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Konzepte und Kriterien

Provisionsabgabeverbot: Kontroversen ohne Ende

8. März 2012 - Nachdem die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin ihre Revision gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt vom 24. Oktober 2011 zurückgezogen hat, ist die Lage verworrener denn je. Das zeigen auch die Positionen der Verbände.

Zur Erinnerung: Am 24. Oktober hatte das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main der Klage des Finanzvertriebs AVL Finanzdienstleistung Investmentfonds (www.avl-investmentfonds.de) gegen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen BaFin (www.bafin.de) Recht gegeben (Az.: 9 K 105/11). AVL will den Kunden auch bei der Vermittlung von Versicherungsprodukten hohe Rabatte auf Abschlusskosten gewähren, indem sie Provisionsanteile an sie weiterreicht. Das Provisionsabgabeverbot sei zu unbestimmt, lautete die wesentliche Argumentation der Richter. Nachdem die BaFin auf die von der Branche erwartete Sprungrevision verzichtet hat, ist mancherorts vom „Fall des Provisionsabgabeverbots" die Rede.

So einfach ist die Gefechtslage indes nicht. Die BaFin selbst hat verlautbaren lassen, dass sie in dem Frankfurter Urteil einen Einzelfall berührt sieht und dass die Auswirkungen eines Provisionsabgabeverbots auf den Vermittlermarkt erst einmal geprüft werden müssten. Das wird nicht einfach, denn die Vermittlerszene ist absolut uneins über das Provisionsabgabeverbot bzw. dessen Aufhebung. Während AVL naturgemäß von einer längst überfälligen Regelung zugunsten der Verbraucher spricht, sind die Verbände anderer Meinung, wie folgende Beispiele zeigen:

Michael H. Heinz „Provisionsabgabeverbot ist Existenzgrundlage der Vermittler"
Für den Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e.V. BVK (www.bvk.de) hat das Provisionsabgabeverbot nach wie vor seine Berechtigung. „Mit dem Verzicht der BaFin auf eine Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht gilt das gesetzliche Provisionsabgabeverbot nach wie vor weiter", sagt BVK-Präsident Michael H. Heinz (Foto). „Provisionen sind die selbstverständlichen Vergütungen der Versicherungskaufleute für erbrachte Beratungs- und Vermittlungsleistungen für die Kunden. Um sie kann nicht gefeilscht werden, sondern sie sind die Existenzgrundlage der Vermittler." Das Provisionsabgabeverbot müsse erhalten bleiben. Denn es verhindere, dass das Ziel einer jeden Versicherungsvermittlung - die bestmögliche Absicherung gegen Risiken des Lebens - nicht in den Hintergrund tritt. Christian Henseler Dies würde aber bei einer Abschaffung eintreten, wenn Kunden und Versicherungsvermittler zuvorderst über die Teilung der Provisionen oder irgendwelche Rabatte verhandeln würden. „Deshalb sind wir sicher, dass die nun anstehende grundsätzliche Prüfung der BaFin das gesetzliche Provisionsabgabeverbot bestätigen wird", betont Michael H. Heinz.

Auch die SdV Schutzvereinigung deutscher Vermittler von Versicherungen und anderen Finanzdienstleistungen e.V. (www.sdv-online.de) lehnt eine Abschaffung des Provisionsabgabeverbots a. „Insbesondere kleinere Vermittlerunternehmen werden damit nicht unerheblich in ihrer Existenz bedroht.", so Christian Henseler (Foto rechts), Mitglied des Vorstandes des SdV.

Norman Wirth „Provisionsabgabeverbot verhindert Liberalisierung der Vergütungsmodelle"
Ganz anders der AfW - Bundesverband Finanzdienstleistungen e.V. (www.afw-verband.de). „Auch wenn die BaFin damit noch nicht das Provisionsabgabeverbot als abgeschafft erklärt, sondern nur eine grundsätzliche Prüfung ankündigt und hier von einer Einzelfallentscheidung spricht, kann wohl bereits von einem Fall des Verbotes ausgegangen werden", kommentiert der Verband den Vorgang. Der AfW begrüße aus mehreren Gründen diese Entwicklung: Das Provisionsabgabeverbot verstoße gegen Europarecht, Wettbewerbsrecht und den Bestimmtheitsgrundsatz. Das Provisionsabgabeverbot stehe zudem einer Liberalisierung bei den Vergütungsmodellen im Weg. Bisher gebe es keine - wünschenswerte - Pflicht der Versicherungsgesellschaften zur alternativen Bereitstellung von Honorartarifen. Daher müsse es den Versicherungsvermittlern auch möglich sein, dem Kunden eigenständig die Tarife weitestgehend zu nettorisieren. Nun sei auch für Versicherungsvermittler die letzte Hürde für eine von der Provision unabhängige Vergütung ihrer Leistung gefallen. Rechtsanwalt Norman Wirth (Foto), geschäftsführender Vorstand des AfW:

„Provisionsabgabe wurde im Großkunden oder Industriebereich bereits regelmäßig gelebt! Last but not least war das Provisionsabgabeverbots zuletzt eine behördlich sanktionierte Wettbewerbsverzerrung. Der Kaffeeröster und frühere Versicherungsvermittler Tchibo konnte ungehindert und bei Kenntnis der BaFin über Monate hinweg eine elektrische Zahnbürste für den Abschluss einer Versicherung ausloben. Einem Makler wurde das von der BaFin ausdrücklich verboten. Große Versicherungen gingen mit Pay-Back-Punkten oder Ikea-Gutscheinen auf Kundenfang. Die Kleinen hing man, die Großen ließ man laufen!"

Hans-Georg Jenssen „Licht und Schatten liegen eng beieinander"
Nach Meinung des VDVM Verband Deutscher Versicherungsmakler e.V. (www.vdvm.de) und dessen geschäftsführendem Vorstand Hans-Georg Jenssen (Foto) würden Licht und Schatten beim Wegfall des Provisionsabgabeverbotes eng beieinander liegen. Zu begrüßen wäre, dass die Preisgestaltung für die Dienstleistung eines Versicherungsvermittlers - sei es Agent oder Versicherungsmakler - flexibler würden. Dieser Vorteil käme jedoch primär denjenigen Versicherungsnehmern zu Gute, die hochvolumige Verträge abschließen und das Gefühl haben, dass mit der eingerechneten Vergütung eine Quersubventionierung zu Gunsten anderer Produkte und/oder Versicherungsnehmer stattfindet. Dieser mögliche individuelle Vorteil würde „erkauft" mit Nachteilen für andere Versicherungsnehmer und deren Produkte, die auf eine gewisse Quersubventionierung angewiesen sind, etwa bei einer Privathaftpflichtversicherung zum Preis von ca. 80,- Euro. Wenn diese Quersubventionierung entfällt, würden die Dienstleistungen des Vermittlers für diese Produkte teurer. Oder wäre gar nicht mehr verfügbar, wenn der Kunde nicht bereit ist, die Beratung angemessen zu vergüten.

Natürlich würde ein Markt ohne Provisionsabgabeverbot auch die kostenlose Beratung bis zum Abschluss des Versicherungsvertrages einschränken. Wer möchte schon dem Kunden die Ergebnisse seiner Arbeit ohne Entlohnung mitgeben, damit dieser dann bei einem anderen Vermittler eine hohe Provisionsabgabe nachfragen kann? Der andere Vermittler hätte in einem solchen Fall ja eine ganz andere Kostensituation und seine

Bereitschaft zur Provisionsabgabe wäre deutlich höher. Schließlich ist der Kunde bereits gut und für ihn kostenlos beraten worden und weiß genau, was er will. Akquisekosten fielen also für den neuen Vermittler nicht an. Ob dies im Interesse sowohl der Politik als auch des Verbraucherschutzes liegt, darf bezweifelt werden, so der VDVM. Erfordert deshalb von der BaFin eine rasche Klarstellung. (hp / www.bocquel-News.de).

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