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Steigt die Zahl der Nicht-Krankenversicherten?

13. August 2021 - Rund 61.000 Bundesbürger ohne Kranken-Versicherung – in einer aktuellen Studie der Hans-Böckler-Stiftung wird die Zahl mit Vorjahres-Ergebnissen verglichen, denn 2015 waren es hierzulande noch 79.000 Personen ohne Kranken-Versicherung. Die Schuld liegt nach Ansicht von Gesundheitsökonomen im System der Krankenkassen.

Obwohl bereits seit dem 1. Januar 2009 in Deutschland eine allgemeine Krankenversicherungspflicht (VVG § 193) gilt, sind laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung (www.boeckler.de) noch immer rund 61.000 erwachsene Personen hierzulande ohne Krankenversicherung. Diese Bezogen auf die Gesamtbevölkerung lag der Anteil nicht krankenversicherter Personen damit bei 0,1 Prozent.  

Ermittelt wurden die Daten im Rahmen des Mikrozensus, einer repräsentativen Befragung von Haushalten, an der etwa 1 Prozent der Gesamtbevölkerung teilnahm. Einem Bericht der Münsterschen Zeitung zufolge gehören zum Kreis der Nichtversicherten beispielsweise Geschiedene, Ausländer und Selbstständige mit kleinen Einkommen. Wie die Wissenschaftler erklären, gefährden diese Menschen nicht nur ihre Gesundheit, sondern auch die Gesundheit ihrer Mitmenschen, weil sie es in der Regel vermeiden, ohne Krankenversicherung zum Arzt zu gehen.

Impf-Quote bei Nicht-Krankenversicherten signifikant gering
Dies führt dazu, dass auch ansteckende Erkrankungen wie zum Beispiel Covid-19 nicht erkannt und behandelt werden können. Auch die Impf-Quote ist bei Personen ohne Krankenversicherung laut der Studie signifikant geringer.

Gesundheitsökonomen sehen die „Schuld“ im System der Krankenkassen. Da heißt es, dass die Krankenkassen nicht flexibel genug wären, was die Veränderungen in den Erwerbsbiografien der Betroffenen betrifft. „Besonders bei Selbstständigen sind die Hürden für den Eintritt in die gesetzliche Krankenkasse sehr hoch. Bei privaten Krankenkassen gibt es zu viele Risiko-gebundene Prämien“, erklären die Studien-Autoren des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI).

Laut Experten-Prognosen wird die sich zuletzt gesunkene Anzahl an Personen ohne Krankenversicherung in den kommenden Monaten wieder deutlich erhöhen. Verantwortlich sollen dafür die wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-Pandemie sein, die besonders bei Selbstständigen ohne große finanzielle Polster dafür sorgen, dass diese die Beiträge für ihre private Krankenversicherung (PKV) nicht länger zahlen können.

Auch der Deutschlandfunk - Redaktion Kultur - berichtet, dass bei vielen Betroffenen das Geld zu knapp ist, ihr Unternehmen zu retten und gleichzeitig ihre private Krankenversicherung (PKV) zu bezahlen. Dabei wäre es für solche PKV-Versicherte ein Leichtes sich bei ihrem Krankenversicherer zu melden, denn nahezu alle Krankenversicherer im Verband der privaten Krankenversicherung (www.pkv.de) halten für solche Fälle einen bezahlbaren Notlagen-Tarif vor.

Es wäre jedoch ungerecht, die Verdienste der PKV in schwierigen Zeiten nicht ebenfalls darzustellen. In einer PKV-Broschüre heißt es dazu:

Darüber hinaus erhalten zuvor privat versicherte Personen (die jetzt aber ohne alles dastehen) bei akuten Erkrankungen und starken Schmerzen medizinische Versorgung.

„Es war vor Corona schon schwierig, die hohen Summen zu zahlen. Ich lag bei weit über 400 Euro, und seit Corona, als ich schließen musste, ging gar nichts mehr. Ich habe zwar die Förderung bekommen, aber damit musste ich erst einmal die Kosten decken, damit ich weiterarbeiten konnte, und da war erst einmal Krankenversicherung nicht mehr drin“, erklärt eine selbstständige Kosmetikerin.

Ehrenamtliche Projekte sollen helfen
Es gibt allerdings auch für sie meist ehrenamtliche Anlaufstellen. In einigen Städten gibt es aber auch Vereine wie den Anonymen Krankenschein Thüringen (AKST), die finanzielle Mittel vom Staat erhalten. Diese Initiativen haben sowohl das Ziel Menschen wieder in ein reguläres Krankenversicherungsverhältnis zu bringen als auch bei akuten medizinischen Problemen zu helfen.

„Weil es immer Leute geben wird, die aus einem System rausfallen. Und wir sind der Meinung, dass der Zugang zu medizinischer Versorgung eine staatliche Aufgabe ist. Das ist ja auch in der Menschenrechts-Charta festgelegt, dass der Zugang zu medizinischer Versorgung ein Grundrecht ist. Und das muss eben auch staatlich umgesetzt werden“, erklärt die Projektkoordinatorin Carola Wlodarski-Simsek von der Hans-Böckler-Stiftung gegenüber dem Deutschlandfunk.

Dazu gebe es auch den AKST Thüringen e.V. (www.website.aks-thueringen.de), den Verein Anonymer Krankenschein Thüringen: „Wir haben ein Netz aus Kooperationspartner*innen über ganz Thüringen circa 40 Stück, das sind in der Regel niedergelassene Praxen, und wer keine Krankenversicherung hat, kann in eine dieser Stellen gehen, und sagen: Ich brauche einen anonymen Krankenschein, bekommt den dann ausgestellt mit einem Pseudonym und kann dann zu einem Arzt oder Ärztin der eigenen Wahl gehen; in ganz Thüringen“, so Carola Wlodarski-Simsek.

Im Jahr 2020 hat der AKST etwa 200 Krankenscheine ausgegeben, die Behandlungen im Wert von 150.000 Euro ermöglicht haben. Lange stationäre Behandlungen und große Operationen kann der Verein aufgrund fehlender finanzieller Mittel aber nicht übernehmen.

Die HBS Hans-Böckler-Stiftung fordert deshalb Abhilfe durch die Politik, die durch Gesetzesänderungen einen vereinfachten Zugang in die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) ermöglichen könnte. Denkbar ist laut den Gesundheitsökonomen aber auch ein einheitliches Versicherungssystem, in dem alle Personen unabhängig von ihrem Einkommen Mitglied werden müssten. (-el / www.bocquel-news.de)

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