19. September 2013 - Bei etlichen Riester-Verträgen ist etwas faul. Das heißt, nicht eigentlich das Vertragswerk ist schlecht, sondern die automatisierte Zulagen-Berechnung, durch die laut Stiftung Warentest in 80.000 Fällen fälschlich Fördergelder zurückgeholt wurden.
700 Millionen Euro an Förderung hat der Staat Riester-Sparern 2012 wieder abgenommen. Diese Nachricht in der Oktober-Ausgabe des Verbraucher-Magazins Finanztest (www.test.de) erschüttert fast alle, die eine Riester-Rente abgeschlossen haben. Wie in Finanztest 10/2013 zu lesen ist, können sich die Betroffenen die Gründe für die zurückgenommene Zulage häufig nicht erklären. Finanztest hat eigenen Angaben zufolge herausgefunden: Mit der Rückhol-Praxis verstößt der Staat in manchen Fällen sogar gegen geltendes Recht und beschert den Bürgern durch überlange Bearbeitungszeit zusätzliche Verluste.
„Etwas ist gehörig faul im Riester-SparerLand", entrüsten sich die Verbraucherschützer im Magazin, das zur Stiftung Warentest (www.stiftung-warentest.de) gehört. Die Förderung, die der Staat für die ergänzende Altersvorsorge zur Verfügung stelle, würde er vielen einige Jahre später wieder wegnehmen. Und das nicht nur ohne Vorwarnung, sondern auch mit einem Verstoß gegen die eigenen Vorschriften. Laut Finanztest ließ die ZfA Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen (www.zfa.deutsche-rentenversicherung-bund.de) 2012 rund 700 Millionen Euro von den Sparguthaben der Riester-Sparer durch die Anbieter wieder einziehen. Und das nur für die drei Jahre von 2008 bis 2010. Dabei würde es sich um fast 10 Prozent aller Zulagen handeln, die die ZfA im gleichen Zeitraum ausgezahlt hat.
Nach Angaben des zuständigen BMF Bundesfinanz-Ministeriums (www.bundesfinanzministerium.de) erhielten Anleger zwischen 2008 und 2010 insgesamt 7,2 Milliarden Euro. „Als wir unsere Leser nach ihren Erfahrungen mit der Rückbuchung von Zulagen fragten, meldeten sich in kurzer Zeit etwa 60 Riester-Sparer", teilt die Finanztest-Reaktionen zu den Meldungen mit. Die Leserreaktionen: kritisch, sarkastisch, empört. Viele hätten Intransparenz, sehr lange Reaktionszeiten der ZfA, aber auch Fehlberatung durch die Anbieter der Riester-Verträge bemängelt.
Keine Rückbuchung nach vier Jahren
Doch die bedenklichste Überraschung für die Verbraucherschützer sei es aber gewesen, dass die ZfA selbst dann Zulagen wieder einkassierte, wenn sie es laut Abgabenordnung, die Rückbuchung von Zulagen regelt, gar nicht darf. Demnach dürfen Riester-Zulagen nur die letzten vier Jahre seit Bestehen eines Riester-Abschlusses zurückgebucht werden, und auch nur dann wenn sie zu Unrecht an Sparer gingen. Doch an diese Frist hält sich die ZfA nach Darstellung der Stiftung Warentest nicht. Die Frist beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem die Zulage beantragt wurde. Hat ein Sparer beispielsweise seine Zulage für 2005 im Jahr 2006 beantragt, startet die Frist am 1. Januar 2007 und endet am 31. Dezember 2010. Die ZfA prüft eigenen Angaben zufolge „weitgehend automatisiert", so ein Sprecher des BundesfinanzMinisteriums. Nach der vierjährigen Frist seien Aufhebungen oder Änderungen nicht mehr zulässig.
Zahlen laut BFM "nicht zutreffend"
Doch allein für das Beitragsjahr 2005 habe die ZfA in 84.410 Fällen die Zulage erst nach Ablauf der Frist neu berechnet und damit teilweise zurückgefordert. Die Zahl wies das Bundesfinanz-Ministerium als "nicht zutreffend" zurück. Sie betreffe vielmehr alle Fälle, bei denen vom 1. Januar 2011 bis 31. Januar 2013 die Zulage neu berechnet worden sei. Dazu würden auch Fälle gehören, in denen die Frist zum Zeitpunkt der Neuberechnung noch nicht abgelaufen gewesen sei.
Zudem gibt es dem Bericht zufolge noch weitere Probleme, so sei das automatisierte Verfahren der ZfA immer wieder einmal fehlerhaft. Zulagen würden überdies ohne Vorwarnung und ohne Begründung zurückgebucht. Eine Beschwerde sei daher kompliziert und extrem langwierig. "Die Bearbeitungsdauer für einen entsprechenden Festsetzungsantrag liegt bei weit über einem Jahr", zitierte die Zeitschrift aus einem Vermerk des Schäuble-Ressorts.
Anweisung an ZfA
Inzwischen hat das Finanzministerium dem Finanztest-Bericht zufolge reagiert. Nachdem festgestellt worden sei, dass wegen des automatisierten Verfahrens bei der ZfA die Fristen "nicht ausreichend mit in die Betrachtung des Einzelfalls einbezogen wurden", habe das Ministerium die Behörde angewiesen, das vollautomatische Verfahren anzupassen und im Zweifelsfall manuell zu überprüfen.
„Keine vollmaschinellen Rückforderungen mehr vornehmen"
Für Riester-Sparer, von denen die ZfA Zulagen zurückforderte, gibt es in der Oktober-Ausgabe von Finanztest Trost und Rat, was sie nun tun sollten. Konfrontiert mit der regelwidrigen Vorgehensweise der Behörde habe das BundesfinanzMinisterium mitgeeteilt, die ZfA sei nun angewiesen, „bei Beitragsjahren, die mehr als vier Jahre zurückliegen, keine vollmaschinellen Rückforderungen mehr vorzunehmen". Wie viele Riester-Sparer durch verspätete Rückforderungen allein im Jahr 2005 zu Schaden gekommen seien, habe der MinisteriumsSprecher nicht beantworten können. Dies lasse sich „nur im Einzelfall ermitteln". Finanztest rät nun Kunden, denen die ZfA erst nach Ablauf der VierJahresfrist die Zulagen ganz oder teilweise storniert habe, einen Antrag auf Festsetzung der Zulage zu stellen und dabei auf die Fristüberschreitung hinzuweisen.
In mehreren Beispielen zum Zulagen-Eklat nennt Finanztest in seiner Oktober-Ausgabe Ross und Reiter, Betroffene und Anbieter.
Grundzulage beträgt jährlich 154 Euro
Mit der Riester-Rente fördert der Staat die private Altersvorsorge. Wer 4 Prozent seines rentenversicherungspflichtigen Einkommens in entsprechende Verträge einzahle, erhält den Angaben zufolge eine Grundzulage von 154 Euro jährlich. Die Zulagen können Für Eltern mit Kindern können die Zulagen darüber hinaus noch deutlich ansteigen. Es gibt einige Riester-Varianten - etwa Riester-Renten-Verträge, Riester-Sparpläne und den sogenannten Wohn-Riester, mit dem seit einiger Zeit auch spezielle Sparverträge für Bauherren und Wohnungskäufer staatliche Zuschüsse erhalten können.
Dringende Korrektur
Der GDV Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (www.gdv.de) gibt dazu bekannt, dass es "gesetzlich klar geregelt" sei, unter welchen Voraussetzungen Riester-Zulagen zurückgefordert werden könnten. Die Branche gehe davon aus, dass die ZfA diese Vorgaben einhalte. "Sollte es hier tatsächlich zu Versäumnissen gekommen sein, müssen diese dringend korrigiert werden", heißt es beim GDV. (eb / www.bocquel-news.de)
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