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Dramatische Folgen der Unwetter - wer bezahlt?

19. Juli 2021 - Die dramatischen Folgen der Unwetter und Überschwemmungen vergangener Tage in weiten Teilen Deutschlands lassen erahnen, dass die Schäden enorm sein werden. Zuletzt wurden außerdem 159 Tote gemeldet. Die Versichererbranche arbeitet auf Hochtouren, damit die Sachschäden schnell und unkompliziert bearbeitet werden können.

Zerstörte Häuser, Schutt und Schlamm auf Straßen und Kellern: Deutschland kämpft mit den Unwetterfolgen, noch immer werden Menschen vermisst, die Versorgung mit Trinkwasser ist mancherorts unmöglich geworden, da die Kanalisation total verschmutzt ist.

„Die schrecklichen Folgen von Starkregen und Hochwasser in weiten Teilen Deutschlands berühren mich tief, sind erschütternd und in ihrem Ausmaß nur schwer zu ertragen“, sagt der Hauptgeschäftsführer des GDV Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (www.gdv.de), Jörg Asmussen. „Meine Gedanken sind bei den Betroffenen; bei denen, die Angehörige und Freunde verloren haben und denen, die um ihr Haus sowie Hab und Gut bangen.“

Die Versicherungsbranche werde alles tun, um pragmatisch und effizient zu helfen: „Versicherungsunternehmen verfügen dazu über sogenannte Kumulpläne – krisenerprobte Abläufe. Personal wird versetzt, Prozesse verschlankt, externes Personal aus dem eigenen Netzwerk berufen: Damit die Schäden unserer Kundinnen und Kunden schnell und unkompliziert bearbeitet werden können.“

Es zeichne sich ab, dass sich dieses Jahr mit Stürmen, Überschwemmung, Starkregen und Hagel zu einem der schadenträchtigsten seit 2013 entwickeln könnte. „Bereits im Juni haben Starkregen und Hagel einen geschätzten versicherten Schaden von 1,7 Milliarden Euro verursacht“, sagt Asmussen. „Eine aktuelle Schadenschätzung werden wir voraussichtlich noch in dieser Woche vorliegen haben."

Bauvorschriften heute anpassen verhindern Schäden in der Zukunft
„Jene Klimaveränderungen, die wir heute beobachten, sind nicht das Ergebnis aktueller Emissionen: Sie sind ein Erbe der Vergangenheit. Über den Klimaschutz hinaus müssen wir uns daher auch mit dem Schutz vor den Folgen des Klimawandels beschäftigen. Wenn Starkregen und Hagelschlag in zunehmender Weise Hab und Gut bedrohen, muss auch das Bauplanungs- und Bauordnungsrecht angepasst werden – und zwar heute. Je später wir hiermit beginnen, desto größer wird der volkswirtschaftliche Schaden in der Zukunft ausfallen. Sind die Folgen erst eingetreten, ist es zu spät. Der überwiegende Teil der Bebauungspläne wurde zu einer Zeit beschlossen, als viele wissenschaftliche Erkenntnisse zu Extremwetterlagen und Klimawandel noch nicht vorlagen.“

Die Versicherungsbranche fordert deshalb laut Jörg Asmussen zum Umdenken auf: „Klimafolgenanpassung kommt vielerorts zu kurz.“ Noch immer werde in Überschwemmungsgebieten gebaut, würden Flächen ungehindert versiegelt und stauten sich auf kommunaler Ebene Investitionen in Präventionsmaßnahmen. „Hier gilt es umzusteuern, sonst setzt sich eine Spirale aus weiteren Katastrophen und steigenden Schäden in Gang, die erst teuer und irgendwann unbezahlbar wird“, sagt der GDV-Hauptgeschäftsführer.

Ohne Aufklärung kein Bewusstsein für das Risiko
Aufklärung und Prävention sind das A und O, um künftige Schäden in Grenzen zu halten und Elementarrisiken heute wie auch in Zukunft versichern zu können. Versicherer tun alles dafür, Menschen über Gefahren von Extremwetterereignissen zu informieren. Wie in anderen Ländern auch, muss der deutsche Staat die vorhandenen Informationen zu Naturgefahren bündeln und der Öffentlichkeit in einem einzigen Online-System zugänglich machen. Versicherer fordern deshalb ein bundesweites Naturgefahrenportal mit begleitenden Informationskampagnen.

„Ich danke allen Rettungskräften vor Ort, die teilweise unter Einsatz ihres eigenen Lebens, helfen und versuchen, die Lage in den Griff zu bekommen“, so der GDV-Hauptgeschäftsführer. „Mein Dank gilt auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der deutschen Versicherer, die angesichts dieser Naturkatastrophe vor großen Herausforderungen stehen.“

Gegenden hierzulande, die vor Hochwasser sicher sind, gibt es faktisch nicht. Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre ist klar, dass extremer Niederschlag an jedem Ort in Deutschland möglich ist. Auch abseits von Flüssen ist die Absicherung von Überschwemmungsschäden daher ein wesentliches Element der Risikovorsorge.”

Deutschland steht noch im Juli eine Wende bevor
Die amtlichen Wetter-Vohersagen lenken jetzt ein: Beim Wetter steht Deutschland eine Wende bevor. Die extremen Unwetter könnten schon bald vorbei sein, meint ein Experte. Es ist ein Sommer der Extreme. Während in Südeuropa bereits Hitzerekorde aufgestellt wurden, hat Deutschland seit Wochen mit Unwettern, Starkregen und Hagel zu kämpfen. Laut einem Experten soll sich das Wetter jetzt noch im Juli noch einmal ändern.

In der Schweiz spricht über Unwettertief „Bernd“ von „absolutem Rekordjahr”
Die Versicherungsgesellschaften in Österreich und Schweiz sprechen von einem „absolutem Rekordjahr” in Sachen Unwetter und Überflutungen. Sturmtief „Bernd” hat in den südlicheren Regionen für erhebliche Schäden gesorgt. So rechnet allein die Schweiz mit über 2.500 versicherten Schadenfällen und einem Schadenvolumen von mehr als 9 Millionen Franken (entspricht 8,3 Millionen Euro) aus diesem Ereignis. Laut Thomas Schaub, dem Leiter Schadenservices der Allianz Suisse, schätzt man einen gesamten Schadenaufwand der diesjährigen Unwetterereignisse auf mehr als 106 Millionen Franken (97,77 Millionen Euro) und damit wesentlich mehr als in den bisherigen Rekordjahren 2009 und 2012, die auf das gesamte Jahr gesehen mit rund 90 Millionen Franken (83,01 Millionen Euro) zu Buche schlugen.

Aktuell von rund 12.000 Schadenmeldungen in der gesamten Schweiz geht die Schweizer Baloise aus. Eine konkrete Schadenschätzung kann der Versicherer jedoch noch nicht abgeben.

Österreich: Zwei Drittel der Infrastruktur und Gebäude zerstört
In Österreich haben die Naturkatastrophen und Unwetter die Versicherer im ersten Halbjahr 2021 bereits viel Geld gekostet. So schätzt die Allianz den Schadenaufwand auf 50 bis 55 Millionen Euro. Die Schäden entstanden vor allem durch Hagelstürme gegen Ende des Halbjahres und betrafen zu rund zwei Dritteln Infrastruktur und Gebäude. Besonders betroffene Gebiete waren dabei das Salzkammergut und das Innviertel in Oberösterreich sowie das nördliche Niederösterreich.

Auch die Wiener Uniqa verzeichnete bislang 18.000 gemeldete Schadensfälle mit einer Schadenshöhe von 46 Millionen Euro. Zu Beginn des Jahres entstanden Schäden vor allem durch Schneedruck, insbesondere in Kärnten. Gegen Ende des Halbjahres seien Hagelstürme die mit Abstand folgenreichste Unwetterart gewesen. Die Wiener Städtische rechnet in einer ersten Einschätzung im aktuellen Jahr mit Schäden von über 38 Millionen Euro aus Naturkatastrophen. Das sei ein Plus von 74 Prozent gegenüber dem Vorjahr, erklärte ein Sprecher. Die Generali Österreich spricht immerhin von einem Schadensausmaß durch Unwetter „im hohen zweistelligen Millionenbereich”.

Zurückhaltung bei der Allianz Deutschland
Die größte deutsche Erstversicherung Allianz hält sich bisher mit Schätzungen zu Schäden durch die Überschwemmungen zurück. „Zu den aktuellen Schäden haben wir noch keine Informationen, die wir kommunizieren können", erklärte Christian Weishuber Pressesprecher / Sachversicherungen der Allianz gegenüber tagesschau.de. Mit der Veröffentlichung der Halbjahreszahlen Anfang August werde man sich voraussichtlich zu den Elementarschäden im ersten Halbjahr äußern. Und: Die Zahl der Opfer ist bereits weitaus größer als bei der „Jahrhundertflut" 2013.

Münchener Rück: Zunächst auf Erstversicherer warten
Bei dem größten deutschen Rückversicherer, Münchener Rück, heißt es: „Wir sind als Rückversicherer erst in der zweiten Linie. Wir müssen erst einmal auf die Schätzungen der Erstversicherer warten", erklärte Pressesprecherin Irmgard Joas. Rückversicherer agieren quasi als Versicherer der Erstversicherer. Dadurch können große Risiken auf mehrere Versicherungsunternehmen verteilt werden.

Wer hätte das gedacht: Die Stadt Wuppertal hat aufgrund ihrer geografischen Lage bundesweit die meisten Gebäude, die bei unwetterartigem Regen hoch gefährdet sind. Jedes siebte Haus steht hier in einem Tal oder in der Nähe eines kleineren Gewässers und ist deshalb in die höchste Starkregengefährdungsklasse eingeordnet. Dagegen liegen in Kiel in Schleswig-Holstein nur 2,5 Prozent der Gebäude in der höchsten Gefährdungsklasse. Das zeigt ein GDV-Vergleich der 50 einwohnerstärksten Städte in Deutschland.

Auf die Lage eines Gebäudes kommt es an
„Neben der Intensität des Regens hat die Lage eines Gebäudes einen entscheidenden Einfluss auf das Ausmaß von Starkregenschäden“, erläutert GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen die Untersuchung seines Verbandes. Dies werde nun in den vom GDV entwickelten Starkregengefährdungsklassen (SGK) berücksichtigt. „Wir wissen nun: Je tiefer ein Gebäude liegt, je länger das Wasser darin steht, desto höher ist der Schaden. Und wir können inzwischen für jedes Gebäude diese Gefährdung berechnen.“

Die Starkregengefährdungsklassen helfen den Versicherern bei einer detaillierten Beratung ihrer Kunden zum Schutz vor Hochwasser und für eine individuelle Risikokalkulation.

Zur GDV-Grafik: In der SGK 1 (geringere Gefährdung) sind alle Gebäude, die auf einer Kuppe oder am oberen Bereich eines Hangs liegen. In der SGK 2 (mittlere Gefährdung) finden sich die Gebäude, die in der Ebene oder im unteren/mittleren Bereich eines Hangs, aber nicht in der Nähe eines Baches liegen. Und in der SGK 3 (hohe Gefährdung) werden alle Gebäude zusammengefasst, die im Tal oder in der Nähe eines Bachs liegen.

Mehr Infos via Online-Plattform Naturgefahren-Check
Zur Aufklärung über mögliche Schäden durch Starkregen hat der GDV den „Naturgefahren-Check“ entwickelt. Versicherer und Vermittler können das GDV-Tool kostenlos auf ihren Webseiten einbinden. Immobilienbesitzer und Mieter erfahren auf der Online-Plattform, welche Schäden Unwetter in der Vergangenheit in ihrem Wohnort verursacht haben.

Die Versicherungsexperten der Stiftung Warentest haben zusammengefasst, welche Versicherungen bei Unwetterschäden zuständig sind. Demnach ist für Hausbesitzer eine Elementarschaden-Versicherung in der Wohngebäude-Versicherung besonders wichtig. Der Schutz gilt vor allem bei Schäden durch Überschwemmungen durch Hochwasser und Starkregen, Erdrutsch, Lawinen, Erdbeben.

Und die Hausratversicherung zahlt für Schäden durch Überschwemmungen nach Starkregen nur wenn auch eine Elementarschaden-Versicherung besteht. Überschwemmungsschäden an Autos und Motorrädern begleicht die Teilkasko.

Wird die Elementar-Versicherung bald Pflicht?
Letztendlich brauchen jedoch nahezu alle eine Elementar-Versicherung, die bereits viele Versicherer vorhalten. Angesichts der aktuell unfassbaren Schäden der vergangenen Tage wird der Ruf nach einer Pflicht-Elementar-Versicherung immer lauten. Im November, in der nächsten Sitzung der Justizminister, soll ein entsprechender Vorschlag diskutiert werden: „Wir werden das Thema aufgreifen. Ich werde das Bundesjustizministerium bitten, uns einen Bericht über deren Auffassung zu erstellen und ich glaube, dass es dann Gegenstand der Justizministerkonferenz wird", sagt NRW-Justizminister Peter Biesenbach. Zumindest hätten die Ereignisse der letzten Tage gezeigt, dass es Gründe gebe, darüber zu debattieren. (-el / www.bocquel-news.de)

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