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Inflation gefährdet Betriebsrente der Jüngeren

28. September 2022 - Größtenteils sind die laufenden Betriebsrenten gegen die Inflation geschützt. Dies gilt aber nicht für erworbene Versorgungsanwartschaften Jüngerer. Sie laufen Gefahr, dass die Inflation ihre Rente entwerten könnte. Davor warnte das Institut der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung e.V. (IVS).

Das Versicherungsmathematische Sachverständigen-Institut (www.aktuare-wts.de/), ein Zweigverein der Deutschen Aktuarvereinigung e.V. (DAV www.aktuar.de), machte am Mittwoch in einem virtuellen Pressegespräch deutlich, dass die Inflation die Rente entwerten kann, dass das IVS gleichzeitig einen Lösungsvorschlag lieferte, wie das Problem zu mindern wäre.

Die derzeit hohe Inflation wird zu deutlichen Verwerfungen in der betrieblichen Altersversorgung (bAV) führen, stellt das IVS fest. „Diese Entwicklung wird die Unternehmen in der Handelsbilanz bereits 2022 empfindlich treffen“, erklärte Stefan Oecking, stellvertretender IVS-Vorstandsvorsitzender. „Der Aufwand für die Unternehmen steigt dramatisch“, warnte Oecking.

Renten meist inflationsgeschützt
Betriebsrentner müssen sich darüber keine großen Sorgen machen, denn ihre Renten sind in der Regel inflationsgeschützt, versicherten die IVS-Experten. Arbeitgeber sind in Deutschland nämlich gesetzlich verpflichtet, spätestens alle drei Jahre die Höhe der laufenden Betriebsrenten zu prüfen und nach billigem Ermessen anzuheben. Werden Renten an den Verbraucherpreisindex für Deutschland (VPI) oder die Nettolohnentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmergruppen angepasst, entfällt die Prüfungspflicht.

Ein Problem für Betriebsrentner kann es für Zusagen ab 1999 nur dann geben, wenn das Unternehmen der Anpassungsprüfungspflicht entgangen ist und es die laufenden Renten jedes Jahr um 1 Prozent angehoben hat. In der Praxis, so IVS-Vorstandsvorsitzender Dr. Friedemann Lucius, unterliegen aber geschätzt 70 Prozent der laufenden Betriebsrenten der VPI-Anpassungsregelung und seien insofern inflationsgeschützt.

Laufende Renten auf der Grundlage von Leistungszusagen, die nach heutigen Maßstäben häufig recht hoch bemessen sind, sorgten zusammen mit den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung und privatem Vermögen meist für ein gutes Versorgungsniveau der heutigen Rentnerinnen und Rentner, erläuterte Oecking. „Diese Niveau ist für die heutige Generation in der Breite faktisch unerreichbar“, so der IVS-Mann wörtlich. Hinzu komme, dass die heutige Betriebsrentner-Generation durch das Betriebsrentenrecht in jeder Hinsicht ausgezeichnet gegen Eingriffe von außen abgesichert ist.

Kein Schutz für Anwartschaften

Anders stellt sich das für die jüngere Generation dar. Für Anwartschaften auf die bAV gelte ein vergleichbarer Inflationsschutz nicht. Endgehaltsabhängige Systeme, die einen gewissen Inflationsschutz durch die Entgeltdynamisierung gewähren, kommen in der Praxis kaum noch vor. Beitragsorientierte Leistungszusagen, bei denen der Beitrag gehaltsabhängig festgelegt ist, kommen häufiger vor, bieten jedoch allenfalls einen eingeschränkten Inflationsschutz über die Gehaltsentwicklung, die aber nur auf zukünftige Anwartschaftszuwächse wirkt. „In den meisten Fällen führt die Inflation für Anwärterinnen und Anwärter zu einer Entwertung ihrer erdienten Ansprüche“, stellte Lucius klar.

Es bestehe die Gefahr, dass gerade junge Menschen auf der Suche nach Einsparpotenzial bei der Entgeltumwandlung den Rotstift ansetzen. Dies sei bereits in den Betrieben Realität und konnte vom IVS-Vorstandsmitglied Susanna Adelhardt, Head of Benefits bei Evonik, für ihr Unternehmen in der anschließenden Fragerunde bestätigt werden. Natürlich versuche sie, die Arbeitnehmer zu überzeugen, die bAV weiterzuführen, denn bei einer Rückabwicklung der Entgeltumwandlung werde „Geld verschenkt“. Insgesamt drohe eine schleichende Ausweitung der Versorgungslücke, die erst in 20 bis 30 Jahren in vollem Umfang sichtbar werde. 

Generationengerechtigkeit gefährdet

In Zeiten hoher Inflation werde die junge Generation von drei Seiten in die Zange genommen: Zum einen werden die in der Vergangenheit erworbenen Anwartschaften und Ansprüche real entwertet. Zum anderen nimmt der Druck zu, bestehende Entgeltumwandlungen einzustellen, um die Strom- und Gaspreisrechnung noch bezahlen zu können. Und schließlich müssen bei unvollständigem Inflationsausgleich auf das Gehalt Kaufkraftverluste hingenommen werden, die die Fähigkeit zur privaten Vorsorge erheblich begrenzen. „Die Generationengerechtigkeit gerät dadurch in der betrieblichen Altersversorgung zunehmend unter die Räder“, warnte IVS-Chef Lucius.

Umverteilung gefordert

Das IVS schlägt deshalb einen so genannten Nachhaltigkeitsmechanismus vor – analog zur gesetzlichen Rentenversicherung. Damit soll eine Umverteilung der betrieblichen bAV-Mittel von Bestandsrentnern zu Jüngeren mit Anwartschaften vorgenommen werden. „Denkbar wäre die Ergänzung der gesetzlichen Anpassungsverpflichtung um eine Option für den Arbeitgeber zur Begrenzung der Anpassungshöhe, etwa durch die Einführung einer Anpassungsbemessungsgrenze für laufende Renten“, so Oecking.

Renten würden dann nur noch bis zu einem bestimmten Betrag, zum Beispiel ein Sechstel der monatlichen Bezugsgröße nach dem IV. Sozialgesetzbuch (das sind konkret 548 Euro) an den VPI angepasst, wohingegen die Anpassung für darüberhinausgehende Rententeile deutlich reduziert werden könnte. Dies würde weniger als 20 Prozent der Betriebsrentner betreffen, schätzte Oecking.

Im Gegenzug müssten sich die Arbeitgeber jedoch verpflichten, die dadurch eingesparten Mittel zur Finanzierung zusätzlicher bAV für die jüngere Generation einzusetzen. Die Verteilung der eingesparten Mittel könnte durch kollektivrechtliche Regelungen im Rahmen der Mitbestimmungspflicht durch eine Betriebsvereinbarung oder einen Tarifvertrag geschehen, meinen die IVS-Experten. (Bernd Rudolf Text und Foto / www.bocquel-news.de)

 

 

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