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Konzepte und Kriterien

Zig Milliarden Euro große Deckunglücke klafft

14. September 2015 - Die Unterversicherung von Sachrisiken ist ein weltweites, ständig wachsendes Problem. Das belegen neue Daten der jüngsten sigma-Studie, herausgegeben von der Swiss Re, die gestern internationalen Pressevertretern beim Jahrestreffen der weltweit tätigen Rückversicherer vorgestellt wurde.

Eine der großen globalen Herausforderungen ist die Unterversicherung der Sachrisiken – weltweit. Wie diesem Problem begegnet werden könnte, wird in der neuen sigma-Studie Nr. 5/2015 der Swiss Re (www.swissre.com) thematisiert. Die Nummer zwei unter den größten Rückversicherern weltweit nutzte am Wochenende das „Rendez-vous de Septrembre“ in Monaco, um die tiefgreifenden Erkenntnisse sigma-Forschungsarbeit der Presse vorzustellen. Welches Ausmaß die Unterversicherung tatsächlich hat, verdeutlichte Kurt Karl (Foto: E. Bocquel), Chief Economist der Swiss Re, im Gespräch mit Journalisten. Dabei stellte er heraus, dass sich allein die Deckungslücke bei Schäden aus Naturkatastrophen in den vergangenen zehn Jahren durchschnittlich auf 127 Milliarden US-Dollar (entspricht 112 Milliarden Euro) belaufen hatte. Ein Großteil sei auf das nicht versicherte weltweite Naturkatastrophen-Risiko zurückzuführen, das in den vergangenen 40 Jahren stetig zugenommen hatte.

Prämienvolumen in Industrieländern beläuft sich auf 363 Milliarden Euro
Der Markt für die Absicherung von Sachrisiken ist groß. Die Sachversicherungsprämien weltweit beliefen sich im Jahr 2014 auf rund 413 Milliarden US-Dollar (entspricht mehr als 363 Milliarden Euro). Während die Industrieländer bei den Prämien für 353 Milliarden US-Dollar (310 Milliarden Euro) und 86 Prozent Anteil an der weltweiten Prämiensumme stehen, belaufen sich die Prämien in den Schwellenländern wie China auf gerade mal 12 Milliarden US-Dollar (etwas mehr als 10 Milliarden Euro). Die Assekuranz-Durchdringung in den Schwellenländern wird mit 0,21 Prozent angegeben.

Wie nötig eine auskömmlich versicherte Bevölkerung ist, zeigt der wirtschaftliche Gesamtschaden im letzten Jahrzehnt, den die sigma-Daten mit durchschnittlich 180 Milliarden US-Dollar (158 Milliarden Euro) beziffern. Davon waren den Angaben zufolge 70 Prozent nicht versichert. „Erdbeben, Überschwemmungen und Stürme sind die größten Gefahren, besonders in Gebieten mit einer hohen Bevölkerungsdichte und einer starken Konzentration von Sachwerten“, sagte der Chefvolkswirt der Swiss Re.

Das Spektrum der Sachrisiken ist riesengroß
Für das breite Spektrum der Sachrisiken – einschließlich Feuer-, Einbruch- und Wasserschäden – sowie der Betriebsunterbrechungsrisiken lasse sich die Unterversicherung anhand der Differenz zwischen Best-Practice-Ländern und Ländern mit einer tieferen Versicherungsdurchdringung schätzen. Die sigma-Experten berechneten hierfür die Prämien in Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP).

Größte Unterdeckung ausgerechnet in wachstumsstarken Ländern
Eine globale Vergleichsbewertung der Versicherungsdurchdringung über verschiedene Länder hinweg zeige weltweit eine Deckungslücke von 68 Milliarden US-Dollar (60 Milliarden Euro) bei den allgemeinen Sachrisiken. Die größte Unterdeckung im Verhältnis zum BIP sei in wachstumsstarken Ländern aufgefallen. Dort häufe die rasch wachsende Mittelschicht neuen Reichtum an, während die Nachfrage nach Versicherungen hinterherhinkt.

Eine wichtige Herausforderung für die Gesellschaft
„Die Schließung der Deckungslücke im Bereich der Sachversicherung ist eine wichtige Herausforderung für die Gesellschaft“, sagte Kurt Karl. Produkt- und Vertriebsinnovation sowie Maßnahmen im Umgang mit der Risikokumulation werden demnach entscheidend sein, ob und wie die Gesellschaft bei der Risikobewältigung unterstützt werden kann.

Einen kleinen Lichtblick lieferten hier beispielsweise die sogenannten Mikroversicherungen, die es Bauern und Kleingewerbetreibenden in den Ländern der Dritten Welt ermöglichen, ihre Arbeit kostengerecht zu erledigen und auszubauen.

Mit Blick auf die tragischen Ereignisse in Indien und Pakistan, als in jüngster Zeit beim Einsturz von Fabrikgebäuden und Einkaufszentren viele Toten zu beklagen waren, verwies Karl darauf, dass auch die Regierungen in aller Herren Länder mit in die Verantwortung gezogen werden müssten, solide Baustandards einzuführen und umzusetzen. So könnten öffentlich-private Partnerschaften eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum gehe, bei einer eingeschränkten Versicherbarkeit von Risiken trotzdem die Deckungslücken zu schließen.

Edi Schmid (Foto: E. Bocquel), Head of Property & Specialty bei der Swiss Re, der ebenfalls beim Pressegespräch Rede und Antwort stand, gab zu verstehen, dass die Unterversicherung in gewisser Weise eine Chance biete, in neue Märkte zu expandieren und iefer in bestehende Märkte vorzudringen, was die Swiss Re auch mit Nachdruck fortsetze. Die Herausforderung für die Versicherungs-Branche sieht Edi Schmid darin, sich auf den Bedarf der Konsumenten zu konzentrieren, die bisher ungenügend oder gar nicht versichert sind. Neu entstehende Risiken und Risikoexpositionen müssten genau beobachtet werden, damit man entsprechende Risikomodelle entwickeln könne.

Neben Naturkatastrophen auch Terrorismus und Internetkriminalität
Damit sind laut Schmid nicht nur die Naturkatastrophen gemeint, sondern auch viele andere Gefahren, die schwerlich zu beziffern seien – wie beispielsweise Terrorismus, Internetkriminalität oder das Lieferkettenrisiko. „Hier muss die Branche die erforderlichen Daten und Analyseinstrumente für die Risikomessung und –modellierung entwickeln“, ergänzte Kurt Karl. Natürlich würden auch und besonders Innovationen bei Produkten, Prozessen und im Vertrieb realisiert werden, um letztendlich den bisher nicht versicherten Konsumenten zu erreichen.

Auf die innovative Denkweise kommt es an
Die Versicherer können dies allein nicht bewältigen. Kurt Karl und Edi Schmid resümierten, dass es ohne unterstützendes Regulierungsumfeld und ausreichende Risikoinformationen nicht zu schaffen sei. Die Mitwirkung des Staates sei außerdem gefordert, wenn es um die Erweiterung der Deckungskapazität beispielsweise bei Terrorismus oder um Hochwasser gehe. Vorrangig geht es aber auch um eine innovative Denkweise. (eb-db / www.bocquel-news.de

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