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Konzepte und Kriterien

Globale Lieferketten sind sehr verwundbar

12. November 2012 - Für Unternehmen und Versicherer spielen Risiken aus der Unterbrechung von Lieferketten eine immer größere Rolle. Die Schäden der dadurch verursachten Betriebsunterbrechungen sind enorm, so eine Untersuchung der Allianz-Industrieversicherer.

Im Industriesegment gehen zwischen 50 bis 70 Prozent von Katastrophenschäden auf direkte oder indirekt verursachte Betriebsunterbrechungen zurück - letztere werden durch den Ausfall eines Lieferanten infolge eines Sachschadens ausgelöst, so die Allianz Global Corporate & Specialty AG AGCS (www.agcs.allianz.com). In der neuen Studie „Managing Disruptions" untersucht der Allianz Industrieversicherer, wie Unternehmen und Versicherer Risiken aus Betriebs- und Lieferkettenunterbrechungen neu bewerten.

Produktion Betriebsunterbrechungsversicherungen decken einen Großteil der finanziellen Verluste, die ein Unternehmen oder ein Zulieferer in Folge eines Ausfalls erleiden. Doch die negativen Folgen auf den Unternehmensgewinn können stets nur abgemildert werden. Auch langfristige Auswirkungen wie etwa einen Vertrauensverlust bei Aktionären können sie kaum begrenzen. „Steht der Betrieb still, ist es für das betroffene Unternehmen entscheidend, schnellstmöglich wieder in den Normalzustand zurückzukehren und die Produktion wieder aufzunehmen", erklärt Volker Münch, der bei AGCS weltweit für die Produktentwicklung im Sachschadenbereich verantwortlich ist.

Lieferantenausfall betrifft ganze Industriezweige
Wenn ein Brand oder eine Naturkatastrophe ein Unternehmen aus dem Takt bringen, mag der Schaden groß sein, aber er ist doch berechenbar und begrenzt. Anders stellt es sich dar, wenn das so betroffene Unternehmen ein wichtiger Lieferant für einen Industriezweig ist. Dann können die Folgewirkungen weltweit spürbar sein und für zahlreiche Unternehmen Schäden aus Lieferkettenunterbrechungen auslösen.

Dieser Domino-Effekt zeigte sich bei der Flutkatastrophe in Thailand im November 2011. Damals mussten wichtige Zulieferer der Elektronikindustrie den Betrieb einstellen. Die weltweite Produktion von Festplatten brach im vierten Quartal 2011 um rund ein Drittel ein, in Folge verzeichneten PC-Hersteller in den USA Lieferengpässe. „Die Flut in Thailand machte deutlich, wie verwundbar die weltweiten Lieferketten geworden sind. Die Schäden aus Lieferkettenunterbrechungen haben eine neue Dimension erreicht", sagt Dr. Andreas Shell, AGCS-Schadenchef im Bereich Sachversicherung.

Puffer für den Krisenfall
„Moderne Lieferketten sind hoch flexibel und bis in letzte Glied optimiert. Das macht sie kosteneffizient, aber auch störungsanfällig", sagt Paul Carter, Global Head of Risk Consulting bei AGCS. Er beobachtet, dass Unternehmen den Zielkonflikt zwischen niedrigen Kosten und Sicherheitspuffern in Lieferketten neu austarieren. Um Lieferketten robuster zu machen, sollten Unternehmen wieder mehr Redundanzen in die mittlerweile extrem schlanken Beschaffungsprozesse einbauen, selbst wenn die Abkehr von weit verbreiteten Single-Supplier-Sourcing höhere Kosten mit sich bringt. „Redundanz ist teuer, aber keine Redundanz kann noch teurer werden", sagt Carter.

Konkret sollten Unternehmen, so empfiehlt AGCS, ausfallkritische Zulieferer auflisten, weltweit deren Produktionsorte identifizieren und untersuchen, ob diese Orte potenziell Naturkatastrophen ausgesetzt sind. „Wenn ein asiatischer Zulieferer in einer Risikozone für Flut oder Erdbeben angesiedelt ist, dann sollte ein Unternehmen bereits im Vorfeld einen alternativen Lieferanten suchen - und zwar in einer anderen Region wie zum Beispiel Osteuropa", erklärt AGCS-Risikoingenieur Carter.

Versicherer brauchen mehr Informationen
Bessere Informationen über die Risiken in den Lieferketten ihrer Industriekunden wünschen sich auch die Versicherer selbst, um ihr eigenes Portfolio zu steuern. Besonders regionale Ballungen von Lieferanten („Cluster") wie in der Automobil- oder Elektronikindustrie bereiten ihnen Sorgen. „Eine Naturkatastrophe kann mehrere unserer Industriekunden auf einen Schlag treffen", erklärt Münch. „Durch die Globalisierung der Lieferketten und Produktionsnetze ist es für uns deutlich schwieriger geworden, das Akkumulationsrisiko zu bewerten." Nur durch mehr Informationen könne man sicher stellen, nicht eine zu hohe Zahl von Zulieferern in ein- und derselben Region zu versichern.

Versicherung gegen Lieferkettenunterbrechung
Die Versicherung von Lieferkettenunterbrechungen steht erst am Anfang. Die normale Betriebsunterbrechungsversicherung greift in der Regel nicht, denn dort muss der Unterbrechungsschaden Folge eines versicherten Sachschadenereignisses sein: Brand, Explosion, Leitungswasser, Maschinenbruch etc.

Als erster Versicherer hatte die Zurich Gruppe (www.zurich.de) im Dezember 2011 die Lieferkettenversicherung (Supply Chain Insurance - SCI) auf den deutschen Markt gebracht. Dabei handelt es sich um eine Allgefahrendeckung für Ertragsausfälle, für die kein vorheriger Sachschaden ursächlich ist, sondern externe Ereignisse. Lieferkettenunterbrechungen können - neben den üblichen Gefahren - beispielsweise die Folgen von Naturkatastrophen, Krieg, Terrorismus, Streik, Pandemien oder rechtlichen Verfügungen sein. Wie die Zurich betont, richtet sich die SCI an Unternehmen unterschiedlicher Branchen aus Industrie und Mittelstand. Praktisch dürfte sie jedoch eher für große Industriebetriebe geeignet sein, denn die Policen sind zum einen nicht ganz billig und erfordern zum anderen eine detaillierte Analyse und Bewertung der Lieferketten. Versichert wird nur der Ausfall von benannten Lieferanten bis zu vorher genau festgelegten Entschädigungsgrenzen. (hp / www.bocquel-news.de)

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