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Konzepte und Kriterien

Aktuare: Tausendsassa und Versicherungsrückgrat

7. Juni 2018 - Mit einer Rekordbeteiligung startete der 31. Internationale Aktuarkongress (ICA 2018) und damit die weltweit wichtigste Konferenz der Versicherungsmathematiker in Berlin. 2.750 Experten und Topentscheider der Versicherungs- und Finanzindustrie diskutieren internationale Trends und die digitale Revolution der Branche.

Aktuare aus aller Welt drehen derzeit an den versicherungsmathematischen Stellschrauben. Dass Aktuare mehr sind als „nur“ Zahlenmenschen, das bewiesen sie zum Auftakt des 31. Weltkongresses der Aktuare (ICA 2018), der nach 50 Jahren jetzt erstmals wieder in Deutschland tagt.

Der Einladung der International Association of Actuaries (IAA) sind 2.750 Teilnehmer aus mehr als 100 Ländern nach Berlin gefolgt. In einer Welt zunehmender Datenflut sonnen sie sich im Lichte ihrer wachsenden Bedeutung.

„Fun was in the air“ als die Popband „Carl Friedrich and the abnormal distribution“ den Kongressteilnehmern im Berliner Estrel-Hotel einheizte. Der Name der einzigartigen Aktuars-Band gehe zurück auf den größten Aktuar, der jemals gelebt habe, erläuterte Aktuar, Bandmitglied und Ex-Ergo-Vorstand Dr. Johannes Lörper, selber Bandmitglied und aktiv mit Saxophon und Querflöte. Die Kongressteilnehmer aus aller Welt tagen eine Woche in Berlin und tauschen sich mit ihren Aktuars-Kollegen aus – getreu dem Kongressmotto ‚näher zusammenrücken‘.

Nach dem Song „Carl Friedrich Gaus, you are our super star, one of us, wunderbar“ zeigte der Finanzsenator von Berlin, Matthias Kollatz-Ahnen, am Beispiel der Stadtgeschichte die Grenzen mathematischer Modelle auf. Noch vor zehn Jahren hätte niemand den heutigen Boom vorherzusagen gewagt. Schließlich seien nach dem Mauerfall zunächst sehr viele Menschen aus Berlin weggezogen.

Exzellente Jobaussichten
Neuberliner Olaf Scholz versuchte sein Fernbleiben beim ICA 2018 indes per Videobotschaft zu heilen. Der Bundesfinanzminister hob brav die „Bedeutung der Aktuare für die Stabilität des Finanzwesens“ hervor. Die Welt ändere sich, wir müssten näher zusammenrücken, um die Herausforderungen dieser Zeit, wie den Klimawandel, die Digitalisierung und Demographie gemeinsam anzugehen. Die Welt sei voller Risiken, so der Minister, und werde immer komplexer und Aktuare wüssten schließlich alles über Risiken und „helfen uns diese zu managen“.

Die salbungsvollen Worte konnten nur noch von den exzellenten Jobaussichten für Versicherungsmathematiker getoppt werden. Roland Weber (im Foto rechts), Präsident der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) und im Arbeitsalltag Vorstandsmitglied der Debeka Versicherungsgruppe, sprach von einer Schlüsselposition, nicht zuletzt auch Dank Solvency II, der „Job-Maschine für Aktuare“. Masaaki Yoshimura, der Präsident der International Association of Actuaries, verwies auf den global wachsenden Bedarf. Auch Frank Grund, Exekutivdirektor der deutschen Versicherungsaufsicht BaFin, richtete das Wort an die Kongressteilnehmer. Er bezeichnete den Aktuar gar als das „Rückgrat der Versicherungswirtschaft“.

Weber machte möglichen Zweiflern Mut: „Die Digitalisierung ist eine Chance“. Algorithmen seien keine Bedrohung, sondern sie „geben uns mehr Zeit, neue Ideen zu entwickeln“. Eine andere Frage sei es allerdings, so räumte der DAV-Präsident ein, wo Aktuare künftig arbeiten würden, wenn die Unternehmen digitaler werden. Angesichts der exzellenten Jobchancen appellierte Weber, mehr junge Leute von diesem Berufsweg zu überzeugen. 

Plädoyer für Rentenauskunft
Um die Zukunft der Aktuare ist Weber also nicht bange. Um die Zukunft der Altersvorsorge schon eher. So rief er dazu auf, mehr für den kollektiven Ansatz des Lebensversicherungs-Sparen einzutreten. Die DAV plädiert zudem für mehr Transparenz und damit Ehrlichkeit über die Leistungen in der Rentenphase. „Bisher wissen viele Bürger nur, was sie monatlich zur Seite legen, haben aber keinen gesamthaften Überblick über ihre künftigen Rentenzahlungen“, betonte Weber. Deshalb unterstützt die DAV die Initiative des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, eine säulenübergreifende Renteninformation herauszugeben, wie es beispielsweise in Großbritannien, den Niederlanden oder Schweden üblich ist.

„Mit diesem Fundament an Wissen können viel qualifiziertere Entscheidungen für die Altersvorsorge getroffen werden, um potenzielle Versorgungslücken zu schließen“, erläuterte Weber. Und „Carl Friedrich and the abnormal distribution“ stimmten passend zum Thema Langlebigkeit den Song „Knock, knock, knocking on heaven’s door“ an. Spätestens da wetteiferte die Stimmung im Tagungssaal mit den hochsommerlichen Temperaturen draußen vor den Türen des Tagungshotels. 

Im weiteren Kongress-Verlauf nach dem Festabend sagte der DAV-Präsident Weber mit Nachdruck: „Nur kollektive Sparprozesse sichern eine langfristige sowie nachhaltige Altersvorsorge und sorgen damit für Planungssicherheit im Ruhestand." Im Gegensatz zu individuellen Spar- und Entsparkonzepten würden kollektive Ansätze nicht nur lebenslange Leistungen und eine Absicherung von Versorgungsberechtigten garantierten, sondern auch den Trend zur stetigen Erhöhung der Lebenserwartung berücksichtigten.

Darüber hinaus könnten die Versicherungsnehmer von Vererbungseffekten im Kollektiv profitierten. Durch die gesamthafte Kapitalanlage würden zusätzliche Puffer gebildet, die für eine höhere Effizienz und Effektivität der Rentenprodukte sorgten. „Diese Vorzüge werden viel zu oft in den ausschließlich von Renditeerwartungen dominierten Diskussionen vernachlässigt", kritisierte Weber und sprach sich für eine Rückbesinnung auf die Stärken der kollektiven Sparprozesse aus.

Daneben plädierten Deutschlands Aktuare auch für mehr Transparenz und damit Ehrlichkeit über die Leistungen in der Rentenphase. „Bisher wissen viele Bürger nur, was sie monatlich zur Seite legen, haben aber keinen gesamthaften Überblick über ihre künftigen Rentenzahlungen", betonte Weber.

Deshalb unterstützt die DAV die Initiative des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, eine säulenüber­greifende Renteninformation herauszugeben, wie es beispielsweise in Großbritan­nien, den Niederlanden oder Schweden üblich ist. So könnten die Bürger verlässlich über ihre Rentenansprüche sowohl aus der gesetzlichen als auch der betrieblichen und privaten Rentenversicherung informiert werden. „Mit diesem Fundament an Wissen können viel qualifiziertere Entscheidungen für die Altersvorsorge getroffen werden, um potenzielle Versorgungslücken zu schließen", erläuterte Weber.

In Sachen Rente und Altersversorgung werde die Deutsche Aktuarvereinigung die Expertise ihrer über 5.000 Mitglieder in die öffentlichen Debatten einbringen, um die kollektive kapitalgedeckte Altersvorsorge als ergänzende Säule neben der umlagefinanzierten gesetzlichen Rente zukunftsfest zu machen.

Produktentwickler, Berater und Sparringspartner
Der DAV-Präsident fand die richtigen Worte, als er sagte: „Die Vielfalt der Themen beim Kongress illustriert, in wie vielen Bereichen Aktuare heutzutage tätig sind. Sie treiben auf der einen Seite als Produktentwickler, Berater von Lösungen der betrieblichen Altersversorgung oder als Sparringspartner für Start-up-Unternehmen die Innovation im Versicherungswesen maßgeblich mit voran.“ (rl / Fotos: Rita Lansch / www.bocquel-news.de)

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