logo
logo

Namen und Nachrichten

Welche Zukunft hat die Altersvorsorge?

26. Februar 2015 - Die gesetzlichen Rentenkassen sind so prall gefüllt wie seit zehn Jahren nicht mehr, andererseits lahmen die betriebliche Altersversorgung und die private Vorsorge. Über die Zukunft der Alterssicherungs-Systeme diskutierten Experten in Berlin.

„Nach der Reform ist vor der Reform“, sagt Professor Bert Rürup (Foto: Handelsblatt Research Institut), Präsident des Handelsblatt Research Institute (www.research.handelsblatt.com), zum Auftakt der Tagung „Zukunftsmarkt Altersvorsorge“ in Berlin. Zur Diskussion standen die Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV), die Flexi-Rente, die Lebensleistungsrente, die Rentenentwicklung nach 2030 und vor allem Pläne des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (www.bmas.de) zur Schaffung einer neuen betrieblichen Altersversorgung (bAV) der Tarifpartner, die sogenannte Nahles-Rente.

Rürup räumte in seinem Eingangsstatement ein, dass die Dynamik der bAV nicht überwältigend ist. Die Verbreitung stagniert seit 2005 bei 60 Prozent, wobei davon nochmals 18 Prozentpunkte für Versicherte in den öffentlichen Zusatzversorgungen abgezogen werden müssten. Schwerpunkte der Tagung fokussierten sich um Themen rund um die „Zukunft der bAV“.

Mit Spannung waren deshalb die Ausführungen von Jörg Asmussen (Foto: BMAS), Staatsekretär im BMAS, erwartet worden. Er bekannte sich zunächst zur GRV als der auch künftig wichtigsten und größten Säule der Alterssicherung in Deutschland. Er räumte ein, dass das Vertrauen in die GRV abnimmt. Die  GRV darf nicht schlechtgeredet werden, verlangte Asmussen.  Die Beitragsobergrenze von 22 Prozent und die Untergrenze des Sicherungsniveaus von 43 würden auf jeden Fall eingehalten. Allerdings werde der Bundeszuschuss zur GRV künftig weiter steigen müssen.

Vorschläge für Flexi-Rente schon in wenigen Wochen
Trotz der Herausforderung durch den demografischen Wandel habe die  GRV in den 125 Jahren ihres Bestehens bewiesen - laut Askussen, dass sie anpassungsfähig ist; die zentrale Frage sei, ob es in Zukunft genügend Beitragszahler geben wird. „Wir werden darüber nachdenken, wie wir Menschen zur Arbeit über die Regelaltersgrenze hinaus bewegen können“, bekräftigte Asmussen. Die Arbeitsgruppe „Flexi-Rente“ werde noch im Frühjahr zu positiven Ergebnissen kommen und siedann zur Diskussion stellen.  

Betriebsrente und Privatvorsorge werden weiter ausgebaut
Asmussen stellte in Aussicht, dass die Regierungskoalition 2015 und 2016 Maßnahmen zur Stärkung der bAV und der privaten Vorsorge treffen werde. Die Möglichkeiten zur geförderten privaten Altersvorsorge sollten stärker wahrgenommen werden, das Vertrauen der Menschen in die kapitalgedeckte Vorsorge soll gestärkt werden. Bei der Riester-Rente müsse verlorenes Vertrauen zurückgewonnen werden, was durch eine Stärkung des Verbraucherschutzes, verpflichtende Produktinformationsblätter (ab 1. Januar 2017) und den Aufbau der Produktinformationsstelle (PIS) erreicht werden soll.

„Weiches“ Opting-out für Tarif-bAV
Breiten Raum nahmen seine Ausführungen zu einer tariflichen bAV ein. Asmussen verteidigte die Pläne, quasi eine neue bAV neben der bestehenden zu schaffen. Plänen zu einem verpflichtenden  Opting-out erteilte er ebenso eine Absage, wie der von der Versicherungswirtschaft geforderten Verbesserung der Förderung nach Paragraf 63 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (Steuer- und Sozialabgabenfreiheit). Vielmehr werde es auf ein „weiches“ Opting-out hinauslaufen, bei der sich die Sozialpartner freiwillig auf ein Betriebsrentenmodell mit Beitragszusage einigen sollen, aus dem Arbeitnehmer austreten können, sofern sie wollen. Das Risiko für die Arbeitnehmer werde durch eine garantierte Mindestleistung sowie die Absicherung durch den Pensionssicherungsfonds begrenzt. Asmussen kündigte an, dass entsprechende Pläne des BMAS Ende des Jahres vorgestellt werden. „Der beste Mix für die Alterssicherung der Zukunft ist die Kombination von Umlagesystem mit den zwei kapitalgedeckten Säulen bAV und private Vorsorge“, bekräftigte Asmussen als Fazit.

Versicherungswirtschaft ist kritisch
Der GDV Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (www.gdv.de ) äußerte sich in einer ersten Reaktion auf die Äußerungen von Staatsekretär Asmussen kritisch. Neben das bewährte bAV-System müsste ein zweites mit gänzlich anderen und immer wieder neu zu definierenden Regeln durch Tarifverträge gestellt werden. „Ein solcher Systembruch würde zahlreiche rechtliche und praktische Unklarheiten schaffen und so die bisherigen bAV-Aktivitäten der Betriebe lähmen“, sagt Peter Schwark (Foto: GDV), Mitglied der GDV-Hauptgeschäftsführung. „Die bAV würde keineswegs einfacher, sondern komplizierter.“ Schwark hält auch gesetzliche Zwangsmaßnahmen für den falschen Weg. Stattdessen sollten Modelle auf freiwilliger Basis entwickelt werden, etwa eine automatische Entgeltumwandlung.

Reaktion der Tarifpartner ist verhalten
In einer Diskussionsrunde (Foto: H. Pfeifer), an der neben Prof. Rürup (2. v.l.) auch Alexander Gunkel (r.), Mitglied der Hauptgeschäftführung der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände BDA (www.arbeitbegeber.de), Jean Baptiste Abel (2.v.r.), Referatsleiter beim Deutschen Gewerkschaftsbund DGB (www.dgb.de) sowie Hans H. Melchiors (l.), Mitglied des Vorstands des Pensionssicherungsvereins VVAG (www.psvag.de), teilnahmen, äußerten sich die Vertreter der Tarifpartner zurückhaltend zu den Plänen des BMAS. „Wir brauchen vielmehr ein Rahmenkonzept für die betrieblichen Altersvorsorge“, so Gunkel. Dazu gehörten steuerrechtliche und aufsichtsrechtliche Entlastungen sowie eine Entbürokratisierung der bAV. Gunkel forderte eine staatliche bAV-Förderung analog zur Riester-Förderung. DGB-Vertreter Abel kritisierte die Anrechnung auf die Grundsicherung und forderte Freibeträge für alle drei Säulen der Alterssicherung.

Rentenversicherung muss über 2030 hinaus denken
Bei der GRV ist die Lage im Augenblick mehr als rosig. Seit 2006 gibt es Überschüsse in den Rentenkassen. In dieser Zeit ist die Nachhaltigkeitsrücklage von unter 2 Milliarden Euro auf 35 Milliarden Euro oder 1,9 Monatsausgaben gewachsen, berichtet Dr. Axel Reimann (Foto: Deutsche Rentenversicherung), Präsident der Deutsche Rentenversicherung Bund (www.deutsche-rentenversicherung-bund.de). Die Kapitalreserven hätten den höchsten Stand in der Geschichte erreicht, sagt er.

Dies werde aber nicht so bleiben. Schon ab 2016 würden die Reserven abschmelzen, vor allem weil dann das Rentenpaket – abschlagsfreie Rente mit 63 und Mütter-Rente – voll ausgabenwirksam werde. 2019 werde der Beitragssatz erstmals angehoben werden müssen, prognostizierte Reimann. Eine Unterdeckung bei der Finanzierung des Rentenpakets sei unabwendbar, die Erhöhung der Steuerfinanzierung deshalb unvermeidlich.

Reimann ging auf mögliche zusätzliche Anreize für eine Erwerbstätigkeit über die Regelaltersgrenze hinaus ein. Schon jetzt werde dies mit 0,5 Prozent pro Monat honoriert, zusammen mit den zusätzlich erworbenen Anwartschaften kämen Rentner, die weiterarbeiten, auf ein Rentenplus von 8 Prozent pro Jahr. Gestaffelte Boni je nach Renteneintrittsalter lehnte er ab.

Zielkonzept Alterssicherung ab 2030
Reimann mahnte an, dass sich die Politik schon bald darüber Gedanken machen muss, wie es mit der GRV nach dem Ende der „Rentenpause“ ab 2030 weitergehen soll, wenn die Zahl der Beitragszahler drastisch einbricht. Schon bald werde deutlich, dass die Untergrenze bei der Rentenreserve von 0,2 Monatsausgaben nicht halten wird, eine Anhebung auf 0,4 Prozent werde nötig. Außerdem werde sich der Gesetzgeber über kurz oder lang mit Maßnahmen gegen die Altersarmut befassen müssen, allerdings nicht innerhalb des Systems der GRV.

Überfällig nach 25 Jahren deutscher Einheit ist nach Reimanns Ansicht auch eine Angleichung der Renten in Ost und West. Allerdings könne das nur im Rahmen einer Angleichung aller Rechengrößen gehen. Damit stehe auch die Höherwertung der Osteinkünfte zur Disposition. Diese würden zurzeit um rund 18 Prozent hochgerechnet, der Rentenabstand im Osten zu den Westrenten beträgt aber nur 8 Prozent. Das Problem sei nur in mehreren Schritten lösbar.

Mittelfristig sind die Konjunktur-Aussichten verhalten
Prof. Michael Heise (Foto: Allianz), Chefvolkswirt der Allianz-Gruppe (www.allianz.com), ordnete die Altersvorsorge in die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen ein. Zwar werde der Ölpreis-Rückgang und die Euro-Abwertung 2015 und 2016 noch für Wachstumsimpulse sorgen, was auch der GRV zugute komme. Mittelfristig sieht Heise die Lage aber deutlich skeptischer. Das Wachstum werde nachlassen, die Ersparnisse würden trotz Niedrigzinsen weiter in unrentable Anlagen fließen, und Investitionen blieben aus. Die Verunsicherung von Verbrauchern und Investoren werde anhalten. Erst ab 2018 würden die Zinsen langsam wieder steigen, wenn die Finanzmarktakteure die Augen nicht mehr vor den Risiken verschließen könnten. Umlage-Systeme und Kapitaldeckung würden gleichermaßen leiden. Heise verlangt vor diesem Hintergrund eine stärkere Förderung für die bAV, die Entlastung unterer Einkommensschichten und deren Einbeziehung in die Vorsorge, die Einführung des flexiblen Rentenübergangs sowie die Schaffung neuer und sicherer Investitionsmöglichkeiten für die Finanzwirtschaft, zum Beispiel in der Infrastruktur. (hp / www.bocquel-news.de)

zurück

Achtung Copyright: Die Inhalte von bocquel-news.de sind nach dem Urheberrecht für journalistische Texte geschützt. Die Artikel sind ausschließlich zur persönlichen Lektüre und Information bestimmt. Abdrucke und Weiterverwendung - beispielsweise zum kommerziellen Gebrauch auf einer anderen Homepage / Website oder Druckstücken - sind nur nach persönlicher Rücksprache mit der Redaktion (info@bocquel-news.de) gestattet.