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Konzepte und Kriterien

EZB sorgt für eines der größten Stabilitätsrisiken

16. Juni 2016 - „Bundesanleihe im Minus: EZB treibt Investoren in die Enge“. Diese Nachricht vom Dienstag wurde von der Fachwelt nicht nur als dramatische Wasserstandsmeldung aufgenommen, sondern sorgte in Versicherungskreisen für Unverständnis. Beim GDV spricht man von einem der größten Stabilitätsrisiken.

Am Dienstag war es soweit: Die Rendite für zehnjährige Staatsanleihen rutschte erstmals in der Geschichte in den negativen Bereich. Die jüngste spektakuläre Maßnahme der Europäischen Zentralbank (EZB) sorgte dafür, dass jetzt Anleger dafür zahlen, wenn sie dem Staat Geld leihen. „Ein neues trauriges Kapitel in einem von der Geldpolitik verzerrten europäischen Anleihe-markt“, sieht GDV-Chefvolkswirt Klaus Wiener in den negativen Zinsen auf zehnjährige Bundesanleihen. Die EZB-Maßnahmen beurteilt er weiterhin äußerst kritisch, auch die weitere Lockerung des ohnehin expansiven Kurses. Die Fachwelt sieht in der jüngsten EZB- Maßnahme „die Schatten für die Abstimmung über einen Brexit“, die sichtbar würden. Die Nachfrage nach vermeintlich sicheren Staatsanleihen hatte deutlich zugenommen. Die Kaufprogramme der EZB hätten jedoch dazu geführt, dass Investoren dort nur noch wenig Rendite erwirtschaften oder sogar Verluste einfahren.

Jetzt im Zusammenspiel mit den wachsenden Sorgen über einen Austritt Großbritanniens aus der EU (Brexit) rutschen die richtungsweisenden Kapitalmarktzinsen in Deutschland zum ersten Mal in ihrer Geschichte in den Negativbereich. Das berichten die „Deutsche Wirtschafts-Nachrichten“ (www.deutsche-wirtschafts-nachrichten.de).“Mittlerweile sind die stark gefallenen Renditen eines der größten Stabilitätsrisiken, denn mit der früher oder später zu erwartenden Normalisierung des Zinsniveaus drohen massive Belastungen für die Konjunktur und die Finanzmärkte“, sagt Klaus Wiener.

Dabei hatte der GDV-Chefvolkswirt erst kürzlich – auch an die Adresse der EZB – für „mehr Ruhe und Gelassenheit in der Geldpolitik” plädiert. “Wir sehen das größte Problem derzeit in dem sehr engen Korsett, das der EZB von der sehr engen Formulierung des Inflationsziels auferlegt wird”, lautete Wieners Kommentar.

Deshalb empfahl er die Lockerung des Inflationsziels, das nach der Währungsunion 2003 noch einmal enger gefasst wurde. Damals wurde das zuvor weiter gefasste Inflationsziel von “unter 2 Prozent” durch das Preisstabilitätsziel von “unter, aber nahe 2 Prozent” ersetzt. “Niedrige oder temporär negative Inflationsraten sind aber per se kein Warnsignal”, sagt Klaus Wiener (Foto: GDV).

Jetzt müssen also Investoren erstmals Geld dafür bezahlen, dass sie die zehnjährige deutsche Staatsanleihe in ihr Depot legen dürfen. Die Rendite des Papiers, das seit Anfang der 1960er Jahre regelmäßig ausgegeben wird, fiel am Dienstag unter die Null-Prozent-Marke – zeitweise auf minus 0,034 Prozent – weil die Nachfrage stark angestiegen war, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters.

Die hohe Nachfrage nach deutschen Staatsanleihen wird am Markt als Flucht in risikoärmere Formen der Geldanlage gedeutet – dabei nehmen Investoren offenbar gezielt Verluste in Kauf. „Anleger versuchen derzeit jegliches Risiko zu vermeiden“, lautete der Kommentar des Chefvolkswirts Cyrus de la Rubia von der HSH Nordbank dazu. „Es geht offenbar gerade nur noch um Verlustminimierung, nicht mehr um Gewinnmaximierung.“

In einem Bericht der „Deutsche Wirtschafts-Nachrichten“ heißt es dazu: Unter der lockeren Geldpolitik der EZB leiden vor allem die Versicherer. Sie haben Schwierigkeiten, wegen der niedrigen Leitzinsen an den Finanzmärkten, genügend Rendite für ihre Kunden zu erwirtschaften.

Beim Versicherungskonzern Allianz (www.allianz.de) geht man davon aus, dass sich der deutsche Markt für Staatsanleihen mittlerweile in einer Blasenbildung befindet. Andreas Gruber (Foto: Allianz), Chief Investment Officer des Allianz Investment Management, sagte in einem Interview mit Bloomberg: „Langfristig gesehen haben wir ganz klar eine Blase im deutschen Anleihemarkt. Denn wenn man sich die Inflationsraten und Inflationserwartungen anschaut, sollte es eigentlich höhere Renditen geben. Hinzu kommt, dass die EZB mit ihrem Kaufprogramm eine hohe Nachfrage für europäische Staatsanleihen generiert und die Märkte verzerrt.“

Negative Zinsen sind bei Anleihen mit kürzeren Laufzeiten bereits länger an der Tagesordnung. Die Investition in eine zweijährige Bundes-Anleihe ist seit Mitte 2014 ein Verlustgeschäft. Den Angaben zufolge ist Deutschland das zweite Land aus der Riege der sieben führenden Industrienationen (G7), dessen zehnjährige Titel unter null Prozent rentieren. Demnach befinden sich die vergleichbaren japanischen Anleihen seit Anfang März in der Negativzone. Auch die zehnjährigen Anleihen der Schweiz sind negativ. Rund 35 Prozent aller Staats-Schuldentitel der Eurozone seien inzwischen negativ, schätzt Robert Halver, Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank.

Mit Jörg Krämer meldet sich ein weiterer Banker zu Wort. Als Chefvolkswirt der Commerzbank sagt Krämer: „Wenn die Ängste um den Brexit eskalieren, kann es mit der Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe noch weiter nach unten gehen.“

Begonnen hatten das ganze Desaster und der aktuelle Renditeverfall durch das Wertpapier-Ankaufprogramm der EZB. Anfang des Jahres hatte die EZB bereits verkündet, für rund 80 Milliarden Euro monatlich Staatsanleihen zu kaufen. Seit Anfang Juni kauft sie zudem Anleihen von Großkonzernen am Kapitalmarkt auf. Die Erklärung der Fachwelt: Die EZB treibt so die Kurse der Bonds und drückt im Gegenzug die Renditen, worunter andere Marktteilnehmer leiden. (www.bocquel-news.de)

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