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Konzepte und Kriterien

Einführung neuer Standards verzögert sich weiter

22. November 2012 - Bei der Entwicklung neuer Rechnungslegungs-Standards für das Versicherungswesen wurden laut neuer sigma-Studie der Swiss Re bedeutende Fortschritte erzielt. Allerdings wären noch wichtige Details zu klären, heißt es bei dem Rückversicherer in Zürich.

Wasserglas halbvollDie jüngste sigma-Studie der Swiss Re (www.swissre.com) „Rechnungslegungsreform im Versicherungswesen: ein halb volles oder ein halb leeres Glas?" wirft einen frischen Blick auf die lange währende Debatte zur Verbesserung und Harmonisierung der Rechnungslegungs-Vorschriften für Versicherer. Die vorgeschlagenen Änderungen würden zu einer aussagekräftigeren Rechnungslegung im Versicherungswesen beitragen, sagen die Experten. Allerdings gelte es noch, die neuen Standards mit zusätzlichen Metriken zu ergänzen, damit Versicherer ihren Anspruchsgruppen den ökonomischen Wert ihres Geschäfts klar und konzise vermitteln zu können.

Kurt Karl Rechnungslegungsreform kommt nur langsam voran
Seit mehr als zehn Jahren ringen Standard setzende Organisationen und Verbände um verbesserte Rechnungslegungs-Praktiken für Versicherer. Fachleute von den länderübergreifenden Gremien - wie dem IASB - beschlossen jetzt, ein zusätzliches Feedback von Industrievertretern zu den bisherigen Vorschlägen einzuholen. Kurt Karl (Foto rechts), Chefökonom der Swiss Re, meint hierzu: „Dass sich das IASB für weitere Befragungen ausspricht, zeugt von Reformwillen, bedeutet aber, dass vor 2016 nicht ernsthaft mit der Einführung neuer internationaler Rechnungslegungs-Standards für Versicherer zu rechnen ist."

Des Weiteren sei die Einführung einer einzigen globalen Rechnungslegungs-Vorschrift für das Versicherungswesen wohl in weite Ferne gerückt, weil einige Experten ihre Vorschläge erst in der ersten Jahreshälfte 2013 zur Beurteilung vorlegen werden. Obwohl es aus der selben Quelle im Sommer hieß, dass mit einem konvergierten internationalen Standard für Versicherungs-Verträge so bald nicht zu rechnen ist.

Versicherungen stellen eine Herausforderung für die Rechnungslegung dar
Bei der Erstellung ihrer Abschlüsse benötigen die Versicherungs-Unternehmen Methoden für die Bewertung ihrer Vermögenswerte und Verbindlichkeiten und für die Erfassung der entsprechenden Erlöse und Aufwendungen. Dies erscheint laut sigma-Studie plausibel. Tatsächlich seien aber im Zusammenhang mit der Bewertung und Bemessung essentielle Fragen zu klären, die speziell im Versicherungssektor besonders kritisch seien.

Cashflows aus Versicherungs-Verträgen schwer abschätzbar
Eine große Herausforderung bestehe beispielsweise darin, dass sich künftige Cashflows aus Versicherungs-Verträgen nur schwer abschätzen lassen, was die Bewertung dieser Verträge erschwere. Gewisse Versicherungsrisiken wie die Fahrzeugversicherung seien relativ leicht zu bewerten. Andere Versicherungs-Produkte hingegen würden sehr komplex sein, und die entsprechenden Verbindlichkeiten könnten sich über sehr lange Zeiträume erstrecken, was deren Bewertung - und somit deren Bilanzierung - erschwere. Bei der Bewertung langfristiger Garantien im Rahmen von Lebensversicherungen müsste der Versicherer nicht nur Zeitpunkt und Höhe der möglichen Leistungen berücksichtigen, sondern auch die dauerhafte Bereitschaft des Versicherungsnehmers, die Prämien zu bezahlen.

Mit Blick auf diese Bemessungs-Probleme habe sich ein „Mischmodell" für die Rechnungslegung etabliert, werden die sigma-Autoren Kurt Karl und Darren Pain zitierzt. „Dabei bewerten Versicherer ihre Vermögenswerte je nach ihrer geplanten Verwendung auf Basis der historischen Kosten oder mit dem aktuellen Marktwert."

Bestehende Standards können zu Bewertungsdiskrepanzen führen
Schadensreserven zur Deckung künftiger Leistungsverpflichtungen werden den Angaben zufolge auf Grund von versicherungsmathematischen Überlegungen gebildet. Aus den verschiedenen Bewertungsansätzen könnten sich bedeutende bilanzielle und ökonomische Bewertungsdiskrepanzen ergeben. Zum Beispiel könnten die langfristigen Verbindlichkeiten bestimmter Versicherungsdeckungen empfindlicher auf Zinsbewegungen reagieren als die unterlegten Vermögenswerte. Dies würde sich nicht in der Bilanz des Versicherers widerspiegeln, falls die zu Vertragsbeginn festgesetzten versicherungsmathematischen Annahmen zur Bewertung der Passiven herangezogen werden.

„Außerdem unterscheidet sich die Rechnungslegungspraxis von Land zu Land und erschwert somit den internationalen Vergleich von Finanzabschlüssen in der Versicherungsbranche", sagt Kurt Karl.

Diskussion über wichtige Reformdetails
Um im Jahresabschluss ein klareres Bild der ökonomischen Substanz des Geschäfts zu zeichnen und die länderübergreifende Vergleichbarkeit zu verbessern, drängen den Angaben zufolge die Standardsetters für die Rechnungslegung auf die Einführung marktkonformer Bemessungsmethoden. Während die grundsätzliche Stoßrichtung der geplanten Reformen in der Versicherungswirtschaft breite Akzeptanz finden würden, bestehe bei wichtigen Details noch erheblicher Diskussionsbedarf.

Endgültige Rechnungslegungsstandards verständlich machen
„Die Veränderung hin zu einer stärker ökonomisch orientierte Bewertung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten dürfte grundsätzlich helfen, sämtliche Produktionskosten der Versicherer zu erläutern. Dazu gehören auch die Kosten des zur Unterlegung des Geschäfts benötigten Kapitals", sagt Külli Tamm, die ebenfalls Co-Autorin der aktuellen sigma-Studie ist. Gleichzeitig würde dies zu einer höheren Volatilität der Abschlüsse führen, was wiederum die Kapitalkosten der Versicherer unnötig in die Höhe treiben und diese gegenüber anderen Branchen benachteiligen würde.

Ängste vor höheren Kapitalkosten
Die Ängste vor höheren Kapitalkosten könnten laut de, Autoren-Team möglicherweise übertrieben sein. Indes könnten Anpassungen der Rechnungslegungsstandards auch Vorteile bringen, wie Darren Pain meint: „Die neuen Rechnungslegungs-Standards könnten die Versicherer dazu ermutigen, offenzulegen, woher die Ungewissheit bei der Schätzung ihrer Vermögenswerte und Verbindlichkeiten rührt und wie hoch die Vergütung für die Übernahme von Risiken ist. Um diese Transparenz zu fördern, braucht es vermutlich zusätzliche Metriken." (eb / www.bocquel-news.de)

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