logo
logo

Konzepte und Kriterien

Ja zur Digitalisierung - mit mehr Mut und Know-how

21. Dezember 2018 - Der Begriff „Digitalisierung“ - häufig zitiert und hierzulande fast überstrapaziert. Doch ohne sie geht in der Assekuranz fast gar nichts mehr. Aber: Deutschland hinkt hier entwicklungstechnisch hinterher. Woran liegt es? Michal Trochimczuk, Managing Partner von Sollers Consulting, redet jetzt Tacheles.

Wo stehen deutsche Versicherer im Vergleich zu Unternehmen in anderen Märkten?

Michal Trochimczuk: Generell hinkt die Finanzbranche in der Digitalisierung hinterher und innerhalb der Finanzbranche sind Versicherer langsamer als Banken. Deutschland gehört in Europa nicht zu den Vorreitern in der Digitalisierung und die Versicherer spiegeln das. In Großbritannien, Dänemark und Polen haben Versicherer schon früh damit begonnen, den IT-Kern zu erneuern. Mit Kernsystemen steuern Versicherer alle ihre wesentlichen Grundfunktionen, von der Tarifierung über die Antragsannahme bis hin zur Schadenbearbeitung.

In Deutschland haben sich Standardsysteme nur in der Lebensversicherung durchgesetzt; in der Schadenversicherung arbeitet ein Großteil der Unternehmen noch mit überalterten Eigenentwicklungen. Wir sprechen seit mehr als sechs Jahren über die Digitalisierung auf dem deutschen Markt. Doch unsere Erfahrungen zeigen, dass dieses Problem noch nicht gelöst ist.

Aber die Versicherer haben doch schon erhebliche Fortschritte gemacht.

Michal Trochimczuk: Das stimmt. Eine Reihe von Versicherern hat damit begonnen, ihr Back-end zu modernisieren. Sie gehören zu den Vorreitern auf dem deutschen Markt und sie werden es mit neuen Systemen erheblich leichter haben, Schritt zu halten. Bei vielen Digitalisierungsprojekten, von denen wir erfahren, handelt es sich allerdings um Stückwerk.

Die einen fokussieren sich auf das Front-end und lassen die dahinter stehenden Altsysteme weitgehend unberührt. Andere implementieren neue Kernsysteme, doch der erwünschte Erfolg bleibt aus. Versicherer tun sich mit IT-Projekten nicht leicht. Das führt bei vielen zu einem gewissen Attentismus.  

Warum zögern die Versicherer bei der Digitalisierung?

Michal Trochimczuk: Versicherern mangelt es häufig an Erfahrung bei der Umsetzung großer interner Projekte. Eine der größten Herausforderung ist dabei der Kulturwandel in den Unternehmen. Es sollte dabei um die Etablierung einer ernst gemeinten Fehler- und Diskussionskultur gehen. Viele Versicherer scheuen auch vor dem Aufwand zurück, der mit einer Erneuerung einhergeht.

Dass viele Unternehmen über eine beträchtliche Menge an teilweise konkurrierenden Altsystemen verfügen, macht die Sache nicht einfacher. Bestehende Systeme in ein neues zu migrieren, ist viel aufwändiger als einen neuen Versicherer mit einem neuen System auf der grünen Wiese zu bauen. Darum machen sich die InsurTech-Startups nicht ganz unberechtigte Hoffnungen.

Die Sorgen der Versicherer sind also nicht ganz unberechtigt...

Michal Trochimczuk: Das Tempo der Veränderung ist gewaltig. Zur Illustration der Veränderung werden häufig die Fotos von den Papstwahlen im Jahr 2005 und im Jahr 2013 gegenübergestellt. Im Jahr 2013 war die wartende Menge der Gläubigen fast vollständig mit Smartphones ausgestattet; acht Jahre davor waren sie alle noch offline.

Das Tempo der technologischen Veränderung wird aller Voraussicht nach eher zu- als abnehmen. Darum machen sich die Versicherer berechtigter Weise Sorgen. Allerdings gibt es viele Gründe, die für die Versicherer sprechen. Zum einen haben viele Unternehmen bereits eine Art Service-Universum um ihre finanzielle Dienstleistung herum etabliert. Das GDV-Schadennetz beispielsweise erleichtert den Datenaustausch mit Schadendienstleistern. Dadurch wird die Digitalisierung des Sicherheits-Ökosystems um die Versicherer herum möglich.

Abgesehen von einigen Aufsehen erregenden Negativfällen haben viele Versicherer gezeigt, dass sie mit ihren IT-Projekten schnell zum Erfolg gekommen sind. Sie haben sich nicht damit begnügt, bestehende Prozesse zu digitalisieren, sondern auch die Antragsannahme und Verwaltung, die Schadenbearbeitung und viele andere Prozesse des Versicherungsgeschäfts angepasst und teilweise neu gestaltet. Wir sehen derzeit, welche Fortschritte Versicherer bei der Adaption an agiles Projektmanagement machen. Versicherer in anderen Märkten haben gezeigt, dass Veränderungen möglich sind, auch große Veränderungen. Das stimmt mich zuversichtlich.

Können Sie Beispiele nennen?

Michal Trochimczuk: Der polnische Versicherer PZU galt lange Zeit als angeschlagen. Weil er von der Kundschaft als zu antiquiert empfunden wurde, verlor er Jahr für Jahr Marktanteile. 2012 hat das Unternehmen bei einer umfassenden Modernisierung der IT seine Geschäftsstruktur vollkommen erneuert. Seitdem ist PZU wieder zu einem Taktgeber im polnischen Markt geworden.

Auf unserer Konferenz Innovation in Insurance Mitte Januar 2019 werden Versicherer aus Großbritannien, der Schweiz, Japan, Luxemburg und Polen über ihre Digitalisierungsprojekte berichten. Jeder einzelne von ihnen zeigt, wie man mit der Digitalisierung zum Erfolg kommt. Das ist zugegebener Weise nicht immer einfach, doch wenn man ein paar Grundprinzipien beachtet, überwiegt das Positive. Ich würde mir in dieser Hinsicht in der deutschen Versicherungswirtschaft mehr Mut wünschen. (www.bocquel-news.de)

zurück

Achtung Copyright: Die Inhalte von bocquel-news.de sind nach dem Urheberrecht für journalistische Texte geschützt. Die Artikel sind ausschließlich zur persönlichen Lektüre und Information bestimmt. Abdrucke und Weiterverwendung - beispielsweise zum kommerziellen Gebrauch auf einer anderen Homepage / Website oder Druckstücken - sind nur nach persönlicher Rücksprache mit der Redaktion (info@bocquel-news.de) gestattet.