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Namen und Nachrichten

"Ich lasse mich nicht vor jeden Karren spannen"

27. Juni 2013 - Wachwechsel bei der Signal Iduna Gruppe: Zum Monatsende geht ihr Vorsitzender der Vorstände, Reinhold Schulte, 65-jährig in den Ruhestand. Den Chefsessel nimmt dann Ulrich Leitermann ein, der seit 17 Jahren bei der Signal Iduna tätig ist. Ein kurzer Rückblick.

Reinhold Schulte Reinhold Schulte (Foto), Chef der Signal Iduna Gruppe (www.signal-iduna.de) und PKV-Vorsitzender, hat heute seinen letzten offiziellen Arbeitstag. Danach will sich der 65-Jährige ins Privatleben zurückziehen. Ob ihm das gelingen kann, hinterfragen wir in einem Interview mit dem gebürtigen Westfalen. Reinhold Schulte hat während seiner gesamten Amtszeit den Erhalt und Fortbestand der Privaten Krankenversicherung zu seinem eigenen, ganz persönlichen Anliegen gemacht. Unter anderem war er bis Ende dieser Woche elf Jahre lang Vorstandsvorsitzender des Verbandes der Privaten Krankenversicherung e.V. (www.pkv.de). Ständig stand er im Dialog mit dem jeweils amtierenden Bundesgesundheitsminister, zu denen unter anderem auch die streitbare Ulla Schmidt gehörte. Reinhold Schulte tritt jetzt aus Altersgründen ab, während gerade mal wieder die Debatten über das Pro und Contra des dualen Systems mit der Privaten und der Gesetzlichen Krankenversicherung und/oder der Einführung der (gleichmachenden) Bürgerversicherung besonders hitzig geführt werden.

Wer das Engagement Reinhold Schultes in dieser Sache kennt, weiß, dass er sich sicherlich nie ganz aus den Diskussionen im deutschen Gesundheitswesen heraushalten wird. „Ich werde mich aber nicht vor irgendeinen Karren spannen lassen - und schon gar nicht für Geld!", sagt er dazu. In unserem Interview lässt sich Reinhold Schulte noch ein wenig mehr in die Karten schauen.

E. Bocquel: Herr Schulte, als Sie vor 41 Jahren zur Signal kamen, galt das deutsche Gesundheitswesen noch als „heile Welt". Wer wenig verdiente, war Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse, die nahezu alle Kosten im medizinischen Heil- und Pflegewesen übernahm und trug, während Privatpatienten noch etwas komfortabler mit höheren Beiträgen bei einem PKV-Unternehmen versichert waren. Heute ist das anders. Viele Politiker sehen nun die Bürgerversicherung als die segensreiche Lösung an. Sie vertreten dazu eine ganz andere Meinung, welcher?

Reinhold Schulte: Die Bürgerversicherung wird nicht kommen, weil sie niemandem nützt. Am Ende wird es mit einer Einheitsversicherung für alle schlechter. Es gibt keinen Wettbewerb mehr zwischen der Privaten und der Gesetzlichen Krankenversicherung, die vor allem medizinische Innovationen und ein höheres Leistungsniveau der Gesetzlichen Krankenversicherung garantiert. Die Bürgerzwangsversicherung führt zu einer Zwei-Klassen-Medizin, die wir heute nicht haben. Dann sitzen alle wirklich in der 2. Klasse. Wer es sich leisten kann, muss dann alles andere selbst bezahlen.

Wir haben durch die Dualität eines der besten Gesundheitssysteme der Welt und damit das so bleibt, sollten wir alle immer wieder dafür kämpfen. Wie man sieht, es lohnt sich.

E. Bocquel: Wie sieht Ihre Prognose für die Zeit nach der Bundestagswahl im September aus? Geht die Auseinandersetzung im Gesundheitswesen weiter? Wo müsste die neue - eventuell die „alte" neue - Regierung ansetzen, damit wieder Ruhe einkehrt und der soziale Frieden wieder hergestellt werden kann?

Reinhold Schulte Reinhold Schulte: Ein Blick in die Welt, gerade in diesen Tagen, zeigt, wie gut es uns in Deutschland geht. Wir haben stabile wirtschaftliche Rahmenbedingungen und Freiheit, bei uns müssen die Menschen nicht zu Abertausenden für das eine oder das andere auf die Straße gehen. Diesen sozialen Frieden, der seinen Ursprung in der sozialen Marktwirtschaft hat, gilt es zu erhalten und zu bewahren. Dafür muss die Politik nun endlich, nach über 20 Jahren einer Vogel-Strauß-Politik bezogen auf die demografische Entwicklung, die richtigen Weichen für eine immer älter werdende Bevölkerung stellen.

Es gibt richtige Ansätze wie die Riester- und Rürup-Rente oder die Bahr-Pflege. Dabei sind zwei Stellschrauben entscheidend, die deutlich schneller gedreht werden müssen als in der Vergangenheit. Zum einen die staatliche Förderung privater Alters-, Gesundheits- und Pflegevorsorge. Zum anderen die Erhöhung der Vorsorgefähigkeit der Bürger- mehr Netto vom Brutto und Haushaltskonsolidierung sind hier die Stichworte.

E. Bocquel: Waren Sie bereits in Ihren beruflichen Anfängen auf das Thema Krankenversicherung fixiert? Oder welche anderen Versicherungssparten haben Sie damals besonders interessiert?

Reinhold Schulte: Krankenversicherung war am Anfang gar nicht mein Thema (lacht). Ich bin bei den Signal Versicherungen als Sachversicherungsspezialist eingestellt worden, gerade weil man das Kompositgeschäft deutlich stärken wollte.

E. Bocquel: Ab wann hat Ihrer Meinung nach das intensive Einmischen des Gesetzgebers ins Gesundheitssystem die Problematik vergrößert? Wer trägt die größte Schuld an dem heutigen „Hick-Hack" im Krankenversicherungs-System?

Reinhold Schulte: Das begann schon in den siebziger Jahren, als man die Landwirte in die Gesetzliche Krankenversicherung zwangsweise integriert hat. Seither folgt jeder Ebbe in der Kasse eine Gesundheitsreform, wahlweise mit Beitragserhöhungen und Leistungskürzungen.

E. Bocquel: Aus welchen Kernelementen sollten künftig auch die gesetzliche Krankenkassen bestehen? Oder ist das Kassenangebot im Verhältnis zu den Beiträgen in der GKV rundum stimmig? Das Prämiengefüge in der PKV ist meiner Meinung nach nicht unbedingt teurer. Woran hapert es in der GKV?

Reinhold Schulte: Ich bin fest davon überzeugt, dass beide Krankenversicherungssysteme ihre Berechtigung haben. Die Frage ist allerdings, da gebe ich Ihnen recht, ob wirklich 90 Prozent in der GKV versichert sein müssen. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung sollte sich die Politik ernsthaft damit beschäftigen, die Versicherungspflichtgrenze deutlich abzusenken.

E. Bocquel: Was hat Sie im Laufe Ihres Berufslebens besonders enttäuscht. Gefragt sind hier nicht nur politische Entscheidungen und Einbrüche, sondern auch andere Ereignisse - etwa wenn sich bei der Signal Iduna etwas nicht so entwickelt hat, wie Sie es gern wollten?

Reinhold Schulte: Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen nur zu gut, dass mir viele Dinge oft nicht schnell genug gingen. „Zügig" war da ein vielbenutztes Wort, sagen meine Mitarbeiter (lacht). Ich bin mit der Entwicklung unserer Signal Iduna Gruppe sehr zufrieden und war es immer. Daran haben viele mitgewirkt und darauf können wir alle bei uns zu Recht stolz sein.

E. Bocquel: Worauf sind Sie stolz, wenn die Rede auf Ihr Berufsleben kommt?

Reinhold Schulte: Ich freue mich sehr darüber, dass man mir in jungen Jahren die Chance gegeben hat, Verantwortung zu übernehmen und dass ich über 16 Jahre die Geschicke der Signal Iduna Gruppe lenken durfte. Dass wir heute zu den Top Ten der deutschen Erstversicherer gehören, macht mich auch ein wenig stolz.

E. Bocquel: Wie eingangs erwähnt, kann ich mir nicht vorstellen, dass Sie offiziell als Ruheständler untätig herumsitzen werden. Wir wissen, dass Sie gern und viel Sport betreiben. Sind Sie künftig nur noch im Fitness-Center oder auf dem Golfplatz zu finden? Oder was möchten Sie sonst mit Ihrer neugewonnenen Zeit machen?

Reinhold Schulte: Ich möchte mehr Zeit mit meiner Familie verbringen. Meine Frau, meine Kinder und Enkelkinder freuen sich schon darauf, mich öfter zu sehen. Sport werde ich auch wieder intensiver betreiben. Als Aufsichtsratsvorsitzender und auch bei meinen Ehrenämtern habe ich dann auch noch einige Aufgaben, so dass mir bestimmt nicht langweilig wird.

E. Bocquel: Wenn eine gute Fee Ihnen heute drei Wünsche erfüllen könnte, was würden Sie dann nennen?

Reinhold Schulte: Gesundheit, Gesundheit, Gesundheit, alles andere ergibt sich.

E. Bocquel: Wir hoffen, dass Sie sich auch künftig ins politische Geschehen rund um die privaten und auch gesetzlichen Krankenversicherungen einmischen. Ihr Sachverstand und Ihr Einsatz gilt über die Branche hinaus sehr viel. Ich persönlich habe den Eindruck, dass die meisten hier involvierten Politiker immer noch nicht verstanden haben, worum es eigentlich geht. Da müssen solche Leute wie Sie einfach weiter mithelfen, eine gangbare Lösung zu finden. (Das Interview führte Ellen Bocquel / www.bocquel-news.de)

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