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Konzepte und Kriterien

BGH kippt einige Regeln zum Rückkaufswert

26. Juli 2012 - Der Bundesgerichtshof erklärt einige Vertragsklauseln von Kapitallebens- und privaten Rentenversicherungen für unwirksam (Az. IV ZR 201/10). Das Urteil könnte vor allem jenen Kunden nutzen, die vorzeitig aus ihrem Versicherungsvertrag ausgestiegen sind.

BUNDESGERICHTSHOFEinige - bisher gängige - Klauseln der von der Deutscher Ring Lebensversicherungs-AG (www.deutscherring-leben.de) in den Jahren 2002 bis 2007 verwendeten Allgemeinen Versicherungsbedingungen hat der BGH Bundesgerichtshof (www.bundesgerichtshof.de) jetzt gekippt. Mit seinem Urteil mit Aktenzeichen Az. IV ZR 201/10 hat der BGH am Mittwoch seine Entscheidung über die Revision gegen das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 27. Juli 2010 verkündet. Die Verbraucherzentrale Hamburg (www.vzhh.de) hatte ursprünglich beim Landgericht Hamburg (www.justiz.hamburg.de) beantragt, der Deutscher Ring Lebensversicherungs-AG die Verwendung von Teilen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen wegen angeblicher Intransparenz zu untersagen.

Regelungen zum Rückkaufswert
Der BGH entschied nun, dass die Regelungen zum Rückkaufswert von Lebens- und Rentenversicherungen bei Vertragsabschluss in den Jahren 2002 bis 2007 bei der Deutschen Ring Lebensversicherung nicht wirksam sind. Angesichts der aktuellen Storno-Quoten hatte die grundsätzliche Klärung dieser Frage besondere Brisanz. Unwirksam sind nach der BGH-Rechtsprechung Bedingungen zu den Rückkaufswerten, dem Stornoabzug und der Verrechnung von Abschlusskosten, denn sie würden dazu führen, dass ein Versicherungskunde hohe Verluste machen kann, wenn er seinen Vertrag nicht lange durchhält.

Axel Kleinlein „Kündigung ist letztlich der Normalfall bei Versicherungen für die Altersvorsorge", sagt Axel Kleinlein (Foto), Vorstandsvorsitzender vom BdV Bund der Versicherten (www.bundderversicherten.de). Seinen Angaben zufolge brechen rund Dreiviertel aller Kunden ihren Vertrag vorzeitig ab. Umso wichtiger sei es für sie, wie viel Geld es in diesem Fall zurück gibt beziehungsweise wie sich der so genannte Rückkaufswert berechnet.

Das Urteil
Beim Bundesgerichtshof hat der zuständige Senat seine bisherige Rechtsprechung in den Urteilen vom 9. Mai 2001 (IV ZR 121/00 und 138/99) und vom 12. Oktober 2005 (IV ZR 162/03 und 177/03) unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 15. Februar 2006 (1 BvR 1317/96) weiterentwickelt.


Wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot hat der Senat ferner Klauseln für unwirksam erklärt, die nicht hinreichend deutlich zwischen dem im Fall einer vorzeitigen Vertragsbeendigung nach den anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik zu berechnenden Rückkaufswert (§ 176 Abs. 3 VVG a.F.) einerseits und andererseits dem so genannten Stornoabzug, der vereinbart und angemessen sein muss (§ 176 Abs. 4 VVG a.F.) differenzieren.


Wegen unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers seien ferner Bestimmungen unwirksam, die vorsehen, dass dem Versicherungsnehmer nach allen Abzügen verbleibende Beträge unter 10 Euro nicht erstattet werden.


Schließlich hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass sich der beklagte Versicherer nicht nur bei der Abwicklung bestehender Verträge, sondern auch bei deren Neuabschluss nicht auf die für unwirksam erklärten Klauseln berufen darf.

Die Lebensversicherer hierzulande sehen den Wortlaut des BGH-Urteils detaillierter und kritischer. Solange aber die Urteilsbegründung noch ausstehe, könne der GDV Gesamtverband der deutschen Versicherer (www.gdv.de) keine Stellungnahme abgeben. Der Lobbyverband der Versicherungswirtschaft zeigt sich aber auch erfreut darüber, dass die Storno-Quote im Jahr 2011 mit 3,6 Prozent ein „Vertrauensbeweis" wäre.

Die Verbraucherzentrale Hamburg hatte mit dem Verfahren die Klärung einer Rechtsfrage fort, die der Bund der Versicherten für Verträge mit Abschluss zwischen 1994 und 2001 bereits in den Jahren 2001 und 2005 erfolgreich vor den BGH brachte. Seinerzeit reagierte sogar der Gesetzgeber und änderte ab 2008 das Versicherungs-Vertrags-Gesetz (VVG).

Was ist mit höchstrichterlicher Rechtsprechung aus dem Jahr 2005?
Nach wie vor sei aber unklar, ob die höchstrichterliche Rechtsprechung aus dem Jahr 2005 auch auf Verträge anzuwenden ist, die zwischen 2002 und 2007 abgeschlossen wurden. Das hat der BGH nun in dem von der Verbraucherzentrale Hamburg angestrengten Verfahren gegen die Deutsche Ring Lebensversicherung geprüft. Das Ergebnis: Die umstrittenen Regelungen sind größtenteils  unwirksam. Um Hinweise geben zu können, wie geschädigte Verbraucher jetzt vorgehen müssen, müsse der BdV aber noch die Urteilsbegründung prüfen, die noch nicht vorliegt, heißt es.

BdV-Chef Kleinlein hat ermittelt, was diese Storno-Quote 2011 für Altersvorsorge-Verträge wirklich bedeuten könnte: „Von 100 Sparern, die mit 30 Jahren einen Altersvorsorge-Vertrag für den Rentenbeginn im Alter 67 abschließen, halten nur 26 den Vertrag auch wirklich bis zum Rentenbeginn durch. Alle anderen steigen vorzeitig wieder aus. Das bedeutet: Die vorzeitige Kündigung ist in der Praxis der Normalfall", sagt Axel Kleinlein. Bei fondsgebundenen Verträgen würde das Verhältnis noch schlechter aussehen, behauptet er. Hier würden sogar nur 5 Prozent den Rentenbeginn erreichen.

Deutscher Ring wird nach der vollständigen Urteilsbegründung aktiv
Sobald die vollständige Urteilsbegründung vorliegt, will die Deutscher Ring Lebensversicherung-AG prüfen, auf welche ehemaligen Kunden das Urteil zutrifft und berechtigterweise geltend gemachte Ansprüche zügig regulieren. Nach einer ersten Einschätzung machen die bereits gekündigten Verträge mit möglichen Ansprüchen weniger als 5 Prozent des damaligen Vertragsbestandes des Unternehmens aus. Dafür hat die Deutscher Ring Lebensversicherungs-AG eigenen Angaben zufolge ausreichend Vorsorge getroffen.

Übrigens: Verträge, die ab 2008 abgeschlossen wurden, sowie alle fondsgebundenen Lebensversicherungen waren nicht Gegenstand der Klage. (eb / www.bocquel-news.de)

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