12. August 2013 - Die Kritik an der geförderten privaten Pflegeversicherung schien ob der unerwarteten Nachfrage fast verebbt zu sein, da legt der Bund der Versicherten kräftig nach. Hauptkritikpunkte: Die Beratung bleibt auf der Strecke und der Kontrahierungszwang.
Gerade erst hat Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr für die staatlich geförderte private Pflegezusatzversicherung Zielzahlen genannt. „Wenn wir Ende 2014 ein Million geförderte Policen hätten, wäre das ein Riesenerfolg", hatte er der Zeitung „Euro am Sonntag" gesagt. Bisher war man davon ausgegangen, dass bis Ende 2013 rund 1,5 Millionen Verträge abgeschlossen sein könnten, denn für so viele Verträge sind im laufenden Bundeshaushalt Zuschüsse einkalkuliert. „Der Betrag im Bundeshaushalt hat mit einem Jahresziel nichts zu tun", sagte Bahr. Bis Ende Mai waren rund 150.000 Verträge abgeschlossen, so die letzten verfügbaren Zahlen. Nach Auskunft des Verbandes der Privaten Krankenversicherer (www.pkv.de) werden täglich rund 1.000 neue Verträge abgeschlossen.
Unter dem Eindruck des selbst von der Branche nicht erwarteten Vertriebserfolgs waren die Kritiker fast verstummt. Der Bund der Versicherten (www.bundderversicherten.de) BdV entfachte die Diskussion über Sinn oder Unsinn von „Pflege-Bahr" jetzt neu. Die Krankenversicherer verschickten Pflege-Bahr-Anträge „als gäbe es kein Morgen", teilweise sogar als Postwurfsendung. Die Gründe hierfür seien offensichtlich: „Der Vertrag ist einfach abzuschließen, denn es besteht Annahmezwang, eine Gesundheitsprüfung erfolgt nicht und die Leistungen sind vorgegeben" erklärt Timo Voss (Foto), Berater beim Bund der Versicherten.
Laut BdV seien folgend Fragen erlaubt: „Ist es tatsächlich von der Regierung so gewollt, dass diese Verträge nach dem Gießkannenprinzip an den Verbraucher gebracht werden?" Dies sei für die wichtige private Absicherung im Pflegefall schwer vorstellbar. Gerade hier müsse eine vollumfängliche und dem Bedarf entsprechende Beratung das Ziel sein. „Was bringt es dem Verbraucher, wenn er in Pflegestufe III einen Betrag von 600 Euro erhält, aber das Doppelte an Bedarf hat?", so der BdV weiter.
Geringe Provision dämpft Beratungseifer
Die Verbraucherschützer bezweifeln, ob beim Vertrieb von „Pflege-Bahr" ausreichend und qualifiziert beraten wird. Als Gründe führt der BdV an, dass die Provision für den Vermittler auf zwei Monatsbeiträge begrenzt ist. Dementsprechend seien der Verkauf und insbesondere die Beratung nicht lukrativ genug, um das Thema Pflegezusatzversicherung beim Verbraucher anzusprechen. Der BdV fordern die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) auf, die privaten Krankenversicherer strenger zu kontrollieren und auf eine bedarfsgerechte Beratung, entsprechend den Regelungen des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG), nachhaltig zu bestehen.
Der BdV rät Verbrauchern, die gesund und an dem Abschluss einer Privaten Pflegeversicherung interessiert sind, sich auf dem normalen Versicherungsmarkt nach geeigneten Tarifen umschauen. Denn da auch Kranke und Personen mit hohem Pflegerisiko die Pflege-Bahr-Tarife abschließen können, würden diese Tarife mit starken Prämienerhöhungen behaftet sein. Dieser zusätzliche „Sicherheitszuschlag" werde die geringe staatliche Förderung vermutlich aufbrauchen.
Kritik geht an Praxis teilweise vorbei
Wie auf einem Praxisworkshop des Krankenversicherungsspezialisten KVpro (www.kvpro.de) im Juni in Berlin deutlich wurde, verkaufen Krankenversicherer die geförderte Pflegeversicherung vorzugsweise im Tandem mit ungeförderten Pflegezusatzversicherungen, die die verbleibende Lücke zu den tatsächlichen Pflegekosten schließen. In der vertrieblichen Praxis ist der „Pflege-Bahr" und die staatliche Förderung von fünf Euro monatlich eher der Anlass für den Einstieg in die Pflegevorsorgeberatung als das Endziel. Das scheint zu funktionieren. Zudem eröffnet der Pflege-Bahr den Zugang zu jungen Kunden, denn sie können dank der langen Laufzeit das finanzielle Risiko allein mit der geförderten Pflegevorsorge nahezu vollständig abdecken. Bleibt der Kritikpunkt latente Beitragserhöhung als Folge des Kontrahierungszwangs. Das bleibt so lange Spekulation, bis sie eingetreten ist. Nach Auskunft der privaten Krankenversicherer trifft es nicht zu, dass vor allem Alte und Kranke das Produkt abschließen. Im Gegenteil, es werde vor allem von jungen Kunden im Alter zwischen 25 und 35 Jahren gekauft. Diese Kundengruppe mache 40 Prozent aller Antragsteller aus. Jünger als 50 Jahre seien insgesamt 56 Prozent. (hp / www.bocquel-news.de)
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