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Kann der Brexit deutschen Maklern etwas anhaben?

2. November 2017 - „Brexit – darauf müssen sich deutsche Makler einstellen“, heißt es beim Verband Deutscher Versicherungs-Makler (VDVM). Es geht um bis zu 100.000 Arbeitsplätze in UK und anderen EU-Staaten, die mit britischen Versicherungen und Banken kooperieren. Zwei Szenarien des VDVM zeigen, wo’s lang geht.

Nach Medienberichten rechnet die britische Notenbank durch den Brexit - den geplanten Ausstieg Großbritanniens aus der EU - mit einem deutlichen Aderlass in der Finanzbranche. Ein Verlust von bis zu 75.000 Arbeitsplätzen bei Banken und Versicherern sei „plausibel". Vor einem Ausschuss des Oberhauses hieß es am Mittwoch, zum angestrebten Brexit-Zeitpunkt im März 2019 könnte der wichtige Wirtschaftszweig bereits rund 10.000 Jobs eingebüßt haben. Inzwischen herrscht hierzulande Unsicherheit. Schlüssige Konzepte oder Strategien zu den unterschiedlichen Anforderungen des Brexit fehlen noch immer. „Weder die britische Regierung noch sonstige Protagonisten liefern bisher geeignete Ansätze“, sagte Yorck Hillegaart bei einem Pressegespräch des VDVM (www.vdvm.de) mit Journalisten in Hamburg.

Als Vizepräsident des Verbands Deutscher Versicherungs-Makler, im Geschäftsalltag Geschäftsführende Gesellschafter der Funk Gruppe GmbH (www.funk-gruppe.de), sprach er von der Verunsicherung hiesiger Marktteilnehmer. Auch die Makler und Kunden, die Versicherungsprojekte bei britischen Assekuranzen haben, sind verunsichert. Hillegaart: „Die Frage nach der künftigen Entwicklung des Versicherungsstandortes London bleibt weiter ungewiss.“

Erschwerend komme hinzu, dass der in London beheimatete Lloyds-Anteil am globalen Prämienaufkommen in den letzten Jahren rückläufig ist. Um weiterhin eine Schlüsselrolle im internationalen Versicherungsmarkt zu spielen, sei zusätzlich eine deutliche Steigerung der Prozesseffizienz eine zwingende Voraussetzung.

Der VDVM-Vize betonte, dass die unbestimmte Entwicklung des Brexit keine Planungssicherheit zulasse. Makler sollten sich daher auf unterschiedliche Szenarien vorbereiten. Seiner Meinung nach lassen sich dabei die möglichen Entwicklungen in zwei gegensätzliche Positionen einteilen: Ein ungeregelter Ausstieg aus der EU führt zu einem sogenannten „Hard Brexit“. Bei einem „Soft Brexit“ bleiben dagegen die Privilegien des EU-Binnenmarktes weitgehend beibehalten.

Szenario I – der Soft Brexit oder auch: „Alles bleibt beim Alten“:

  • Voraussetzung ist, dass Großbritannien weitgehende EU-Rechte und EU-Pflichten akzeptiert und weiterhin am freien Dienstleistungs- und Warenverkehr mit der EU teil-nimmt. Ein Szenario vergleichbar mit dem Status der Schweiz, die mit der EU bzw. den Mitgliedsstaaten entsprechend bilaterale Abkommen ausgehandelt hat und auch die EU-Gesetzbarkeit akzeptiert. Für die Versicherer aus UK und die dort ansässigen Makler würden in diesem Fall Spielregeln gelten, welche die europäische Aufsichtsbehörde fixiert. Dazu gehören beispielsweise Solvency II oder IDD.
  • Die britischen Versicherer haben dann in Form des sogenannten Passportings die Möglichkeit, auch deutsche Risiken weiterhin zeichnen zu können. Der britische Versicherungsmarkt stünde deutschen Maklern wie bisher offen. So wären Lloyds-Policen beispielsweise mit einem Gerichtsstand außerhalb der EU weiterhin durch das Passporting möglich.
  • Für spezielle Konstrukte in der Lebensversicherung (Aktien-/Fonds-basierte Produkte) und der betrieblichen Altersversorgung sowie im Industrie-/Gewerbebereich kann der britische Versicherungsmarkt deutschen Brokern Angebote unterbreiten, die im heimischen Markt in dieser Form so nicht zu finden wären. So ist Großbritannien ein Hub für Insurance Linked Securities (ILS), Spezial-Versicherungen/Contingency Deckungen, Luftfahrtrisiken, Transport, Schiffskasko sowie Cyber, in dem das europäische Geschäft derzeit zusammenläuft. Deutsche Makler, die komplexere Risiken in diesem Kontext vermitteln, sind folglich auf diese Anker-Kapazitäten in UK angewiesen.

Im Falle eines Soft Brexit stünden diese den Maklern ohne Einschränkungen und ohne erhöhte Transaktionskosten weiter zur Verfügung.

Szenario II – der Hard Brexit oder auch: „Es wird spannend“

  • Steigt Großbritannien aus der EU ohne bilaterale Verträge zur Aufrechterhaltung des EU-Binnenmarkts aus, wird sich diese Entwicklung auch deutlich auf den Versicherungs- und Maklerbereich auswirken. Aktuell bereiten sich britische Unternehmen auf dieses Szenario vor. Sichtbarstes Beispiel sind die Neugründungen von Gesellschaften auf EU-Boden, wie es mittlerweile fast alle britischen Versicherer inklusive Lloyds entweder bereits vollzogen haben oder sich in der Gründung befinden.
  • Im Fall eines Hard Brexit wird es für britische Versicherer nicht mehr möglich sein, Risiken aus der EU zu versichern. Um dennoch am EU-Markt teilnehmen zu können, benötigen sie eine unabhängige, geschäftsführende Einheit innerhalb des EU-Binnenmarkts, die unter die europäische Aufsicht fällt. Daher hat Lloyds zum Beispiel eine entsprechende Einheit in Belgien gegründet. Luxemburg ist ebenso ein viel genutzter Standort für die Re-Domizilierung. Aber auch Frankreich, Deutschland und Irland gehören zum Kreis der attraktiven Standorte.
  • Deutsche Makler und Lloyds könnten weiterhin die dann etablierten Einheiten von britischen Versicherern innerhalb des EU-Binnenmarktes für die Risikovermittlung nutzen. Eine Reduktion der Risikoträger – und damit als mögliche Konsequenz ein sich verhär-tender Markt – ist somit nicht zu befürchten.
  • Bei Mehrjahresverträgen, die neu geschlossen werden und bei denen der Brexit in die Vertragslaufzeit fällt, ist die Situation interessanter: Hier gehen Experten derzeit davon aus, dass diese Verträge in Form des sogenannten Grandfatherings auch nach einem Hard Brexit auf der Pre-Brexit Grundlage unverändert weiterlaufen dürfen. Dies betrifft zum einen einige Mehrjahresverträge im Zuge von ART-/Captive-Lösungen oder inter-nationalen Versicherungsprogrammen mit einem britischen Versicherer in Führung.

Zum anderen sind die meist mehrjährigen Rückversicherungsverträge der Erstversicherer betroffen, die aktuell direkt in UK mit britischen Versicherern geschlossen werden – mit oder ohne Involvierung von deutschen Maklern/Lloyds. Ein systematisches „Umdecken“ von Verträgen mit britischen Versicherern ist nach aktueller Erkenntnis nicht not-wendig.

Für die Renewal-Periode 2019 sollten deutsche Makler bei sich abzeichnendem Hard Brexit aber darauf achten, dass der Sitz des Versicherers ihrer transferierten Risiken sich innerhalb der EU befindet, damit Vertragskontinuität besteht.

  • Besonderes Augenmerk ist auf britische Lebensversicherungen/Altersvorsorgeprodukte mit hohen Aktienquoten zu legen. Dies gilt insbesondere für auf Langfristigkeit angelegte Altersvorsorgeprodukte oder Policen, die vom Versicherungsnehmer zur endfälligen Tilgung eines Darlehens oder einer Finanzierung eingesetzt werden sollen. Falls die Renditeversprechen in Großbritannien nicht eingehalten werden können, müssen Versicherungsnehmer eventuell Einbußen in Kauf nehmen.
  • Warum ist ein EU-Domizil der Risikoträger für deutsche Makler wichtig? Damit wird sichergestellt, dass die europäischen Aufsichtsbehörden den jeweiligen Rahmen für den Versicherungsvertrag vorgeben und kundenrelevante Verbraucher-Schutzmechanismen wie eine ausreichende Eigenkapitalisierung des Risikoträgers (Solvency II) sowie eine grundsätzliche Regulierung der Anbieter von Versicherungsprodukten gewährleistet sind.

In diesem Zusammenhang reiben sich nun einige den Brexit befürwortende Marktteilnehmer in UK bereits die Hände. Im Falle eines Hard Brexit könnte die britische Aufsicht nämlich die Regulierung des Versicherungswesens deutlich lockern und da-mit ihren Marktteilnehmern in Großbritannien neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnen. Für deutsche Makler könnte dies bedeuten, dass ein im Verhältnis zur EU lockerer regulierter UK-Markt als attraktive Option zur Verfügung stünde. Die Stellung des britischen Versicherungsmarktes für komplexe, aber auch innovative Deckungen könnte in diesem Kontext durchaus gestärkt werden. Die Versicherungsverträge sind allerdings dann im schlimmsten Fall nur nach liberalem britischem Recht juristisch umsetzbar – ein Nachteil für deutsche Versicherungskunden, der dann akzeptiert werden müsste.

Weniger optimistische Stimmen rechnen allerdings eher damit, dass der UK-Versicherungsmarkt bei einem Hard Brexit insgesamt schrumpft. Eine Studie von Oliver Wyman kommt zu der Schätzung, dass 75.000 Arbeitsplätze abgebaut würden und der Prämienumsatz deutlich sinken könnte.

Alle auf einer FOS-Basis abgeschlossenen Verträge und Programme müssten neu geordnet und analog den bestehenden „non-admitted“-Regeln lokal versichert werden. Gemeint sind Europa-Policen oder FOS-Policen (engl. Freedom of services-Policen), die im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) einheitlichen Versicherungsschutz bieten. Eine Neuordnung würde die Prozesskomplexität und damit die Kosten erhöhen.

Das Fazit, das Yorck Hillegaart für die Journalisten zog, war ganz pragmatisch: Danach sollte das Gros der deutschen Makler der Entwicklung grundsätzlich gelassen entgegen-sehen. Eine wie auch immer geartete Abhängigkeit vom Londoner Markt sei derzeit bis auf wenige Ausnahmen nicht erkennbar.

Außerdem würden industrielle Großkunden mit ihren internationalen Programmen und dem Bedarf nach Spezialdeckungen auch weiterhin – über Brüssel – den Zugang in den Markt haben. Dies gelte in gleichem Umfange für diejenigen Makler, die auch schon heute Spezialdeckungen in London platzieren.

„Aus wettbewerblichen Überlegungen ist es unabhängig vom Brexit immer ratsam, alle europäischen Märkte im Visier zu behalten. Denn es werden zunehmend Kapazitäten und Lösungen angeboten, die entweder so oder in anderer Form in Deutschland nicht zur Verfügung stehen“, sagte Hillegaart. Je nach der konkreten Brexit-Ausgestaltung könnten sich im Einzelfall durchaus interessante wettbewerbliche Ansätze ergeben. (db / www.bocquel-news.de)

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