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Konzepte und Kriterien

Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit im Aufwind

8. August 2016 - Erleben die Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit ein Comeback? Auf diese Fragestellung gibt die sigma-Studie der Swiss Re deutliche Antworten. Der Anteil der VVaG am weltweiten Prämienvolumen stieg in den letzten Jahren und hat den Rückgang früherer Jahrzehnte teilweise umgekehrt.

Laut der neuesten sigma-Studie „Versicherung auf Gegenseitigkeit im 21. Jahrhundert: Zurück in die Zukunft?“ mit der die Swiss Re (www.swissre.com) jetzt aktuelle Erkenntnisse zum VVaG veröffentlicht, hat sich die Branche der Versicherung auf Gegenseitigkeit in den letzten Jahren leicht erholt. Der Anteil der VVaG am gesamten Versicherungsmarkt stieg von 24 Prozent der gebuchten Erstversicherungsprämien im Jahr 2007 auf knapp über 26 Prozent im Jahr 2014 und kehrte damit einen Teil der rückläufigen Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte um.

Allerdings steht das Segment vor Herausforderungen, einschließlich der Anpassung an neue risikobasierte Kapitalanforderungen und strengere Corporate-Governance-Regelungen, die für einige VVaG einen Wettbewerbsnachteil bedeuten könnten, sagt Kurt Karl, Chefökonom bei Swiss Re. Darüber hinaus müssen sich die VVaG den technologischen Wandel zunutze machen. Mit digitalen Technologien wie Smart Analytics und Social Media sollten die Versicherungsvereine die Interessen ihrer teilhabenden Mitglieder oder Eigentümer besser bedienen können. Gleichzeitig dürfte ihre Eigentümerstruktur dazu beitragen, dass die Versicherung für einige Personengruppen und Risiken erschwinglich bleibt.

Der primäre Zweck der VVaG ist, Risikoschutz für ihre teilhabenden Mitglieder beziehungweise Eigentümer bereitzustellen, anstatt wie börsennotierte Versicherer Gewinne zu erzielen oder externen Aktionären eine Kapitalrendite zu bieten.

In den letzten Jahren sind die Umsätze der VVaG stärker gewachsen als die des gesamten Versicherungsmarktes, wobei sich ihre Stärke insbesondere auf dem Höhepunkt der Finanzkrise zwischen 2008 und 2009 zeigte. „Die Tatsache, dass der Martkanteil der VVaG nach der Erholung des Weltwirtschafts-wachstums nicht zurückgegangen ist, lässt darauf schließen, dass die Erholung des Segments von einer gewissen Dauerhaftigkeit ist“, sagt Kurt Karl. „In den letzten Jahren haben einige VVaG-Konzerne international expandiert. Zudem wurden in mehreren Märkten neue VVaG gegründet, ein weiteres Indiz für die neuerliche Popularität des Segments.“

Obwohl der Anteil der VVaG am weltweiten Versicherungsmarkt seit 2007 leicht gestiegen ist, bleibt er laut Kurt Karl jedoch immer noch deutlich unter den bisherigen Höchstständen zurück. So lag beispielsweise der Anteil der weltweiten Prämien der VVaG im Lebensbereich 2014 bei 23 Prozent und damit deutlich unter dem Niveau von rund 66 Prozent Ende der 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre, bevor eine Welle von Demutualisierungen eine Reihe von Ländern erreichte.

Etliche neue Herausforderungen
'Darüber hinaus stehen die VVaG vor etlichen Herausforderungen. So haben Regierungen und Regulierungsbehörden neue risikobasierte Kapitalanforderungen und strengere Corporate-Governance-Regelungen eingeführt, um die Widerstandsfähigkeit einzelner Versicherer zu stärken und übermäßige Risikobereitschaft einzudämmen. Diese Anforderungen könnten für einige VVaG, vor allem kleinere mit regionaler Begrenzung oder auf einzelne Sparten ausgerichtet, einen Wettbewerbsnachteil bedeuten.

Größere und breiter diversifizierte Versicherer können die mit der Einhaltung dieser Anforderungen verbundenen zusätzlichen Betriebs- und Finanzierungskosten besser bewältigen. Die Regulierungsbehörden scheinen sich der möglichen unbeabsichtigten Folgen ihrer neuen Vorschriften bewusst zu sein. Entsprechend konzentrieren sie sich auf die Umsetzung neuer Aufsichts- (das heißt Kapital-) und Governance-Richtlinien. Wie Kurt Karl weiter deutlich macht, liegt auch der Fokus erneut auf einer Reihe von Kapitallösungen für VVaG, die in einigen Ländern neue Gesetze für die Ausgabe aktienähnlicher Kapitalinstrumente beinhalten, wie zum Beispiel „certificats mutualistes“ in Frankreich. Individuelle Rückversicherungslösungen und alternative Risikotransfer-Mechanismen, wie Insurance-linked Securities, geben den VVaG mehr finanzielle Flexibilität, um ihr Geschäft weiterzuentwickeln und mit anderen Versicherern zu konkurrieren.

Digitale Technologien verändern Wettbewerbslandschaft
Digitale Technologien verändern nicht nur die Art und Weise wie Versicherungen gestaltet, vertrieben und berechnet werden. Es verändert sich auch die gesamte Wettbewerbslandschaft für alle Versicherer. VVaG müssen ihre versicherungstechnischen und vertrieblichen Prozesse anpassen und weiterentwickeln, um im digitalen Zeitalter bestehen zu können. Es gibt Anzeichen dafür, dass viele Akteure diese Veränderungen aktiv aufgreifen. Bei einigen anderen hingegen verläuft die Anpassung eher schleppend.

Wie bei den Analysen für die sigma-Studie deutlich wurde haben beispielsweise kleinere VVaG bislang häufig noch nicht alle Geschäftstätigkeiten mit Onlinefunktionen verknüpft, was auf ihre stärkere Verbundenheit mit dem traditionellen Vertrieb über Agenten beziehungsweise Makler zurückzuführen ist. Die Nachzügler laufen Gefahr, Marktanteile an Konkurrenten zu verlieren, die die neuen Technologien besser nutzen. Dies gelte besonders aufgrund der zunehmenden Entwicklung von Peer-to-Peer(P2P)-Versicherungsplattformen, über die Versicherungsnehmer, ähnlich wie affinitätsbasierte VVaG, Risiken unter sich aufteilen können.

Das Fazit der sigma-Experten: Durch den Einsatz neuer Technologien können VVaG auf ihrer jüngsten Wiederbelebung weiter aufbauen und möglicherweise ein neues Zeitalter des Mutualismus einläuten. Die Nutzung von Social Media und Smart Analytics zum besseren Verständnis der Bedürfnisse und Präferenzen der Kunden sollte für VVaG eine natürliche Ergänzung darstellen, zumal ihr primärer Zweck in der Erfüllung der langfristigen Bedürfnisse ihrer teilhabenden Mitglieder oder Eigentümer, statt in der Erfüllung der Bedürfnisse externer Aktionäre, besteht.

VVaG: Schlüsselrolle für bezahlbare Versicherungsprämien
Darüber hinaus könnten technologiegestützte Initiativen in Richtung einer vollständig risikobasierten Preisgestaltung dazu führen, dass die konventionelle Versicherung für einige Personen zu teuer wird. Ohne den Druck, Renditen für externe Aktionäre erwirtschaften zu müssen, könnten VVaG eine entscheidende Rolle dabei spielen, dass die Versicherungsprämien bezahlbar und bestimmte Risiken versicherbar bleiben.

Auf der Website der Swiss Re unter www.swissre.com/sigma steht die sigma -Studie Nr. 4 /2016, „Versicherung auf  Gegenseitigkeit im 21. Jahrhundert: Zurück in die Zukunft?“ in elektronischer Form und in deutscher, englischer, französischer sowie spanischer Sprache bereit. (-el / www.bocquel-news.de)

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