18. Juni 2012 - Das gemeinsame Forschungsprojekt zur "GKV/PKV-Systemgrenze" der PremiumCircle Deutschland GmbH und des Instituts für Mikrodaten-Analyse sorgen für Unruhe. Gesetzliche und private Krankenversicherungs-Unternehmen werden gleichermaßen kritisch vorgeführt.
„Die GKV (gesetzliche Krankenkassen) hat ein grundlegendes Nachhaltigkeits-Problem, die PKV (Private Krankenversicherung) ein Transparenz- und Leistungskatalog-Problem. Sollte das duale System aus GKV und PKV aufrecht und für die Versicherten auf dem heutigen Leistungsniveau gehalten werden, sind umfassende Reformmaßnahmen umzusetzen", so lautet das schonungslose Fazit, das Dr. Thomas Drabinski (Foto), Institutsleiter IfMDA Institut für Mikrodaten-Analyse (www.ifmda.de) zur aktuellen Krankenversicherungs-Studie fällt. „Der Gesetzgeber hat seit Jahrzehnten das Rentnerproblem in der GKV verdrängt und die immer weiter steigenden Lasten unter dem Deckmantel des Generationen-Vertrags den Erwerbstätigen aufgebürdet. Eine grundlegende Reform der GKV ist unabdingbar, damit aus dem GKV-Solidarprinzip kein strukturzerstörendes Element wird."
Claus-Dieter Gorr (Foto rechts), Chef der PremiumCircle Deutschland GmbH (www.premiumcircle.de) hält ebenfalls mit seinem Urteil nicht hinterm Berg: „Staatsversagen hat in der PKV zu Marktversagensbereichen geführt. Denn die Ausgestaltung der Leistungskataloge und der Vertriebsmarkt haben sich in den letzten zwanzig Jahren wegen fehlender politischer Leitplanken verselbstständigt. Zur Korrektur sind transparente Pflichtangaben über den jeweils versicherten Leistungskatalog sowie Mindestkriterien als Richtschnur für Versicherungsbedingungen umzusetzen und Provisions-Exzesse zu beenden."
Laut der Studie des Kieler Gesundheitsökonoms Dr. Drabinski und des Chefs der Frankfurter Beratungsfirma PremiumCircle Gorr „leisten mehr als 80 Prozent der Tarif-Systeme in der privaten Krankenversicherung weniger als die gesetzliche Krankenversicherung".
Einer der herausragenden Analyse-Punkte der Studie besagt, dass für 32 relevante PKV-Unternehmen im Neukundengeschäft 208 Tarif-Systeme mit insgesamt 1.567 Kombinationen in Bezug auf den abgesicherten Leistungskatalog abgeleitet werden können: Die Kombinatorik (beispielsweise Alter und Geschlecht) führe zu einem Versicherungsmarkt mit mindestens 250.000 Preisen.
85 Tarif-Bestandteile untersucht
Insgesamt haben die Experten auch 85 Tarif-Bestandteile untersucht, die sich am Leistungskatalog der gesetzliche Krankenkassen orientierten. Laut PremiumCircle-Chef Gorr gehe es dabei vor allem um Angebote, die in der GKV fest verankert seien, wie etwa die häusliche Krankenpflege oder sogenannte „Hilfsmitteldeklarationen ohne Einschränkungen". Den Angaben zufolge konnte kein Produkt alle 85 Kriterien erfüllen.
"Tarife wurden nicht bedarfsgerecht für Endkunden entwickelt", heißt es in der Studie, "sondern unter der Prämisse", wie sie bei Preisvergleichen "abschneiden würden". Was den Vertrieb der privaten Krankenversicherer anbelangt, sagt Gorr: " Selbstständige Makler, Pools, Direktvertriebe und sonstige unternehmenseigene Vertriebe setzen die PKV-Policen im Vertriebsmarkt in der Regel ohne Qualifikationsnachweis und -anforderungen ab. Da der Vertriebsmarkt häufiger provisionsorientiert und seltener kundenorientiert arbeitet, werden im Ergebnis PKV-Billigtarife und andere PKV-Tarife mit teilweise existenziellen Leistungsausschlüssen im Krankheitsfall verkauft.
Pro-Kopf-Einnahmen- und Ausgabenstruktur in GKV und PKV gleich
Die Experten leiten eine weitere Erkenntnis aus ihrem Studienprojekt „GKV/PKV-Systemgrenze" ab. Danach zeige der direkte Vergleich der Pro-Kopf Einnahmen- und Ausgabenstrukturen zwischen GKV und PKV: „GKV- und PKV-Leistungsausgaben haben sich in den letzten 40 Jahren nahezu identisch entwickelt - die Differenz beläuft sich 2012 auf jährlich 84,39 Euro je Versicherter („Ausgabenseite"). Die Pro-Kopf PKV-Prämien überschießen die Pro-Kopf GKV-Gesamteinnahmen um jährlich 974,95 Euro je Versicherter: Die Differenz ist auf die in der PKV gebildeten Alterungsrückstellungen und auf Abschlussaufwendungen (beispielsweise Provisionen) zurückzuführen („Einnahmenseite").
Kapitalstock in der GKV könnte mehr als 1.100 Milliarden Euro betragen
„Hätten alle gesetzlich Versicherten Alterungsrückstellungen aufgebaut, würde die GKV heute über einen Kapitalstock von mehr als 1.100 Milliarden Euro verfügen", ist sich Dr. Thomas Drabinski sicher. Eine Analyse des Gesamtzeitraum 1991 bis 2012 ergab demnach, dass die GKV-Höchstbeiträge trotz Leistungsreduktionen um durchschnittlich 3,14 Prozent im Jahr gestiegen sind, die PKV-Neukunden-Prämie erhöhte sich durchschnittlich 3,96 Prozent im Jahr.
Claus-Dieter Gorr dazu: "Die Studie bringt für die beiden Systeme Staatsversagen und Marktversagen sowie den fehlenden generationenübergreifenden politischen Masterplan analytisch und präzise auf den Punkt." Die Studie „GKV/PKV-Systemgrenze" kann über www.premiumcircle.de bezogen werden.
PKV verweist auf 90 und mehr Prozent Kundenzufriedenheit
Inzwischen hat auch der PKV Verband der privaten Krankenversicherung e.V. (www.pkv.de) ein erstes Statement abgegeben. Der Unterschied zwischen gesetzlicher und privater Versicherung bestehe gerade in der Wahlfreiheit, Leistungen ein- oder auszuschließen. Bei älteren Tarifen, die neuere medizinische Heilungsmethoden gar nicht einschließen könnten, würden in der Regel die Kosten für diese Therapien erstattet. „Umfragen renommierter Meinungsforschungsinstitute ermitteln regelmäßig Spitzenwerte von 90 und mehr Prozent Kundenzufriedenheit. Nach der jüngsten Emnid-Umfrage von diesem Frühjahr sind es sogar 96 Prozent", heißt es beim PKV-Verband.
PKV stärkt das gesamte Gesundheits-System
Außerdem stärke die PKV das gesamte Gesundheits-System. Auf der Website des Branchenverbandes heißt es dazu: Privatversicherte zahlen für viele medizinische Leistungen höhere Honorare. Anliegen der privaten Krankenversicherer sei es, dass Privatversicherte dafür eine sehr gute medizinische Versorgung erhalten. „Mit ihren Honoraren stärken sie zugleich das gesamte Gesundheits-System. Mit einem Teil ihrer finanziellen Aufwendungen stehen Ärzten und Krankenhäusern Investitionsmittel für fortschrittliche Behandlungsmethoden und moderne Geräte bereit. Davon profitieren alle: privat und gesetzlich Versicherte." (eb / www.bocquel-news.de)
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