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Konzepte und Kriterien

Notrufsäulen werden fit für die digitale Zukunft

25. Juli 2016 - Es gibt 114 Millionen Mobilfunkanschlüsse in Deutschland – mehr als ein Handy pro Bundesbürger also. Theoretisch kann jeder im Notfall über das Handy Hilfe rufen. Sind nun die 16.800 Notrufsäulen der Deutschen Versicherer an Autobahnen damit überflüssig? Im Gegenteil: sie haben eine spannende Zukunft.

Beinahe wäre die Geschickte der Notrufsäulen zu Ende gewesen, bevor sie so recht begonnen hatte. Weil sich Anfang der siebziger Jahre der Funk etabliert hatte, hielt man das System für überflüssig. Doch Siegfried Steiger, der seinen Sohn bei einen Autounfall verloren hatte, überzeugt den damaligen Bundesverkehrsminister Georg Leber (SPD), das System auszubauen statt einzustampfen. Heute möchte man meinen, dass der Notrufsäulen Betrieb Dank der Verbreitung von Handys unnötig wird. Tatsächlich ist die Anzahl der Notrufsäulen an den Bundes- und Landesstrassen rückläufig. Zudem wird 2018 e-Call, ein fest verbautes, automatisches Notrufsystem in Neuwagen, verpflichtend. Spätestens wenn nur noch Autos mit e-Call über die Straßen rollen, kann die Hilfe immer direkt aus jedem Wagen gerufen werden. Das soll aber nicht das „Aus“ für die orangen SOS-Säulen bedeuten.

Unverzichtbar an Autobahnen
Die charakteristischen Säulen an der Autobahn bleiben erhalten und bekommen eine ganz neue Funktion. Seit 45 Jahren säumen die Notrufsäulen rund 13.000 Kilometer entlang deutscher Autobahnen und einiger Bundesstraßen. Eingehende Notrufe werden vom Notruf der Autoversicherer entgegengenommen und an die zuständige Rettungsleitstelle oder den gewünschten Pannendienst weitergeleitet. Seit 1999 betreut die GDV Dienstleistungs-GmbH & Co. KG (www.gdv-dl.de) des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (www.gdv.de) das Notrufnetz.

1999 gingen noch mehr als 1,5 Millionen Anrufe ein; 2015 waren es weniger als 100.000. Doch: „Bislang sind die Notrufsäulen noch unverzichtbar“, sagt Andreas Bahlmann, zuständiger Produktmanager bei der GDV DL, bei der alle Anrufe von den Autobahnsäulen zusammenlaufen. „Die Notrufsäulen geben immer noch die Sicherheit, im Fall der Fälle auch gleich Hilfe zu bekommen“, sagt Bahlmann. Besonders zu den Hauptreisezeiten werden die Notrufsäulen immer noch rege genutzt. Auch bei Überlastung der Mobilfunknetze steigen die Rufzahlen signifikant an; ebenso bei starkem Frost. Ein weiter Vorteil der Notrufsäulen: die 16.800 Notrufsäulen sind exakt lokalisiert. So kann die Leitzentrale Hilfe an den richtigen Ort zu schicken. Beim Handy ist der Empfang nicht immer gewährleistet.

Lebensrettende Tipps bei Notruf
Jeder Anrufer via Notrufsäule erhält scheinbar banale, manchmal lebensrettende Hinweise. Warnweste an, Warndreieck aufstellen. Und vor allem: Alle raus aus dem Auto. Denn immer wieder kommt es zu Unfällen, weil Personenwagen oder Lastwagen die Pannenautos am Straßenrand zu spät sehen. Deshalb appellieren die Service-Mitarbeiter in jedem Gespräch daran, hinter der Leitplanke zu warten. Hilfe gibt es übrigens nicht nur auf Deutsch: außer Englisch sprechen die Mitarbeiter im Notrufsäulen-Callcenter auch Russisch, Polnisch, Italienisch, Dänisch, Türkisch, Griechisch und Farsi. Alle neun Minuten wird für einen Notfall Hilfe organisiert. Dabei ist auffallend, dass manche Notrufsäulen häufiger genutzt werden, als andere – etwa die in der Nähe von Herrenberg und zwischen Frankfurt und Darmstadt (GDV DL Grafik - zum Vergrößern bitte anklicken).

Die orangenen Helfer werden zukunftsfit
„In Zukunft könnten die Notrufsäulen für das vernetzte Zeitalter aufgewertet und zum Rückgrat der digitalen Infrastruktur fürs vernetzte Fahren werden“, sagt ein Sprecher des GDV DL. Die Idee: Alle Notrufsäulen werden mit einem Sender ähnlich einem WLAN-Hotspot ausgerüstet, um so Daten über das Verkehrsaufkommen, Tempolimits, Staus, Falschfahrer oder liegen gebliebene Fahrzeuge an vorbeifahrende Autos zu funken. „Das erhöht die Verkehrssicherheit und ermöglicht die effiziente Nutzung bestehender Infrastrukturen“, sagt Harry Evers, Sprecher der Landesinitiative Mobilität Niedersachsen, die eine erste Machbarkeitsstudie vorgelegt hat. Für die Verkehrsplaner hätte der Einsatz der Säulen klare Vorteile: sie sind ans Stromnetz angeschlossen, und bestehende Kupferleitungen können für die Datenübertragung genutzt werden.

Die Säule selbst bietet sich als Funkmastbasis an: Pfeiler könnten der ideale Unterbau für benötigte Funkantennen sein. Wenn alles klappt, könnte das deutsche Notrufsäulennetz – und damit das komplette deutsche Autobahnnetz – schon 2022 digital funken. Was für ein Update für die vor 45 Jahren schon einmal fast abgebauten Telefone! (ml / www.bocquel-news.de)

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