diese Regel gilt es vor allem beim Tarifwechsel nach Paragraph (§) 204 VVG (Versicherungs-Vertrags-Gesetz) und beim „Stallwechsel" vom Versicherer A nach B zu beachten.

Ohne Krankenversicherung geht es nicht
Schließlich erklärt der KVpro-Chef: „Krankenversicherung ist und bleibt eine Strategie und steht im direkten Zusammenhang mit Altersvorsorge und Pflegeabsicherung. Daran ändert sich auch durch die Einführung der Unisex-Tarife nichts. Verbraucher die vergleichen wollen, sollten sich noch so lange gedulden, bis in den nächsten Wochen die Unisex-Produkte qualitätsgesichert als Entscheidungsgrundlage vergleichbar zur Verfügung stehen. Berater sollten in Zukunft noch mehr abwägen, welcher Produktgeber / Versicherer zu welchem ihrer Kunden passt, und wem sie diesen in der neuen Unisex-Welt anvertrauen wollen. (eb / www.bocquel-news.de)

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