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Konzepte und Kriterien

Umstrittene Statistik zu BU-Leistungs-Quoten

18. Januar 2016 - Die meisten Versicherten erhalten schnell und unkompliziert ihre Leistungen aus Berufsunfähigkeitsversicherungen, sagt der Branchenverband der deutschen Versicherungswirtschaft GDV. Die Zahlen seien kaum nachvollziehbar, kontert das Ratingunternehmen Franke und Bornberg.

Bei Berufsunfähigkeit (BU) erhalten die meisten Versicherten schnell ihre Leistungen. Nur bei knapp 6 Prozent der Leistungsanträge holen die Versicherungsunternehmen Gutachten ein, die zudem überwiegend zu Gunsten der Versicherten ausgehen, meldet  der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (www.gdv.de), der dazu erstmals eine Statistik erhoben hat.

Danach erkannten die Unternehmen im Jahr 2014 gut 40.200 Anträge ihrer Kunden auf Leistungen der Berufsunfähigkeits-Versicherung an. Die Leistungs-Quote – also das Verhältnis von anerkannten zu eingereichten Leistungsanträgen – habe bei annähernd 77 Prozent gelegen. Zwischen vollständigem Leistungsantrag und der Leistungsentscheidung vergingen im Mittel knapp 13 Kalendertage, heißt es beim GDV. „Die Unternehmen leisten – schnell und unkompliziert. Gutachten spielen nur eine Nebenrolle. Zudem bekommt so gut wie jeder, der sich gegen Berufsunfähigkeit absichern möchte, auch ein Angebot von einer Versicherung“, sagt Peter Schwark, Mitglied der GDV-Hauptgeschäftsführung.

„Kaum Antragsablehnungen“
Nur bei knapp 6 Prozent aller Leistungsanträge beauftragten die Versicherer ein Gutachten. Rund 60 Prozent dieser Gutachten stellten eine Berufsunfähigkeit fest und führten damit zu einem Ergebnis zu Gunsten der Versicherten, sagt der GDV. Zudem belege die Statistik, dass nur sehr wenige Verbraucher kein Versicherungsangebot bekommen, wenn sie sich gegen Berufsunfähigkeit absichern möchten. Bei knapp 823.000 Anträgen auf Abschluss einer Berufsunfähigkeits-Versicherung habe es 2014 in fast 776.000 Fällen auch ein Versicherungsangebot gegeben. Das entspreche einer Annahmequote von über 94 Prozent.

Die GDV-Statistik zu Versicherungs- und Leistungsanträgen stützt sich auf die Angaben von Unternehmen, die zusammen rund 84 Prozent des Marktes in der Berufsunfähigkeits-Versicherung abdecken. Die Angaben zu Gutachten-Quoten beziehen sich auf Unternehmen mit einem Marktanteil von zusammen rund 60 Prozent.

Schwachstellen der Statistik
Das Ratingunternehmen Franke und Bornberg (www.frankeundbornberg.de) begrüßt, dass der GDV erstmals Zahlen zur BU-Regulierung vorlegt. Es geht den Vorwürfen, dass Versicherer BU-Leistungen verweigern, bereits seit einigen Jahren nach und prüft die Regulierungspraxis anhand von Stichproben. Die GDV-Statistik habe Schwachstellen, heißt es bei Franke und Bornberg. Ein grundlegendes Problem sei, dass die GDV-Zahlen nicht verifiziert werden können. Nach Angaben des GDV beruhen die Daten ausschließlich auf Angaben der befragten Unternehmen. Eine externe Prüfung sei somit nicht möglich. Damit jedoch stehe und falle die Aussagekraft und vor allem die Akzeptanz für die erhobenen Werte. In den bisherigen Veröffentlichungen und Kommentaren seien ausschließlich verdichtete Zahlen genannt worden. Weder konkrete Antworten noch die zugrunde liegenden Fragen seien bekannt. Das lasse viele Fragen offen.

Differenzen bei Ablehnungs-Quote
Statt der vom GDV behaupteten Leistungs-Quote von 77 Prozent Kommt Franke und Bornberg bei seinen Untersuchungen lediglich auf knapp 65 Prozent (2014). Erst wenn die Fälle von zurückgezogenen Anträgen oder verletzter Mitwirkung abgezogen würden, erreiche die von Franke und Bornberg ermittelte Quote fast 75 Prozent und damit annähernd den GDV-Wert. Viele Kunden würden ihren Anspruch nicht weiter verfolgen und den Fragebogen nicht ausgefüllt zurücksenden.

Der GDV weise nicht aus, wie er mit diesen Fällen umgeht. Die Frage sei, ob die Quote alle Leistungsanträge berücksichtigt, oder nur jene, bei denen alle für die Entscheidung erforderlichen Angaben vorlagen. Die Differenz sei beträchtlich. Nach den Erfahrungen des Ratingunternehmens werden Vorgänge, die nicht zur Entscheidung kommen, in den Statistiken der Versicherer unterschiedlich geführt. Allein dadurch könne es bei der Leistungs-Quote zu Abweichungen im zweistelligen Prozentbereich kommen. Hier seien klare Aussagen gefragt.

Keine Aussagen über Ablehnungsgründe
Zu den Ablehnungsgründen hält sich der GDV bislang bedeckt, heißt es bei Franke und Bronberg. Für Vermittler wie für Kunden, aber auch für die Öffentlichkeit sei es durchaus von Interesse, warum keine Leistung erbracht wird. Denn hinter jeder Ablehnung stehe ein konkreter Sachverhalt, zum Beispiel medizinische Gründe, Anfechtung und Rücktritt, ein nicht erfüllter Prognosezeitraum, Ausschlüsse aufgrund von Bedingungen oder Klauseln, Gerichtsurteile oder Verweisung. Je differenzierter die Angaben der Versicherer, umso größer sei die Akzeptanz, weil der Vorwurf pauschaler Leistungsverweigerung schwindet. Mehr Klarheit wäre im Übrigen auch bei den Anerkennungen gefragt, so das Ratingunternehmen. Schließlich mache es einen Unterschied, ob Leistungen bedingungsgemäß, auf Basis einer Individualvereinbarung oder eines gerichtlichen Vergleichs gezahlt werden und ob sie befristet sind.

Rückläufige externe Gutachten
Die Aussage des GDV, dass nur in 6 Prozent der Fälle Gutachten erstellt würden, hält Franke und Bornberg für wenig aussagekräftig. Seit Jahren sei eine rückläufige Entwicklung bei externen Gutachten feststellbar. Eine mögliche Ursache sei, dass Versicherer insbesondere für psychologische Gutachten verstärkt Kompetenz im eigenen Haus aufbauen. Es würden somit quasi interne Gutachten erstellt. Gutachten seien oft nicht zu vermeiden, da längst nicht alle Fälle eindeutig sind. Ein Gutachten sei somit kein Malus, sondern oft der einzige Weg, eine klare Entscheidungsgrundlage zu schaffen.

Lange Leistungsprüfung
Zwischen Vorliegen aller entscheidungsrelevanten Unterlagen und der Leistungsentscheidung liegen knapp 13 Kalendertage, behauptet der GDV. Diese Zahl klinge positiv, sei für Kunden aber nicht relevant, da keine Rückschlüsse auf die gesamte Regulierungsdauer möglich sind, kontert Franke und Bornberg. Gerade Verschleppungspraktiken, also das bewusste Hinauszögern der Leistungsentscheidung, würden durch Anforderungen immer weiterer Unterlagen stattfinden. Vor den genannten 13 Tagen könnten mehrere Monate Prüfungsdauer liegen, in denen Unterlagen zusammengestellt und ärztliche Einschätzungen getroffen werden. Der GDV gehe hier selektiv vor. Seine Zeitrechnung beginne erst, wenn sämtliche zur Leistungsprüfung erforderlichen Informationen vorliegen. Eine solche Messgröße sei nicht geeignet, um die Kundenorientierung einzelner Anbieter zu messen. Dafür tauge nur die durchschnittliche Gesamtregulierungsdauer. Versicherer seien durchaus in der Lage, Abläufe zu beschleunigen und die Zeit bis zum Vorliegen aller relevanten Unterlagen abzukürzen.

Begutachtung braucht Zeit
Der GDV wäre also gut beraten, sich offensiv mit der Gesamtdauer der Leistungsprüfung zu beschäftigen, rät Franke und Bornberg. Diese betrug nach den aktuellen Erkenntnissen des Ratingunternehmens im Jahr 2014 im Durchschnitt 196 Tage, wobei Anerkennungen nach durchschnittlich 179 und Ablehnungen nach 201 Tagen ausgesprochen werden. Dabei handele es sich nicht um Werte, die durch bewusste Verzögerung der Entscheidung entstehen. Gerade die hohe Anzahl von psychischen Erkrankungen als Leistungsauslöser bringe durch eine komplexe medizinische Beurteilung bei gleichzeitiger Knappheit von Ressourcen bei medizinischen Spezialisten eine Verlängerung von durchschnittlichen Bearbeitungsdauern mit sich. Die tatsächliche Regulierungsdauer sollte daher nicht verschwiegen werden, denn die Zahl von 13 Tagen könne nur zu falschen Schlussfolgerungen und in der Folge zu enttäuschten Erwartungen und Verärgerung führen.

Versicherer besser als ihr Ruf
Die BU-Versicherer müssen sich mit ihrer Leistungspraxis gar nicht verstecken, die BU-Regulierung ist deutlich besser als ihr Ruf, urteilt Franke und Bornberg.  Das würden auch die jüngsten Ergebnisse ihrer unabhängigen Studie zur BU-Regulierungspraxis, die in Kürze vorliegen wird, unterstreichen. Die grundsätzlich positive Leistungspraxis könne aber durch selektiv veröffentlichte Daten zu falschen Eindrücken und Enttäuschungen führen. (hp / www.bocquel-news.de)

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