14. März 2013 - Die Betriebsräte aus Unternehmen der PKV privaten Krankenversicherung machen mobil. „Wir sagen ‚Bürgerversicherung' Nein danke!" haben sie sich auf die Fahnen geschrieben. In einer bundesweiten Betriebsrätekonferenz schärften 50 Betriebsräte das PKV-Profil.
Die Betriebsräte aus Unternehmen der PKV privaten Krankenversicherer laufen Sturm. Sie wehren sich vehement gegen kontrovers geführte Diskussionen zu Reformen im deutschen Gesundheits-System und die Abschaffung des dualen Systems. Wer die Abschaffung der PKV wolle, löse keine Probleme, sondern würde über 75.000 Arbeitsplätze vernichten. Gemeinsam machen die Betriebsräte Front dagegen und haben sich mit Kollegen aus der Allianz Private Krankenversicherung (www.allianz.de), der Barmenia (www.barmenia.de), der Central (www.central.de), der Continentale (www.continental.de), der Europa Versicherung (www.europa.de), der Gothaer Krankenversicherung (www.gothaer.de), der Halleschen Privaten Krankenversicherung (www.hallesche.de) und der Versicherungskammer Bayern (www.vkb.de) zu einer Initiative zusammengeschlossen und zu einer bundesweiten Betriebsrätekonferenz am vergangenen Dienstag nach Wuppertal aufgerufen.
Das Nebeneinander von gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) und privater Krankenversicherung (PKV) habe sich für die gesamte Bevölkerung hierzulande bewährt. „Die von SPD, Grünen, Linken und DGB-Gewerkschaften favorisierten Konzepte einer ‚Bürgerversicherung' werden unser bestehendes Gesundheits-System zerstören", lautet die Sprachregelung der Betriebsräte-Initiative.
"Von SPD, Grünen, DGB und leider auch ver.di wird immer so getan, als hätten sie ein gemeinsames Konzept für die Reform des Gesundheitswesens. Der einzige Punkt, in dem sie sich tatsächlich einig sind, ist aber die Vernichtung der Arbeitsplätze vor allem in den privaten Krankenversicherungen.", heißt es dazu auch auf den Websites der NAG Neue Assekuranz Gewerkschaft (www.neue-assekuranz-gewerkschaft.de), die sich bereits Ende 2010 firmierte und jetzt auch die Betriebsräte der PKV-Unternehmen unterstützt.
Die "Bürgerversicherung" löse keine Probleme des Gesundheitssystems - sie würde vielmehr schwerwiegende neue Probleme schaffen. In einem Drei-Punkte-Papier fassen die Betriebsräte ihre Kritik zusammen:
- "Bürgerversicherung" gefährdet Patientenversorgung! Das heute sehr gute medizinische Versorgungsniveau für alle Bürger kann nach dem Wegfall der PKV nicht mehr aufrecht erhalten werden. Die Qualität der Arztpraxen profitiert von der Mischung der gesetzlich und privat versicherten Patienten. Die Einnahmen aus Privatabrechnungen bilden die Basis für Investitionen in den medizinischen Fortschritt, die auch den GKV-Patienten zu Gute kommen. Fällt diese weg, entsteht eine flächendeckende medizinische Unterversorgung für die Bevölkerung.
- "Bürgerversicherung" schafft Zweiklassenmedizin! In einem Einheits-System ist es für den Staat noch einfacher als bisher, medizinische Leistungen zu reduzieren. Exzellente medizinische Versorgung auf dem neuesten wissenschaftlichen Stand gibt es dann nur noch in Privatarztpraxen und Privatkliniken. Gesundheit wird somit immer mehr eine Frage des Geldes. Das ist Zweiklassenmedizin in Reinkultur. Eine solche Entwicklung hat sich bereits in den Niederlanden und in Großbritannien gezeigt. In den Niederlanden wird mittlerweile wieder der Ausstieg aus diesem System diskutiert.
- "Bürgerversicherung" erbt GKV-Probleme! Durch die Zwangsverpflichtung der circa 10 Prozent privat versicherten Bürger können die Probleme der GKV (zum Beispiel zu lange Wartezeiten, steigende Zuzahlungen und Leistungskürzungen) nicht gelöst werden. Die sogenannte "Bürgerversicherung" vernichtet massiv Arbeitsplätze.
Weiter heißt es in der Betriebsräteschrift: Die private Vollversicherung stellt das Fundament der PKV-Unternehmen dar. Fällt sie weg, verschwinden mit ihr über 75.000 Arbeitsplätze in der Versicherungs-Branche. Darüber hinaus sind viele tausend Arbeitsplätze in anderen medizinischen und verwaltenden Bereichen (zum Beispiel Arztpraxen und Krankenhäuser) bedroht. Die Einführung der "Bürgerversicherung" bedeutet die Schließung ganzer Standorte und die Verlagerung von Arbeitsplätzen. Allein durch Zusatzversicherungen lässt sich dieser Verlust nicht kompensieren. Familien und Existenzen werden zerstört. „Das Nebeneinander von GKV und PKV hat sich bewährt Unser deutsches Gesundheitssystem genießt international höchstes Ansehen. Andere Länder beneiden uns darum. Das duale System hat seine Vorzüge und sich über Jahrzehnte durchgesetzt. Das sehen GKV und PKV gleichermaßen", heißt es in der Zusammenfassung.
Um Verbesserungen in den beiden Systemen von PKV und GKV zu erreichen, müssten jetzt - so die Betriebsräte - bestimmte Dinge direkt angegangen werden. Damit werde die medizinische Versorgung auch zukünftig mit hoher Qualität sichergestellt. „Wir fordern von der Politik unter Einbeziehung aller Beteiligten die Gestaltung einer zukunftsfähigen Gesundheitsreform. Über 75.000 Arbeitsplätze dürfen nicht einfach sozialpolitischen Ideologien geopfert werden!"
Pro und Kontra
Das Thema „Pro und Kontra PKV und GKV" ist nicht neu und beschäftigt Politik und Bevölkerung sowie auch die Redaktion der bocquel-news schon seit Jahren ("Nur Bürger-Versicherung?"). Vor Jahren stritten sich die Politiker noch, was besser sei - die sogenannte "Bürgerversicherung" oder eine „Kopf-Pauschale" für jeden Krankenversicherten. Jetzt angesichts der Bundestagstagswahl im September wird deutlich, wie tief die Gräben zwischen Befürwortern und Gegnern des dualen Systems sind - und wie sehr die Ausrichtung auf nur eine Bürgerversicherung von der politischen Anschauung abhängt.
SPD, Grüne, Linke und DGB-Gewerkschaften favorisieren das Konzept einer "Bürgerversicherung". . Die FDP möchte das duale System beibehalten, während die Haltung der CDU nicht in allen Reihen der Christdemokraten für oder gegen das alt bewährte System eindeutig auszumachen ist. Lediglich die CSU habe sich bereits öffentlich und eindeutig zum Erhalt des dualen Systems bekannt.
Die Notwendigkeiten für Reformen im deutschen Gesundheitswesen ist offensichtlich. Ob dabei aber eine ganze Branche über die Klinge springen sollte, ist erschreckend. Die privaten Krankenversicherer müssten viel mehr Druck machen, alte Zöpfe abschneiden und mit Tarifen zu bezahlbaren Preisen für alle an den Start gehen. |
Die PKV-Betriebsräte erinnern unter anderem auch daran, dass die Regierungskoalition die für den 1. Februar 2013 geplante Abstimmung des Bundestages über den Gesetzentwurf zur Regelung des Beschäftigtendatenschutzes (BT-Drs. 17/4230) von der Tagesordnung genommen und weitere Gespräche mit allen Beteiligten angekündigt habe. Die PKV-Betriebsräte lehnen den vorgelegten Änderungsentwurf als Eingriff in die Grundrechte der Beschäftigten ab. Beschäftigte dürften im Betrieb keinen Datenschutz zweiter Klasse erhalten, um wirtschaftlichen Interessen der Arbeitgeber damit zu dienen. Die Betriebsräte aus den folgenden Versicherungsunternehmen unterzeichnen die gemeinsame Erklärung:
Anton Wald, Marc Lorbeer, Melanie Heil, Allianz Private Krankenversicherungs-AG;
Jutta Strehler, Martin Bührmann, Alte Oldenburger Krankenversicherung AG;
Gert Schröder, Erich Teister, Axa Krankenversicherung AG;
Heike Rottmann, Claus-Dieter Tydecks, Stefan Kappel, Christel Duhr, Gerhard Kummerow, Barmenia Versicherungen;
Markus Klee, Marlies Pörtner, Central Krankenversicherung AG;
Bernd Schneider, Detlef Mursch, Martina Friedrich, Continentale Krankenversicherung;
Jan-Marco Becker, Andreas Pensel, Hartmut Gennrich, Frank-Detlev Stöhr, DKV - Deutsche Krankenversicherung AG;
Joachim Liesenfeld, Europa Versicherungen AG;
Peter Abend, Christa Schroeder, Bruno Pesch, Matthias Rottwinkel, Gothaer Krankenversicherung AG;
Uwe Runge, Dirk Wussmann, Martin Adam, Sabine Beeker, Brigitte Rilling, Hallesche Krankenversicherung a. G.;
Ulrich May, HanseMerkur Krankenversicherung AG;
Jörg Friedrichs, Hans-Jürgen Pahlke, Inter Krankenversicherung a. G.;
Ulrich Scheffer, Beate Janssen, LVM - Landwirtschaftlicher Versicherungsverein Münster a. G.;
Roland Keuerleber, Erika Faber-Becker, Mannheimer Krankenversicherung AG;
Jan Eickhoff, Mecklenburgische Versicherungs-Gesellschaft a. G.;
Inge Braun, Wolfgang Graßl, Münchener Verein Krankenversicherung a. G.;
Jan Hinz, R + V Krankenversicherung AG;
Ute Peemöller, Martin Borkenfels, Signal Krankenversicherung a. G.;
Nicola-Simone Rauser, Peter J. Derer, SDK - Süddeutsche Krankenversicherung a. G.;
Eva-Romana Mielsch, Dr. Ditmar Schulze, Union Krankenversicherung AG;
Hans-Jörg Rippstain, Gabriele Edlhuber, VKB - Versicherungskammer Bayern.
Insgesamt hatten über 100.000 Unterzeichner mit ihrer Unterschrift unter die Petition ihre berechtigte Kritik gegen das Gesetzesvorhaben zum Ausdruck gebracht, darunter auch viele NAG-Mitglieder. Außerdem wollen die Betriebsräte mit regionalen und überregionalen Aktionen in der Zeit bis zur Bundestagswahl weiter für den Erhalt der Arbeitsplätze in der PKV kämpfen. So sei etwa geplant, an einem Tag um alle PKV-Unternehmen bundesweit eine Menschenkette zu bilden. (eb / www.bocquel-news.de)
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