6. Juli 2020 - Der Finanzskandal um den Zahlungsdienstleister Wirecard AG sorgt weiter für Schlagzeilen. Medienberichten zufolge sei der Wirecard-GAU der Grund, weswegen Bundesfinanzminister Olaf Scholz eine Reform samt Komplett-Umbau der Aufsichtsbehörde BaFin plane. Vor allem die Schutzmechanismen sollen verbessern werden.
Die Nachrichten überschlagen sich. Der Jahrhundert-Finanzskandal um die Wirecard AG erhitzt die Gemüter, zumal jetzt festzustehen scheint, dass der Finanzdienstleister mit Sitz im oberbayerischen Aschheim 1,9 Milliarden Euro „verbrannt“ haben soll (bocquel-news 26. Juni 2020 - Wirecard: Schwerste Kriminalität in großem Stil). Diese Summe aus einer Wirecard-Bilanz ist nirgendwo auffindbar. Mittlerweile scheint sich die Causa Wirecard als Betrugsfall zu entpuppen, heißt es dazu in Medienberichten. Die mutmaßlichen Luftbuchungen sollten offenbar auch Verluste im eigenen Kerngeschäft kaschieren, wie die „Financial Times" (FT) berichtet. In Europa und Amerika sollen demnach die direkt unter Wirecard-Kontrolle stehenden Gesellschaften bereits seit Jahren rote Zahlen verzeichnet haben, schreibt die FT unter Berufung auf Anhänge zur Sonderprüfung durch die KPMG.
Es dauerte nicht lang und Nachrichten um die Finanzaufsichtsbehörde BaFin (www.bafin.de) tauchten zum Fall Wirecard in den Medien auf. Inzwischen werden selbst unbekannte Quellen zitiert, nach denen der BaFin-Chef Felix Hufeld Aussagen gemacht haben soll, die so stimmt stimmen sollen. Dazu sei erwähnt, dass die BaFin formal nur für einen Teil des Wirecard-Konzerns zuständig ist. Das soll sich nach dem Willen von Bundesfinanzminister Olaf Scholz nun ändern. Einige Kritiker warfen der BaFin vor, dass sich die Behörde erst jetzt zum Fall Wirecard melde.
Die BaFin berichtet dazu: Verschiedene Medien berichten unter Berufung auf unbekannte Quellen über Aussagen von Herrn Hufeld in einer Sitzung des Finanzausschusses im Deutschen Bundestag. Die BaFin stellt dazu klar: Herr Hufeld hat zu keinem Zeitpunkt in der Sitzung des Finanzausschusses im Deutschen Bundestag vorgetragen, dass die Einstufung von Wirecard als Finanzholding an der Europäischen Zentralbank (EZB) gescheitert sei. Er hat im Gegenteil betont, dass alle bisherigen Entscheidungen in vollständigem Konsens mit den beteiligten Institutionen Deutsche Bundesbank und EZB getroffen worden sind. Die Wirecard AG sei bislang nach Einschätzung aller beteiligten Institutionen nicht als Finanzholding einzustufen gewesen.
Mehr Durchgriffsrechte bei der Kontrolle von Bilanzen
Im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung hat der Bundesfinanzminister konkret gesagt: „Ich will der BaFin mehr Durchgriffsrechte bei der Kontrolle von Bilanzen geben, unabhängig davon, ob der Konzern eine Banksparte hat oder nicht."
Am vergangenen Wochenende meldeten dann Funk und Fernsehen sowie die ‚Süddeutsche‘ und die ‚Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung‘, dass Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) nach dem Fall Wirecard die Finanzaufsicht in Deutschland reformieren will. Demnach will der Bundesfinanzminister als Konsequenz aus dem Fall des Zahlungsdienstleisters Wirecard die Schutzmechanismen verbessern. Die BaFin solle mehr Durchgriffsrechte bekommen, heißt es. Es sei jetzt die Aufgabe des Gesetzgebers, die Schutzmechanismen zu überprüfen und zu verbessern, sagte der SPD-Politiker der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Bislang – so ließ der Bundesfinanzminister wissen, liege diese Kontrolle (auch in Sachen Wirecard) in der ersten Stufe bei der privaten Prüfstelle. Hier müsse die BaFin künftig früher eingreifen können. Olaf Scholz kündigte außerdem an, große international tätige Zahlungsdienstleiter generell unter die Kontrolle der Finanzaufsicht stellen zu wollen, und nicht nur deren Banktöchter.
Schließlich sagte Scholz im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: „Ich habe mir für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft vorgenommen, dieses Thema voranzutreiben. Rechtliche Hürden, die eine umfassende Aufsicht verhindern, müssen weg." Die Finanzaufsicht könnte zudem personell verstärkt werden. Scholz: „Wenn wir zu dem Ergebnis kommen, dass die BaFin mehr Geld, mehr Stellen und mehr Kompetenzen benötigt, werde ich mich dafür einsetzen, dass das passiert."
In der Tagesschau am Sonntagnachmittag wurde gemeldet, dass der Bundesfinanzminister auch mögliche Veränderungen bei Wirtschaftsprüfern plane. Den Wirtschaftsprüfern seien die Manipulationen bei Wirecard jahrelang nicht aufgefallen. „Es wird zu diskutieren sein, ob Wirtschaftsprüfer häufiger rotieren müssen", sagte er der Frankfurter Allgemeinen am Sonntag. Auch sei zu überlegen, „ob es funktioniert, wenn eine Gesellschaft ein Unternehmen gleichzeitig berät und prüft".
Bald höhere Haftung der Wirtschaftsprüfer?
Angesprochen auf eine baldige höhere Haftung der Wirtschaftsprüfer, reagierte Scholz allerdings mit Skepsis: „Wenn die Idee einer höheren Haftung nur die Ausrede dafür ist, sonst nichts zu tun, dann ist das kein kluger Weg", warnte er. Der Finanzminister nahm in dem Interview BaFin-Chef Felix Hufeld gegen Kritik in Schutz. „Er drückt sich nicht vor den Problemen und schaut auch kritisch auf das eigene Handeln", sagte Olaf Scholz. „Wenn das alle so machen wie er, werden wir zu guten Ergebnissen kommen." (-el / www.bocquel-news.de)
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