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Konzepte und Kriterien

Schlechte Aussichten

19. Oktober 2006 - Schlechte Aussichten für die Autoversicherer: Die Prämien sinken weiter; die Schadenaufwendungen steigen. Bei der Euroforum-Konferenz "Kfz-Versicherung" (www.euroforum.de) wurde Tacheles geredet.

Rolf-Peter WerlitzVom GDV Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (www.gdv.de) sickerten bisher unbestätigte Zahlen durch, wonach die Branche davon ausgeht, dass schon im nächsten Jahr die Beitragseinnahmen in den Kfz-Versicherungen durchschnittlich um 8 Prozent hinter den jetzigen 21 Milliarden Euro zurück bleiben werden. Bei der jüngsten Euroforum-Konferenz "Kfz-Versicherung" in Köln sprachen Experten über Trends und Herausforderungen des Marktes. Nach drei guten Jahren werden jetzt ihren Prognosen zufolge mindestens drei schlechte Jahre für die Autocversicherer folgen. Der Preiskampf sprenge alle Maßstäbe.

"Wir gehen ganz klar weiter von einer Reduzierung der Beitragseinnahmen aus", sagte Rolf-Peter Werlitz (Foto) von der Europ Assistance Versicherungs-AG (www.europ-assistance.de), München. Schuld daran sei der intensive Preiskampf im Wettbewerb um den Kunden. Bekanntlich ist am 30. November der Stichtag, bis zu dem Autofahrer ihre Kfz-Versicherung wieder kündigen können. Die Autoversicherung galt bisher als das klassische Einstiegsprodukt. Rolf-Peter Werlitz machte eine Bestandsaufnahme, welche Ausgangssituation sich derzeit am Versicherungsmarkt bietet. "Die Hälfte aller Kunden hat schon einmal die Kfz-Versicherung gewechselt. Kündigungserfahrene Kunden sind eher dazu bereit, wieder zu wechseln", gab er zu bedenken. Noch werde die Kfz-Versicherung von den Kunden isoliert betrachtet. Deshalb übertrage sich die Kündigungsbereitschaft noch nicht auf andere Sparten. Vor dem Hintergrund der Dumpingpreise, mit denen die Versicherer schwerlich kostendeckend arbeiten könnte, sollte man auch an die hohen Kosten denken, die durch Kündigungsbearbeitung hervorgerufen werden. Die Branche stehe stark unter Druck, was sich in einem äußerst aggressiven Preiswettbewerb äußere.

Die Preissensibilität der Kunden und Autofahrer sei ungebrochen, zumal sich kein spürbarer Konjunkturanstieg abzeichne. Der Wettbewerb hat sich erneut verschärft, so dass die Versicherungs-Branche ihren Kunden trotz der Mehrwertsteuererhöhung und der parallel dazu gleichfalls höheren Versicherungssteuer für das kommende Jahr weiter sinkende Durchschnittsbeiträge offeriert.

Kein rasantes Wachstum mehr
"Bei der Zahl der Pkw-Neuzulassungen ist kein rasantes Wachstum zu erwarten", betonte Werlitz. Bis zum Jahr 2010 werde der Bestand der Privatautos in Deutschland von derzeit rund 42 Millionen auf maximal 44 Millionen steigen. Also sei kein nennenswertes Wachstum für die Branche in Sicht.

Dabei wird das Geschäft immer schwerer. Schon in diesem Jahr rechnet die Kfz-Versicherungsbranche mit einem Rückgang der Einnahmen von 4 bis 5 Prozent; gleichzeitig steige die Zahl der versicherten Autos höchstens um etwa 0,5 Prozent.

Aber statt den Wettbewerb um den Kunden durch einen ruinösen Preiskampf zu forcieren, sollten sich die Autoversicherer nach neuen Kundenbindungs-Maßnahmen umsehen. Ein probates Mittel die Kundenbindung zu forcieren, könne man durch Produkte mit Alleinstellungsmerkmale erreichen. Werlitz erwähnte in diesem Zusammenhang Laufzeitprodukte und Serviceerweiterungen.

Michael Neeb"Die Mehrwertsteuererhöhung führt 2007 zum Anstieg der Schadendurchschnitte in der Kfz-Versicherungssparte", sagte Michael Neeb (Foto) von der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft AG (www.munichre.de). Der Experte zeichnete zwei unterschiedliche Szenarien, an denen die Trends der Branchenentwicklung festgemacht werden könnten. In einem seiner Beispiele wurde davon ausgegangen, dass sich ein weiterer Rückgang der Schadenhäufigkeit in der Kraftfahrthaftpflicht abzeichne. Gleichzeitig stagnieren die Schadenzahlen in Kasko. Damit sei ganz klar, dass die "Mehrwertsteuererhöhung zum Anstieg der Schadendurchschnitte 2007" führe. Ansonsten sei in diesem Fall mit einer moderaten Entwicklung in der Autoversicherung auszugehen. Zum Jahreswechsel 2007 werde die Branche einen leichten Anstieg der Bestsandsprämien verzeichnen können, was jedoch nicht ausreiche, um die Mehrwertsteuererhöhung auszugleichen. Neeb: "Wir erwarten 2007 ein deutlich negatives Ergebnis." Der Rückgang der Beitragseinnahmen werde dann 2008 geringfügiger ausfallen und im Jahr 2009 stagnieren.

Sachschadendurchschnitt meist deutlich niedriger
Mit Blick auf die Nachbarländer in Europa stellte Neeb fest, das der Sachschadendurchschnitt meist deutlich niedriger liege als in Deutschland. Das liege teilweise auch an der in Frankreich, Italien und Spanien möglichen und vielfach preiswerteren Direktregulierung, die hierzulande derzeit keine Rolle spiele. Michael Neeb berichtete auch, dass das Schadenmanagement in anderen Ländern zum Teil sehr weit und besser als in Deutschland entwickelt sei. Die deutschen Versicherer zeigten sich in dieser Thematik nur langsam aufgeschlossener, dabei komme niemand einem professionellen Schadenmanagement vor. "Rückläufige Kasko-Schadendurchschnitte sind ein Indiz für erste Erfolge von Schadenmanagement-Aktivitäten in Deutschland", sagte Neeb. Das Potenzial sei aber bei weitem noch nicht ausgeschöpft.

Für die Entwicklung auf dem deutschen Markt zeichnet sich nach Neeb eine zunehmende Bedeutung von Produktvariationen und Zweitmarken ab. Es werde auch zu weiteren Neugründungen kommen. Zudem werden immer wieder neue Produkte auf den Markt kommen, die meist als Basis- oder Sparprodukte konzipiert werden.

Nicht verkannt werden dürfe, dass der Anteil der preisbewussten Kunden weiter steige. Unterm Strich sei weiterhin mit einem starken Preisabrieb in Kfz zu erwarten.

Dr. Paul TriggsDr. Paul Triggs (Foto) von der Informa Unternehmensberatung GmbH (www.informa.de) erklärte dann als nächster Redner der Euroforum-Konferenz "warum Bonitätsdaten und Scores den Kfz-Markt erobern". Einige Versicherer haben nach Dr.Triggs Aussagen damit begonnen, Antragsteller und Kunden in spe mittels Bonitätsdaten zu prüfen. Zur Begründung, was sich dadurch für die Versicherer verändere, erstellte er eine Modellrechnung, deren Ergebnis verblüffte. Als Basis ging er in seinem Beispiel davon aus, dass alle Versicherer ähnliche Tarife anbieten und sie stabil halten. Durch eine genaue Analyse der Kundengruppen mit unterschiedlichen Negativmerkmalen (beispielsweise wegen schlechter Zahlungsmoral) ergab sich ein unterschiedliches Bonitätsbild. 12 Prozent des fiktiven Kundenstamms schnitt besonders negativ in der Bonitätsüberprüfung ab. Dr. Triggs machte deutlich, dass die Versicherer, die Bonitätsprüfungen ihrer Kunden durchführen, schließen keine Verträge mit den 12 Prozent der Kunden ab, die eine negative Bonität aufweisen. Und genau diese Kundengruppe wende sich dann den Versicherern zu, die keine Bonitätsprüfung durchführe.

Im fiktiven Beispiel kam er zu drastischen Ergebnissen: Die 12 Prozent der Kunden mit schlechter Bonität zahlen Kfz-Versicherungs-Jahresprämien von 500 Euro und stehen für eine Schadenquote von 135 Prozent. Eine weitere Kundengruppe – rund 25 Prozent - mit besserer Bonität zahlen eine Jahresprämie von 600 Euro und haben eine Schadenquote von 105 Prozent. Die restlichen 63 Prozent der Kunden zahlren jährlich 700 Euro und haben eine Schadenquote von 92 Prozent.

Schlechte Bonität – schlechtes Geschäft
Das Fazit: Kundensegmente mit Negativeinträgen und schlechter Bonität sind, wenn man dem Beispiel folgt, für die Versicherer extrem unattraktiv. Um schlechtes Geschäft zu vermeiden, empfehle sich eine entsprechende Selektion. Dr. Triggs, in dessen Unternehmen Bonitätsprüfungen vorgenommen werden, berichtete von einem rasanten Anstieg nach Bonitätsprüfungen. In einem Vergleich der Jahre 2004, 2005 und 2006 werde das deutlich. 2004 waren Bonitätsanfragen für 1 Prozent der Autofahrer gestellt worden. Im gesamten Jahr 2004 gab es dann 4 Prozent oder 400.000 Anfragen. Im noch nicht beendeten Jahr 2006 sei davon auszugehen, dass sich die Bonitätsanfragen zwischen 16 und 24 Prozenteinpendeln; das bedeutet, dass bereits jetzt für 1,6 Millionen Autofahrer eine Bonitätsprüfung von Seiten der Versicherer stattgefunden habe. Dr. Triggs sieht in diesem Verfahren die Zukunft für gutes Bestandsgeschäft bei den Autoversicherern. (eb)

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