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Mehr verlorene Container und Großbrände auf See

3. August 2021 - Folgenschwere Brände und mehr verlorene Container, aber weniger Totalverluste – so lautet das Fazit der jährlichen und jetzt wieder aktuellen Schifffahrts-Studie der Allianz Global Corporate & Specialty (AGCS). Die internationale Schifffahrtsbranche hat ihren positiven Trend zu mehr Sicherheit im vergangenen Jahr fortgesetzt.

Teure Frequenzschäden setzen die Seekaskoversicherung weltweit immens unter Druck. „Trotz der jüngsten Marktkorrekturen dürfte das Prämienniveau den extrem weichen Markt der letzten fünfzehn Jahre nicht auffangen”, sagte Justus Heinrich, als er die Studie „Safety & Shipping Review 2021” der AGCS Allianz Global Corporate & Specialty SE (www.agcs.allianz.com/) vorstellte.

Im vergangenen Jahr gingen weltweit 49 große Schiffe verloren. Die Zahl der Schiffsunfälle sank von 2.818 auf 2.703 im Jahr 2020 um 4 Prozent. Dieser langfristig positive Trend zu mehr Sicherheit setzte sich in der internationalen Schifffahrtsbranche im vergangenen Jahr fort. Die jährliche Studie der Allianz Global Corporate & Specialty analysiert die gemeldeten Schiffsverluste und -unfälle (Zwischenfälle) über 100 Bruttoregistertonnen. Danach ist allein die Kapazität von Containerschiffen in den vergangenen 50 Jahren um 1.500 Prozent gestiegen und hat sich in den letzten 15 Jahren mehr als verdoppelt.

Im Jahr 2020 wurden weltweit 49 Totalverluste von Schiffen gemeldet, ähnlich wie im Jahr zuvor (48) und die zweitniedrigste Gesamtzahl in diesem Jahrhundert. Dies entspricht einem Rückgang um 50 Prozent innerhalb der zurückliegenden zehn Jahre (98 im Jahr 2011). In den vergangenen zehn Jahren gab es insgesamt mehr als 870 Schiffsverluste.

Doch die internationale Schifffahrtsbranche musste weitere Herausforderungen bestehen – etwa die weltweite Covid-19-Pandemie oder aber auch den Containerschiff-Stau im Suezkanal. Im Juni 2021 konnte das Contianerschiff „Ever Given" nach der Einigung im Streit um die Blockade des Suezkanals seine Fahrt fortgesetzt. Auch für die ständig steigenden Herausforderungen in den Bereichen Cybersicherheit und Klimawandel galt es sich zu wappnen.

„Die Schifffahrtsbranche hat sich während der Corona-Pandemie als sehr widerstandsfähig erwiesen, wie das starke Handelsvolumen und die Erholung, die wir heute in mehreren Bereichen der Branche sehen, beweisen", sagt Justus Heinrich, Leiter der Schifffahrtsversicherung der AGCS in Zentral- und Osteuropa und Globaler Produktmanager für Schiffskasko der AGCS: „Die Totalschäden sind das dritte Jahr in Folge auf einem historischen Tiefstand. Dennoch gab und gibt es Herausforderungen: Die anhaltende Belastung der Crews durch lange Zeiten an Bord, die Zunahme von teuren und komplexen Schäden gerade in Zusammenhang mit größeren Schiffen, die wachsende Besorgnis über Verzögerungen und Unterbrechungen in der Lieferkette sowie die Einhaltung von Umweltauflagen stellen die Reeder und ihre Besatzungen vor große Herausforderungen im Risikomanagement.”

Seeregionen in Südostasien bleiben globaler Unglücks-Hotspot
Die Seeregion Südchina, Indochina, Indonesien und Philippinen bleibt der globale Unglücks-Hotspot und ist für jeden dritten Verlust im Jahr 2020 verantwortlich (16), wobei die Zahl der Vorfälle im Vergleich zum Vorjahr gestiegen ist. Frachtschiffe (18) machen mehr als ein Drittel der im letzten Jahr verlorenen Schiffe und 40 Prozent der Gesamtverluste in den letzten zehn Jahren aus (siehe AGCS-Grafik).

Untergegangene (gesunkene/untergetauchte) Schiffe waren die Hauptursache für die Totalverluste im vergangenen Jahr und machten jedes zweite Schiff aus. Maschinenschäden/-ausfälle waren mit 40 Prozent die Hauptursache für Schiffsunfälle weltweit.

COVID-19: Längere Wartezeiten, Mangel an Containern
Trotz der verheerenden wirtschaftlichen Auswirkungen von Covid-19 waren die Auswirkungen auf den Seehandel geringer als zunächst befürchtet. Das globale Seehandelsvolumen ist auf dem besten Weg, das Niveau von 2019 in diesem Jahr zu übertreffen. Allerdings bleibt die Erholung volatil. Im Juni 2021 gab es schätzungsweise eine Rekordzahl von 300 Frachtschiffen, die auf die Einfahrt in überfüllte Häfen warteten. Die Zeit, die Containerschiffe beim Warten auf Hafenliegeplätze verbringen, hat sich seit 2019 mehr als verdoppelt.

Die Situation des Besatzungswechsels auf Schiffen ist eine humanitäre Krise, die sich weiterhin auf die Gesundheit und das Wohlergehen von Seeleuten auswirkt. Im März 2021 befanden sich schätzungsweise 200.000 Seeleute an Bord von Schiffen, die aufgrund von Covid-19-Beschränkungen nicht in die Heimat zurückkehren konnten.

Längere Zeit auf See kann zu mentaler Ermüdung führen und die Entscheidungsfähigkeiten beeinträchtigen, was sich letztlich auf die Sicherheit auswirken kann. Es gab bereits Zwischenfälle auf Schiffen, bei denen Besatzungen länger an Bord waren, als sie hätten sein sollen.

Obwohl Covid-19 bisher nur zu begrenzten direkten Schäden in der Schifffahrt geführt hat, ist der Sektor nicht von bedeutenden Schadensaktivitäten verschont geblieben. „Insgesamt hat sich die Häufigkeit von Schiffsschäden nicht verringert. Wir sehen auch einen Anstieg der Kosten für Kasko- und Maschinenschäden aufgrund von Verzögerungen bei der Herstellung und Lieferung von Ersatzteilen sowie einer Verknappung der verfügbaren Werftflächen", sagt Justus Heinrich.

Auch die Kosten für Bergung und Reparaturen sind demnach gestiegen. „In Zukunft könnten die Versicherer möglicherweise einen Anstieg der Schadenersatzansprüche bei Maschinenausfällen feststellen, wenn die Besatzung im Rahmen der Covid-19-Einschränkungen nicht in der Lage war, Wartungsarbeiten durchzuführen oder die Herstelleranweisungen zu befolgen."

Größere Schiffe - größere Risiken
Die Blockierung des Suezkanals durch das Containerschiff Ever Given im März 2021 ist der jüngste in einer wachsenden Liste von Zwischenfällen mit großen Schiffen oder Megaschiffen. Schiffe wurden immer größer, da Reedereien nach Größenvorteilen und Treibstoffeffizienz streben. Die größten Containerschiffe überschreiten mittlerweile die 20.000-TEU-Marke und noch größere Schiffe sind in Auftrag gegeben (24.000 TEU).

„Größere Schiffe bedeuten besondere Risiken. Die Reaktion auf Zwischenfälle ist komplexer und teurer. Die Zufahrtskanäle zu bestehenden Häfen wurden zwar tiefer ausgebaggert und die Liegeplätze und Kaianlagen erweitert, um große Schiffe aufzunehmen, aber die Gesamtgröße der Häfen ist gleichgeblieben. Infolgedessen kann ein „Versehen“ häufiger zu einem „Unfall“ für die sehr große Containerschiffe werden", sagt Anastasios Leonburg, Senior Marine Risk Consultant bei AGCS.

Wäre beispielsweise die Ever Given nicht wieder flott gemacht worden, hätte die Bergung den langwierigen Prozess des Entladens von rund 18.000 Containern erfordert, wofür Spezialkräne nötig gewesen wären. Die Wrackbeseitigung des großen Autotransporters Golden Ray, der 2019 mit mehr als 4.000 Fahrzeugen an Bord in US-Gewässern kenterte, hat über anderthalb Jahre gedauert und mehrere hundert Millionen Dollar gekostet.

Mehr Brände an Bord
Auch die Zahl der Brände an Bord großer Schiffe ist besorgniserregend, sagen die AGCS-Experten. Allein im Jahr 2019 gab es einen Rekord von 40 Bränden im Zusammenhang mit der Ladung an Bord. Über alle Schiffstypen hinweg stieg die Zahl der Brände/Explosionen, die zu einem Totalverlust führten, im Jahr 2020 noch einmal an und erreichte mit 10 ein Vierjahreshoch. Ein besonders besorgniserregender Trend ist demnach auch der jüngste Anstieg der Häufigkeit von Bränden auf Containerschiffen mit einem Wert von über 500.000 US-Dollar (entspricht mehr als 420.700 Euro).

„Der Verlust von Containern auf See ist im letzten Jahr ebenfalls in die Höhe geschnellt (über 3.000) und hat sich 2021 auf hohem Niveau fortgesetzt, was Lieferketten unterbricht und ein potenzielles Verschmutzungs- und Navigationsrisiko darstellt“, heißt es im AGCS-Bericht. Die Zahl der verlorenen Container ist die höchste seit sieben Jahren. Größere Schiffe, extremeres Wetter, ein Anstieg der Frachtraten und falsch deklarierte Ladungsgewichte (die zum Einsturz von Containerstapeln führen) sowie die steigende Nachfrage nach Konsumgütern könnten zu diesem Anstieg beitragen. Die Fragen danach, wie Container an Bord von Schiffen richtig gesichert werden, nehmen zu.

Verzögerungen und Lieferkettenprobleme
Die Widerstandsfähigkeit der maritimen Lieferketten steht nach den jüngsten Ereignissen im Fokus: Der „Ever Given"-Vorfall schickte Schockwellen durch diejenigen globalen Lieferketten, die vom Seetransport abhängig sind. Er verstärkte die Verzögerungen und Störungen. „Transparenz in der Lieferkette vom Rohstoff bis zum Endkunden ist wichtig, um das gesamte Lieferkettensystem in dem sich ein Unternehmen bewegt wirklich zu verstehen und dadurch Risiken erkennbar, kontrollierbar, quantifizierbar zu machen", sagt Anastasios Leonburg. „Genauere Wettervorhersagen und Technologien werden den Schifffahrtsunternehmen außerdem dabei helfen, vorauszuplanen und Maßnahmen zu ergreifen, um Verluste zu vermeiden.“

Piraterie - die höchste Zahl aller Zeiten
Der weltweite Hotspot der Piraterie, der Golf von Guinea, ist im Jahr 2020 für über 95 Prozent der weltweit entführten Besatzungen verantwortlich. Letztes Jahr wurden 130 Besatzungsmitglieder bei 22 Vorfällen in der Region entführt – die höchste Zahl aller Zeiten – und das Problem hat sich fortgesetzt. Schiffe werden immer weiter von der Küste entfernt ins Visier genommen – in einigen Fällen über 200 nautische Meilen.

Immer mehr Cyberangriffe
Der Bericht stellt außerdem fest, dass die vier größten Schifffahrtsunternehmen der Welt alle bereits von einem Cyberangriff betroffen waren. Da sich geopolitische Konflikte zunehmend im Cyberspace abspielen, wächst die Sorge vor einem möglichen Angriff auf kritische maritime Infrastruktur, wie beispielsweise einen wichtigen Hafen oder eine Schifffahrtsroute. (-el / www.bocquel-news.de)

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