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Nachhaltigkeit - nicht „nur“ in der Altersvorsorge?

17. Januar 2022 - Nachhaltigkeit war einer der am meisten benutzten Begriffe im vergangenen Jahr – wenn es nicht gerade um Corona ging. Im Expertengespräch der Versicherungsforen Leipzig tauschten sich Versicherer und Wissenschaftler aus, um für die Branche zu klären, wo auf Nachhaltigkeit geachtet werden sollte, aber nicht als Marketing-Gag.

Nachhaltiges Wirtschaften heißt: Soziale, ökologische und ökonomische Belange müssen immer wieder neu gegeneinander abgewogen und in ein vernünftiges Verhältnis gebracht werden. Mit diesem Ansatz soll die deutsche Industrie laut Definition im Lexikon - stetig zu Wohlstand und Umweltschutz in Deutschland und anderen Teilen der Welt beitragen. Und die Versicherer?

Längst ist der Begriff Nachhaltigkeit auch in der Assekuranz angekommen. Damit das, was viele unterschiedliche Definitionen zulässt, in der Versicherungsbranche möglichst auf einen Nenner gebracht wird, haben die Versicherungsforen Leipzig (www.versicherungsforen.net) mit Vorständen von Lebensversicherer und einem Wissenschaftler in einem Online-Gespräch diskutiert, um eine möglichst klare Linie für alle zu finden.

Das Jahr 2022 wird für Versicherer in vielen Facetten vom Thema Vertrauen geprägt sein. Alle Interaktionen mit ihrem Versicherer müssen für die Kunden einfach, komfortabel und transparent sein, so dass sie ihren Versicherer als einen vertrauenswürdigen Partner erleben. Die Versicherer ihrerseits müssen sich auf ihr IT-System verlassen können, um ein kundenorientiertes und profitables Geschäft zu betreiben. Nur auf dieser Grundlage kann die Branche die kommenden Herausforderungen in Sachen Nachhaltigkeit meistern.

Vorab noch ein paar Begriffe, die in dem Fachgespräch immer wieder in die Thesen einflossen: Taxonomie, Greenwashing und Impact Investing.

Einig waren sich die Gesprächspartner, dass in diesen Zeiten möglichst alle Versicherer – auch die Komposit-Versicherer, also nicht nur Lebensversicherer sondern auch die Komposit-Unternehmen – gemeinsam die Nachhaltigkeit ganz oben auf ihre Agenda heben sollten. Die Lebensversicherer haben laut Björn Bohnhoff, Mitglied des Vorstands Zurich Gruppe Deutschland, meistens erfolgreich reagiert. Allerdings würde es bei vielen Verantwortlichen bei Komposit-Versicherungen am Verständnis mangeln. Sie müssten gezielter auf die geopolitischen Probleme eingehen, um entsprechend nachhaltige Produkte ihren Kunden anzubieten.

Prof. Christian Klein, Professor für Sustainable Finance an der Universität Kassel, hackte hier ein. In Studien, die es in einer Vielzahl zum Thema Nachhaltigkeit gibt, haben demnach die Angesprochenen Kunden und Vermittler geantwortet, dass sie sehr wohl um die nachhaltige Bedeutung Bescheid wissen. Die Vermittler sagten allerdings, dass sie bisher selten die Nachhaltigkeit eines bestimmten Produkts im Verkaufsgespräch mit angeführt hätte. Weshalb? Sie seien immer noch unsicher und wüssten nicht genau, ob der Kunden nicht schon besser über Nachhaltigkeit unterrichtet sei, als er selbst!

Atomkraft – nein Danke?
Sehr schnell kamen die Diskutanten auf den Vorschlag der EU-Kommission zu sprechen, nach der (vielleicht auch nur vorübergehend) die Atomenergie zu den nachhaltigen Projekten gehöre. Insgesamt hätten die meisten deutschen Versicherer diese Eingruppierung abgelehnt, doch Zurich-Vorstand Björn Bohnhoff machte deutlich, dass sein Unternehmen – genau wie das Mutterhaus, die Zurich in der Schweiz – Investitionen in bestimmte Projekte leiste, auch wenn da die Atomenergie mit dabei sei. 

Björn Bohnhoff betonte in diesem Zusammenhang, dass die EU-Kommission in ihrem Taxonomie-Vorschlag zur Einstufung nachhaltiger Investments Atomkraft als grün klassifiziere, deshalb auch die gesamte Zurich Gruppe weltweit hier noch zu einigen Investitionen in die Atomkraft stehe. Es müssten Projekte auf dem Weg zu Nachhaltigkeit fertig gestellt werden, die meist nur mit Atomkraft zügig realisiert werden können.

Die Zurich werde damit nicht zum glühenden Verfechter der Atomkraft. „Wir sind auch nicht gezwungen, in Atomkraft zu investieren, nur weil die EU dort ein Nachhaltigkeitslabel drauf macht“, sagte Bohnhoff. Generell begrüßte er die Vorlage der EU. „Die Taxonomie gibt einen Rahmen vor“, sagte er. „Wir alle wissen, dass die Zeit drängt, ja wir sind schon ordentlich im Verzug und müssen die Bevölkerung dringend mit auf den nachhaltigen Weg bringen!“

EU Taxonomie-Vorschlag „nur“ Orientierungshilfe
Aber der Taxonomie-Vorschlag diene als Orientierungshilfe, welche Investitionen als „grün“ einzustufen sind. Es bestehe nämlich längst die Gefahr, dass wegen einer einheitlichen Nachhaltigkeits-Definition schnell Vorwürfe des „Greenwashings“ aufkommen. Auch für eine rechtlich sichere Beratung der Kunden sei eine genaue Definition von Nachhaltigkeit eminent wichtig. Die Taxonomie schreibe aber nicht vor, wo ein Versicherer zu investieren habe, betont Bohnhoff. „Es ist nicht einfach, dass wir auf einen Schlag komplett aus dem Portfolio rausghen. Da haben wir noch eine Reise vor uns.“

Ralf Berndt, Vorstand bei der Stuttgarter Lebensversicherung, mischte sich hier ein: „Wir haben gerade ein hartes Ausschlusskriterium bei unserer neuen Indexpolice (ohne Atomkraft) definiert.“ Die Anlage zur neuen Indexpolice, die der Stuttgarter Versicherer zum Jahresanfang auf den Markt gebracht hatte, wird nicht in Unternehmen investieren, die mehr als 10 Prozent ihres Umsatzes in Geschäftsfelder wie Kohle und Atomkraft erwirtschaften. „Wir haben unsere Entscheidung schon getroffen, und ich kann mir nicht vorstellen, dass wir sie revidieren werden“, sagte Ralf Berndt.

Die Bayerische positioniert sich gegen Investition in Nuklearenergie
Von der Bayerischen Versicherungsgruppe hatte sich zwar Vorstand Martin Gräfer angemeldet, überließ aber seinen Diskussionsbeitrag Uwe Mahrt, dem Chef der Nachhaltigkeits-Tochter Pangaea Life, weil Gräfer selbst verhindert war. Der Mutterkonzern die Bayerische habe sich in einem schriftlichen Statement gegen Investitionen in Nuklearenergie positioniert, weil man hier keine Brücke auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft sehe („ … auch dann nicht, wenn diese massenhaft aus dem Ausland importiert wird.“).

Übrigens gab sich der GDV Gesamtverband der Deutschen Versicherer auf den EU-Vorstoß ziemlich einsilbig ebenso wie andere große Versicherer. Die internationale Assekuranz stehe vor dem Problem, dass Atomkraft in anderen Ländern wie beispielsweise unser nächster Nachbar Frankreich durchaus als gangbare Alternative auf dem Weg zur Klimaneutralität gesehen wird.

Die Taxonomie der Versicherungsprodukte ist nach Ansicht aller Gesprächsteilnehmer als wichtiger Hebel in Sachen Klimawandel anzusehen.

Die Versicherer mit ihren Milliarden an Kapitalanlagen gelten als wichtiger Faktor, um die Transformation hin zu einem klimaneutralen Wirtschaften zu beschleunigen, in dem sie etwa erneuerbare Energien fördern, nicht mehr in CO2-intensive Unternehmen investieren oder ihre Rolle als Investor wahrnehmen und von solchen Konzernen mehr Nachhaltigkeit einfordern.

Pangea hat einen eigenen Nachhaltigkeits-Beauftragten
Pangea-Chef Uwe Mahrt, nannte dann auch die Anstrengungen, die viele Versicherer in Sachen Nachhaltigkeit machen. Bei der Pangea gebe es beispielsweise seit zwei Jahren bereits einen Nachhaltigkeits-Beauftragten, der nicht nur den Fuhrpark des noch jungen Versicherers Pangea im Auge behalte, sondern sogar die Kaffeemaschinen in jeder Abteilung Nachhaltigkeits-Kriterien unterwarf. Und in der Betriebsgastronomie werde auch nicht mehr so oft das Lieblingsgericht vieler (Currywurst mit Pommes) angeboten.

Schließlich habe die Bayerische Versicherungsgruppe auch mit ihren Kapitalanlagen quasi leichtes Spiel, denn die Aktien-Quote der Münchner belaufe sich lediglich auf 1 Prozent.

Alle in einem Boot
Die Erkenntnis aller, dass jetzt möglichst alle Versicherer in der Nachhaltigkeit an einem gemeinsamen Strang ziehen, wurde noch vertieft. Das zielte vor allem auch auf eine Herausforderung im Vertrieb, denn ab August müssen Vermittler laut EU-Vorgaben die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden abfragen und vor allem auch bei der Produktauswahl berücksichtigen. Also müssten nicht nur die Versicherer sondern auch die Kunden mit ins Boot genommen werden. (-el / Foto Screenshot / www.bocquel-news.de)

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