logo
logo

Namen und Nachrichten

Pflegeversicherungsreform geht in die nächste Runde

16. November 2015 - Der Bundestag hat das Zweite Pflegestärkungsgesetz beschlossen. Es bringt vor allem eine deutliche Verbesserung der Leistungen für Demenzkranke und revolutioniert den Begriff der Pflegebedürftigkeit. Auch für private Pflegezusatzversicherungen ändert sich der Markt.

Am 1. Januar 2017 soll das Zweite Pflegestärkungsgesetz in Kraft treten. Die wichtigste Neuerung besteht darin, dass aus den heute drei Pflegestufen fünf Pflegegrade werden und dass sich der Begriff der Pflegebedürftigkeit völlig ändert. Wurden die bisherigen Pflegestufen nach der Zeit bestimmt, in der die Pflegebedürftigen Unterstützung benötigten, soll bei den künftigen Pflegegraden die Beeinträchtigung der Selbständigkeit im täglichen Leben das Maß der Einschätzung der Bedürftigkeit sein. Relevant dafür sind die Bereiche Selbstversorgung, Mobilität, geistige und kommunikative Fähigkeiten, Gestaltung des Alltags und soziale Kontakte. Dafür werden Punkte vergeben, die Gesamtanzahl entscheidet über den Pflegegrad.

Die neue Pflegesystematik soll vor allem Menschen mit kognitiven und psychischen Beeinträchtigungen mehr Hilfe bringen. Im Unterschied zu heute spielt es künftig keine Rolle mehr, ob die Selbständigkeit durch körperliche oder geistige Gebrechen beeinträchtigt ist. Das wird vor allem der wachsenden Zahl von Demenzkranken zugute kommen. „Mit dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz wird die größte und tiefgreifendste Reform der Pflegeversicherung seit ihrem Beginn realisiert. Insbesondere die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs ist ein Meilenstein, der nach intensiven Diskussionen jetzt umgesetzt wird", sagte Bernd Meurer (Foto: bpa), Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (www.bpa.de).

Aus Pflegestufen werden Pflegegrade
Problematisch wird die Überleitung der Pflegestufen eins bis drei sowie der Pflegestufe null (Demenz) in die fünf Pflegegrade (siehe Grafik). Nach dem Willen von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe sollen Bestands-Pflegerentner durch die Reform nicht schlechter gestellt werden, selbst dann nicht, wenn eine neuerliche Überprüfung eine Herabstufung ergeben würde. Schließlich ist 2017 Wahljahr und die Bundesregierung will sich nicht den Zorn von Pflegebedürftigen aufladen. Ganz im Gegenteil: Viele Pflegegeldempfänger werden nach dem neuen System mehr Geld bekommen. Außerdem werden die meisten Demenzkranke erstmals leistungsberechtigt und viele körperlich Pflegebedürftigen rücken in höhere Leistungsbereiche auf. Rund 500.000 Menschen mehr als bisher sollen künftig erstmals Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung erhalten.


Dennoch gibt es bereits Kritik an der Reform. So wurden von Pflegeexperten Befürchtungen geäußert, die Verbesserungen für Demenzkranken gingen zulasten von Personen in niedrigen Pflegegraden.

Die Beiträge steigen
Der Übergang vom alten zum neuen System wird Expertenschätzungen zufolge rund vier Milliarden Euro kosten. Die sollen aus den Rücklagen der Pflegeversicherung kommen, die damit fast aufgebraucht wären. Folglich steigen die Beiträge ab 2017 und zwar von 2,35 Prozent (2,6 Prozent für Kinderlose) auf 2,55 Prozent (2,8 Prozent für Kinderlose). Insgesamt werden das erste Pflegestärkungsgesetz, das zum 1. Januar 2015 in Kraft trat, und das zweite Pflegestärkungsgesetz zusammen rund fünf Milliarden Euro kosten. Die Leistungen werden unterm Strich nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) um 20 Prozent steigen.

Private Zusatzversicherung bleibt wichtig
Die gesetzliche Pflegeversicherung ist und bleibt auch nach den Pflegestärkungsgesetzen eine „Teilkaskoversicherung“, bei der ein erhebliches finanzielles Restrisiko übrigbleibt, das nur durch ergänzende private Vorsorge gedeckt werden kann. Es steht zu befürchten, dass dieses Restrisiko weiter steigt. Denn ersten sorgt der medizinische Fortschritt dafür, dass Pflegeleistungen, wie alle medizinischen Leistungen, teurer werden, und zwar schneller als die allgemeine Teuerungsrate voranschreitet. Und zweitens dynamisieren die Pflegereformen selbst – über die Einstellung von mehr Pflegepersonal und über zusätzliche Dienstleistungen – die Kostenentwicklung. Drittens wird sich die Einkommenssituation von Pflegekräften mit steigendem Bedarf weiter verbessern, und aus Sicht der Betroffenen und mit Blick auf die derzeitige Entlohnung der „Knochenjobs“ im Pflegebereich ist dies auch wünschenswert.

Für die private Versicherungswirtschaft sind dies große Herausforderungen. Sie muss nicht nur Produkte und Dienstleistungen, beispielsweise die Pflegeberatung und Assistance-Leistungen, den veränderten Bedingungen anpassen. Versicherer und Vertriebe müssen ihren potenziellen Kunden weiterhin die Botschaft vom Pflegerisiko nahebringen. Die Tatsache, dass die Beiträge für die gesetzliche Pflegeversicherung steigen, dürfte gerade bei Normalverdienern nicht gerade die Bereitschaft fördern, zusätzlich Geld für eine private Versicherung auszugeben. Wer eine private Pflegezusatzversicherung abschließt, sollte vor allem darauf achten, dass der Vertrag eine kostenlose Umstelloption auf die neuen Rahmenbedingungen ohne erneute Gesundheitsprüfung und ohne Wartezeiten beinhaltet. (hp / www.bocquel-news.de)

zurück

Achtung Copyright: Die Inhalte von bocquel-news.de sind nach dem Urheberrecht für journalistische Texte geschützt. Die Artikel sind ausschließlich zur persönlichen Lektüre und Information bestimmt. Abdrucke und Weiterverwendung - beispielsweise zum kommerziellen Gebrauch auf einer anderen Homepage / Website oder Druckstücken - sind nur nach persönlicher Rücksprache mit der Redaktion (info@bocquel-news.de) gestattet.